Sich auf die neue europäische Maschinenverordnung vorbereiten

Die neue europäische Maschinenverordnung berücksichtigt nun auch Risiken, die durch die Nutzung von KI bspw. für Cobots entstehen. Ab 20. Januar 2027 ist die Übergangsfrist abgelaufen und Händler, Hersteller und Betreiber sollten darauf vorbereitet sein.

© littlewolf1989 - stock.adobe.com
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Das Anwendungsgebiet der neuen europäischen Maschinenverordnung 2023/1230 (MVO) ist weitreichend. Sie betrifft Maschinen, wie sie typischerweise in chemischen und verfahrenstechnischen Anlagen vorkommen, etwa Rührwerke, Pumpen und Kompressoren. Außerdem gilt sie für Destillations-, Filter- und Trennungsanlagen oder Reaktoren. Darüber hinaus erstreckt sie sich aber auch auf Hebefahrzeuge, Pedelecs oder E-Scooter für Fahrten auf dem Betriebsgelände und sogar auf elektrisch verstellbare Schreibtische.

Die MVO ist im Juli 2023 in Kraft getreten­

und ersetzt die bisherige Maschinenricht­linie 2006/42/EG (MaschRL). Nach einer Übergangsfrist von 42 Monaten wird sie ab 20. Januar 2027 alleine gültig sein. TÜV Süd-Experten raten jedoch dazu, sich bereits früh­zeitig auf die neue Verordnung einzustellen, um Sicherheits- und Haftungsrisiken im Schadensfall zu vermeiden.

Software und Sensorik einbezogen

Die MVO betrachtet – anders als ihre Vorgängerin MaschRL – sicherheitstechnische Anlagen im Verbund mit der dazugehörigen Software und Sensorik. Dies betrifft bspw. viele Anlagen in der chemischen Industrie, die in den vergangenen Jahren mit sicherheitstechnischen Komponenten nachgerüstet wurden. Die MVO passt nun die Regulatorik dem aktuellen Stand der Technik an. Denn mit zunehmender Digitalisierung und Vernetzung steigen auch die Risiken.

Erstmals nimmt die MVO Bezug auf die Cybersicherheit. Sie stellt ausdrücklich neue Anforderungen an Sicherheitssteuerungen, für eventuell verwendete KI in Sicherheitsfunktionen sowie für autonome und ferngesteuerte Maschinen und kollaborative Roboter (sog. Cobots). Ziel ist es, Software und Daten vor absichtlicher und unabsichtlicher Manipulation zu schützen. Maschinen müssen so konstruiert sein, dass Manipulationsversuche auch aus der Ferne nicht möglich sind. Die Bestimmungen zur Cybersicherheit finden sich in Anhang III, Teil B, der MVO. Ähnliche Bestimmungen betreffen die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Steuerungssystemen. Auch diese müssen Eingriffen von außen widerstehen können. Dazu gehören laut MVO Manipulationsversuche, die plausibel antizipierbar sind und aus denen gefährliche Situationen entstehen könnten.

Wenn Käufer zu Herstellern werden

Unter bestimmten Umständen können Betreiber, Händler und Käufer zu Herstellern im Sinne der MVO werden – mit all deren Pflichten. Dies gilt immer dann, wenn sie „wesentliche Veränderungen“ an der Maschine vornehmen. Dazu zählen nicht nur Umbauten, sondern auch das Aufspielen einer neuen Software. Dies kann etwa im Zuge von Erweiterungen oder Retrofit-Maßnahmen der Fall sein. In diesem Fall sind auch Betreiber, Händler und Käufer dazu verpflichtet, eine Konformitätserklärung für die Maschine zu erstellen. Diese muss beschreiben, welche Veränderungen vorgenommen wurden. Bei Hebezeugen, die für den Einbau in ein Gebäude bestimmt sind, muss in der Konformitätserklärung unter Umständen dokumentiert werden, wo die Maschine eingebaut wird.

Beim Thema Cybersicherheit gelten die Anforderungen der MVO als erfüllt, wenn bereits eine Zertifizierung oder Konformitätserklärung gemäß der EU-Verordnung 2019/881 über Cybersicherheit vorgewiesen werden kann. In dem Fall wird davon ausgegangen, dass auch den spezifizierten Anforderungen der MVO genüge getan wird. Das erleichtert den Herstellern den Nachweis.

Notifizierte Stelle einbinden

Für sechs Produktkategorien, die in Anhang I der MVO aufgelistet sind, wird mit der MVO eine Konformitätsbewertung durch eine notifizierte Stelle erforderlich werden. Dies soll höchste Sicherheitsstandards gewährleisten. Zu den sechs Produktkategorien gehören Maschinen mit höherem Risikopotenzial wie bspw. abnehmbare Gelenkwellen einschließlich ihrer Schutzeinrichtungen. Weiterhin müssen Lifte zur Fahrzeugwartung sowie Befestigungs- und Montagegeräte mit Magazinen (etwa für Schrauben oder Nägel) durch eine notifizierte Stelle zwingend überprüft werden. Ferner gehören zu diesen sechs Produktkategorien auch Sicherheitskomponenten mit vollständig oder teilweise selbstregulierendem Verhalten. Dazu zählen Systeme, die maschinelles Lernen oder KI für ihre Sicherheitsfunktionen nutzen und sich selbstständig weiterentwickeln. Auch Maschinen und Anlagen, in die diese Systeme integriert sind, müssen durch eine notifizierte Stelle bewertet werden.

Für die chemische Industrie relevant sind in Anhang I Teil B gelistete Maschinen mit höherem Risikopotenzial, zu denen etwa Spritzgieß- und Formpressmaschinen für Kunststoffe oder Gummi oder Abfallsammelfahrzeuge mit eingebauter Presse gehören, wenn diese von Hand beschickt werden. In diese Kategorie fallen auch Hebevorrichtungen für Personen oder Personen und Waren, wenn die mögliche Absturzhöhe mehr als 3 m beträgt, oder Schutzeinrichtungen zum Erkennen der Anwesenheit von Personen. Hier ist laut MVO ein spezifisches Konformitätsbewertungsverfahren vorgeschrieben: Es ist lediglich eine optionale Bewertung durch eine notifizierte Stelle vorgesehen.

Betriebsanleitung per QR-Code reicht aus

Die MVO bringt aber auch Erleichterungen. In Zukunft genügt es, eine Betriebsanleitung per QR-Code digital zugänglich zu machen. Nur auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden muss der Hersteller innerhalb eines Monats eine Anleitung in Papierform kostenlos nachreichen. Allerdings gibt es eine Ausnahme: Für den Verkauf von Maschinen an Privatpersonen müssen die Sicherheitsinformationen wie gewohnt in gedruckter Form vorliegen.Diese enthalten Informationen darüber, wie die Maschine gewartet, geprüft und über ihre gesamte Lebensdauer sicher betrieben werden kann. Auch die Konformitätserklärung und sonstige technische Unterlagen dürfen in Zukunft digital zur Verfügung gestellt werden. Somit wird Papier eingespart.

Rechtzeitig handeln

Die neue MVO stimmt zwar in weiten Teilen mit der bisherigen MaschRL überein, die geschilderten Beispiele zeigen jedoch, wie wichtig es ist, die Übergangsfrist bis zum Inkrafttreten zu nutzen und sich rechtzeitig vorzubereiten. Die Unterschiede beim Geltungsbereich, bei Veränderungen von Maschinen oder die Bezugnahme auf Cybersicherheit und KI machen eine Neubewertung in vielen Fällen erforderlich. Außerdem werden einzelne Anhänge der MVO in Zukunft laufend aktualisiert, so dass Unternehmen regelmäßig prüfen sollten, ob die eingesetzten Maschinen dort aufgeführt sind und Handlungsbedarf besteht. TÜV Süd-Experten weisen darauf hin, dass die Einbindung einer notifizierten Stelle immer einzuplanen ist, wenn es um Maschinen geht, die KI und maschinelles Lernen nutzen. Wer frühzeitig die Anforderungen der MVO erfüllt, kann dem Ende der Übergangsphase im Jahr 2027 gelassen entgegensehen.

Autor:

Max Teller Weyers © TÜV Süd   Max Teller-Weyers, Fachkoordinator und Gruppenleiter für Anlagensicherheit, Fördertechnik und Maschinenüberwachung, TÜV Süd Chemie Service

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