Die aktuellen Herausforderungen der Wasserwirtschaft meistern
Ob Klimaresilienz, Chancen der Digitalisierung, optimierte Abwasserreinigung oder globale Wassergerechtigkeit – die Umwelttechnologiemesse IFAT Munich 2024 vom 13. bis 17. Mai 2024 ist erneut ein Spiegel aktueller Themenfelder der Wasser- und Abwasserwirtschaft.
Der Münchner Branchentreff gibt in selten verfügbarer Breite Antworten auf Fragen wie: Wo stehen wir in der digitale Transformation? Welche Chancen und Risiken sind damit verbunden? Wohin kann in Zukunft die digitale Reise gehen? Räumlich verdichtet findet sich dieses Fokusthema in der Spotlight Area „Digitalisierung in der Wasserwirtschaft“ am Eingang West des Münchener Messegeländes. Auf dem von der DWA organisierten Sonderausstellungsbereich direkt hinter den Verbändeständen stehen Best-Practice-Lösungen im Mittelpunkt. Unter anderem präsentiert der DVGW dort das Projekt „Quelle der Zukunft. Wasser für Generationen“. Raum für zukunftsweisende digitale Entwicklungen bietet nicht zuletzt die lokale Hochwasser-Frühwarnung. Am Stand des Unternehmens Endress+Hauser aus Weil am Rhein können sich Interessierte dazu über das System Netilion Flood Monitoring informieren. Bei diesem hilft Künstliche Intelligenz, auf der Grundlage von vor Ort durch Pegelmessgeräte sowie Regen- und Bodenfeuchtsensoren erhobenen Daten – verknüpft mit Wettervorhersagen und Informationen zur Geländebeschaffenheit – Hochwasserlagen frühzeitig und präzise einzuschätzen. Digitale Zwillinge gehören zur den Schlüsselkonzepten der Industrie 4.0 – auch in der Wasserwirtschaft. So demonstriert Siemens aus Erlangen auf der Messe ein solches virtuelles Modell, das den gesamten Anlagenlebenszyklus abbildet. Mit diesem lassen sich schlanke Prozesse realisieren – vom Design und Engineering über Betrieb und Instandhaltung bis hin zur Optimierung.
Fokus Kreislaufwirtschaft
Für die Kreislaufwirtschaftsbranche fallen die Vorbereitungen auf die Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft in eine wirtschaftlich höchst angespannte Phase. Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse), berichtet: „Bei Altpapier und Schrott erleben wir geringere Sammelmengen, eine nachlassende Nachfrage, steigende Lagermengen und sinkende Preise. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Kunststoffbereich – hier tobt ein brutaler Preiskampf zwischen Neuware und Rezyklaten.“ Auch die Entsorgungsbetriebe mit ihrem hohen Transportaufkommen und der aufwändigen Anlagentechnik stünden wegen der massiv gestiegenen Preise für Energie, Maut, Ersatzteile und Wartungsarbeiten unter einem enormen Kostendruck. „Um die Krise als Chance zu verstehen, muss die Recycling- und Entsorgungsbranche jetzt alle Anstrengungen auf eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft ausrichten. Das bedeutet auch, dass wir unsere Recyclinganlagen, Fahrzeugparks und Arbeitsprozesse – wo immer das noch möglich ist – verstärkt auf Effizienz und Qualität trimmen müssen“, betont Rehbock. Nach seinen Erfahrungen bringt die IFAT Munich ein breites Spektrum von Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Forschung zusammen. „Das ist jetzt genau die Mischung, die wir brauchen, um uns aus der Rezession wieder herauszuarbeiten“, zeigt sich der Verbandschef überzeugt.“
Fortschritte beim chemischen Recycling
Was das Kunststoffrecycling angeht, sieht Plastics Europe Deutschland, der Verband der Kunststofferzeuger in Deutschland, aktuell sehr viel Bewegung in der Branche. Hauptgeschäftsführer Ingemar Bühler: „Wir beobachten deutliche Weiterentwicklungen bei den mechanischen Verfahren sowie substanzielle Fortschritte beim chemischen Recycling für wesentlich bessere Ausbeuten bei niedrigerem Energieeinsatz.“ Nach seiner Wahrnehmung werden die Verfahren kontinuierlich leistungsfähiger und ergänzen sich. Plastics Europe Deutschland positioniert sich auf der IFAT Munich zu diesen Themenfeldern zusammen mit acht Mitgliedsunternehmen.
Auch der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) wird auf der international führenden Umwelttechnologiemesse aktuelle Möglichkeiten zur Kreislaufführung von Kunststoffen zeigen. Die von ihm verantwortete Spotlight Area mit dem Schwerpunkt Chemisches Recycling schickt die Besucherinnen und Besucher auf einen Rundgang durch die Welt des Recyclings – vom Sammeln und Sortieren bis hin zum neuen Produkt. „In den vergangenen Jahren hat das Recycling in Europa stark zugenommen. Dass in der EU aktuell 32,5 % der erzeugten Kunststoffe recycelt werden können, in Deutschland sogar über 35 %, liegt vor allem an modernster Abfall- und Recyclingtechnologie. Aber wir haben noch Potenziale, die es auszuschöpfen gilt“, analysiert Dr. Sarah Brückner, Geschäftsführerin des VDMA-Fachverbands Abfall- und Recyclingtechnik, die aktuelle Situation. „Über 42 % der Kunststoffabfälle werden heute weiterhin energetisch verwertet, da die Kunststoffarten miteinander verbunden oder stark verunreinigt sind“, gibt Richard Clemens zu bedenken. Der Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Verfahrenstechnische Maschinen und Apparate fährt fort: „Hier kann chemisches Recycling – in Ergänzung zum mechanischen – helfen, diese Lücke zu schließen, um das Material noch besser im Kreislauf zu halten.“ Auf der Fläche in Halle B4 widmet sich der Verband zudem einem der größten Sorgen des Maschinen- und Anlagenbau: dem Fachkräftemangel.
Trendthema Circularity for E-Mobility
Nicht erst seit dem Inkrafttreten der EU-Batterieverordnung im August 2023 blicken der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) und seine Mitgliedsunternehmen mit Spannung auf die Auswirkungen dieser Regelung auf die Herstellung und Nutzung sowie das Recycling von Batteriesystemen für die Elektromobilität. „Ob und wie hier ambitionierte Quoten im Recycling und beim Wiedereinsatz von Rezyklaten in den Produkten zu erreichen sind, entscheidet sich jetzt“, erklärt der BDE. Dabei müsse ein gutes Zusammenwirken zwischen Produktion und Recycling gewährleistet werden. „Den Sinn der Batterieverordnung und auch des Critical-Raw-Materials-Acts – nämlich Rohstoffe in der EU im Kreislauf zu führen – werden wir nur dann erfüllen, wenn wir bei Fertigung und Konsum das Recycling von Anfang an mitdenken. Ansonsten stehen diese kritischen Ressourcen für die Energie- und Verkehrswende in der EU nicht zur Verfügung“. Vor diesem Hintergrund organisiert der BDE auf der IFAT Munich eine Spotlight Area, die nicht nur den Stoffstrom Batterie in den Mittelpunkt stellt. Unter dem Titel „Circularity for E-Mobility“ beleuchtet der Verband zusammen mit Partnern aus dem Automotive-Sektor und weiteren Industrien verschiedene Materialien, die in der Autoproduktion nötig sind, um Elektromobilität zu ermöglichen. Zentrales Element des Messeauftritts ist die Darstellung einzelner „Events“ im Batteriekreislauf, aber auch die Präsentation von Kreisläufen bei Metallen, Kunststoffen und weiteren Stoffen in der Autofertigung. „Das Fahrzeug der Zukunft müssen wir im Gesamtpaket betrachten. Mit unseren Best-Practice-Beispielen wollen wir zeigen, dass das Schließen der Kreisläufe bei Batterien und weiteren Werkstoffen schon jetzt gelingt“, kündigt der BDE an.
Premiere: Spotlight Area Wasserstoff
Die Spotlight Area Wasserstoff soll als Anlaufstelle dienen, um die häufigsten Fragen der Besucher, insbesondere von Kommunen und Städten, zum Thema Wasserstoff in der Kreislaufwirtschaft zu klären. Zusätzlich wird es in diesem Bereich eine Speaker‘s Corner geben, um über aktuelle Fragestellungen und mögliche Lösungsansätze zu diskutieren. Für die „Spotlight Area Wasserstoff“ sind 500 m2 in der Halle A4 geplant.
Die Start-up Area
Nach ihrer erfolgreichen Realisierung zur IFAT Munich 2022, wird dieser Bereich auch 2024 wieder Teil der Messe sein. Hier können sich Unternehmen – geplant wird mit rund 60 – aus allen Bereichen präsentieren. Damit deckt die Start-up Area die gesamte Nomenklatur der IFAT Munich ab. Neu in diesem Jahr sind die (geführten) Start-up-Touren sowie die vier Start-up-Themenblöcke auf der Green Stage.