Rückblick auf den DLG-Lebensmitteltag Sensorik in Kronberg - Food Standards erhöhen die Bedeutung von Lebensmittelsensorik

Die Etablierung einer sensorischen Qualitätssicherung in Produktionsbetrieben steigt durch die Anforderungen diverser Food Standards.

Die Etablierung einer sensorischen Qualitätssicherung in Produktionsbetrieben steigt durch die Anforderungen diverser Food Standards. Dadurch gewinnt Lebensmittelsensorik weiter an Bedeutung. Das generiert großen Schulungsbedarf und wird zu einer weiteren Ausdifferenzierung des methodischen Instrumentariums führen. So lautet das Fazit des diesjährigen Lebensmitteltags Sensorik der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) am 29. September im hessischen Kronberg. Experten aus den Bereichen Lebensmittelsensorik, Produktentwicklung, Qualitätsmanagement und Marketing diskutierten dort unter dem Leitthema „Von der Idee zum Markterfolg: Sensorische Methoden in der Praxis“.

Sensorik fester Bestandteil der Lebensmittelanalytik

Mit den weiter steigenden und vielfältiger werdenden Anforderungen der Verbraucher an Lebensmittel, verändern sich die Aufgabenstellungen der Lebensmittelsensorik. Viele Produktionsbetriebe bauen eine sensorische Qualitätssicherung auf oder erweitern die dazu bereits bestehenden Abteilungen. Lebensmittelsensorik erfährt so auch in kleineren und mittelständischen Betrieben eine Professionalisierung und gewinnt dadurch an Bedeutung entlang der gesamten Produktionskette, berichtete Christoph Sippel, Eurofins (Hamburg).

Ursächlich für diese Entwicklung ist laut Auditorin Ute Wedding, Readl.media (Borken), dass verschiedene Global Safety und Quality Standards, wie etwa IFS Food, Cash & Carry, Broker oder BRC (British Retail Consortium) und ISO 22000, Sensorik als festen Bestandteil der Lebensmittelanalytik aufgenommen haben. Diese Entwicklung schafft großen Schulungsbedarf bei Unternehmen und beim Einzelhandel, was auch die Anforderungen an Handelslabore deutlich hat steigen lassen. Akkreditierte sensorische Methoden gehören heute standardmäßig zu Analyseaufträgen von Handelslaboren, berichtete Sippel aus seiner täglichen Praxis.

Die immer komplexer werdenden sensorischen Fragestellungen reichen von einfach beschreibenden Prüfungen oder Expertengutachten im Rahmen der Verkehrsfähigkeitsprüfung über Analysen gegen Spezifikationen oder Qualitätsstandards bis hin zu detaillierten Projekten im Rahmen der sensorischen Qualitätssicherung. Die Erstellung sensorischer Spezifikationen und regelmäßige sensorische Qualitätsprüfungen werden ebenso in Auftrag gegeben. Handelslabore fungieren immer häufiger als neutrales Prüfinstitut oder als Vermittler zwischen Herstellern und Handel. Häufig stehen dabei unterschiedliche Auffassungen über Qualitätsstandards oder die Überprüfung sensorischer Spezifikationen im Fokus.

Fortbildungsbedarf wächst

Der Bedarf an Schulungen und Seminaren rund um Lebensmittelsensorik wird weiter wachsen. Retailer und Produktionsbetriebe wünschen sich vor allem sensorische Grundschulungen, vertiefende Informationen zum Erkennen von Qualitäten und Varietäten, Technologie- bzw. Warenkunde sowie Hinweise zu rechtlichen Anforderungen. Gefordert sind in der Praxis jedoch pragmatische Lösungsansätze. Denn meist sind die Normen zur Prüferschulung (DIN EN ISO 8586) zu kompliziert bzw. zu aufwendig. Deshalb ist laut Sippel der Wunsch nach einfacheren Möglichkeiten der Personalschulung sehr groß. Dass sowohl die Experten- als auch die Konsumenten-Sensorik an Bedeutung gewinnen, bestätigte Lisa Klein, Unilever Deutschland. Die kontinuierliche Professionalisierung der praktischen Arbeit durch regelmäßige Fortbildung und aktive Auseinandersetzung mit den sich verändernden wissenschaftlichen Methoden zur sensorischen Beurteilung von Lebensmitteln sei bei einem multinationalen Unternehmen selbstverständlich. Deshalb unterhält Unilever auch engen Kontakt zu Hochschulen.

Breites Anforderungsspektrum

Nach Aussage Kleins werden die sensorischen Qualitätsbeurteilungen von Lebensmitteln kontinuierlich um weiterführende Fragestellungen ergänzt. Diese können produktkonzeptioneller Art (z. B. Produkt- bzw. Aromaprofile) sein, die Analyse der Produktpräferenz bei Verbrauchergruppen in den jeweiligen Ländern zum Gegenstand haben oder variierende Marktdynamiken betreffen. Komplette Unternehmensabteilungen und interdisziplinäre Fachkräfteteams beschäftigen sich bei Unilever mit sensorischen Fragestellungen und neuen, immer anspruchsvoller werdenden Prüfmethoden. Wie stark sich das methodische Instrumentarium zur Analyse sensorischer Lebensmittelqualität in den letzten Jahren ausdifferenziert hat, verdeutlichte Silvia Peleteiro, Leatherhead Food Research, am Beispiel der Rapid Profiling Methods, also Schnellmethoden zur Erfassung sensorischer Produkteigenschaften. Auch wenn sie von einer weiteren methodischen Ausdifferenzierung ausgeht, bleibt der wesentliche Grundsatz erhalten: Die Trennung in eine analytische und hedonische Sensorik. Im Mittelpunkt der analytischen Sensorik stehen Experten-Panels, also geschulte Prüfpersonen, die eine objektive Beschreibung der sensorischen Merkmale eines Produktes formulieren. Demgegenüber umfasst die hedonische Sensorik Methoden, bei denen subjektive Beurteilungen ungeschulter Konsumenten erfasst werden. Hier wird nach den gesamtheitlichen, intuitiv-nicht-analytischen Empfindungen der Konsumenten gegenüber einem Produkt gefragt.

Sensorische Analytik im Mittelstand

Wichtigster Aspekt in der Qualitätsdiskussion ist für Bäckermeister Peter Steinhoff,  Backstubenleiter und Produktentwickler bei das Märkische Landbrot (Berlin), der Kunde. Wer Qualität herstellen möchte, müsse immer den Wünschen seiner Kunden Rechnung tragen und regelmäßig überprüfen, ob das Produkt noch deren Erwartungen qualitativ entspreche. Der täglichen sensorischen Analytik kommt dabei auch in mittelständischen Unternehmen ein hoher Stellenwert zu. Für die Weiterentwicklung der eigenen Produktqualität  empfiehlt Steinhoff die Festlegung von Qualitätsstandards gegen die täglich geprüft wird und eine regemäßige, externe Qualitätskontrolle, wie die Teilnahme an DLG-Qualitätsprüfungen, die Betriebsblindheit vorbeugt und eine qualitative Einschätzung zum Wettbewerber ermöglicht.

Fazit

Konsumenten haben steigende Qualitätsanforderungen an Lebensmittel. Die Implementierung moderner Lebensmittelsensorik in die Prozesskette kleiner wie großer Unternehmen, schafft Informationsgehalte, die andere physikalisch-chemische Methoden allein nicht liefern können. Deshalb sind sensorische Qualitätsprüfungen in vielen Food-Standards heute fester Bestandteil der Lebensmittelanalytik zur Überwachung und Sicherstellung einer definierten Produktqualität.


DLG-Sensorik Award 2016

Die DLG hat auch in diesem Jahr wieder ihren Preis für herausragende Arbeiten der deutschsprachigen Sensorik-Wissenschaft vergeben. Der „DLG-Sensorik Award“ geht an Dr. Johanna Trautmann von der Georg-August-Universität Göttingen und an M. Sc. Jens Reineke von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Mit dem Sensorik Award fördert die DLG außergewöhnliches, wissenschaftliches Engagement im Bereich der Lebensmittelsensorik. Neben der wissenschaftlichen Qualität besitzen die beiden ausgezeichneten Forschungsarbeiten einen hohen praktischen Nutzen für die Lebensmittelwirtschaft.

Die Vergabe des „DLG-Sensorik Awards“ erfolgte durch die DLG und ihren Ausschuss für Sensorik. Die Bewerber reichten ihre wissenschaftlichen Arbeiten über ein „Call-for-Papers-Verfahren“ ein. Aus allen Abstracts ermittelte der wissenschaftliche Beirat des DLG-Ausschusses Sensorik fünf Arbeiten, die im Rahmen des DLG-Lebensmitteltags in Kronberg vorgestellt wurden. Auf Basis dieser Präsentationen wählte die Experten-Jury die beiden Preisträger aus.

Die Dissertation von Dr. Johanna Trautmann beschäftigte sich mit dem Thema „Sensorische Qualitätskontrolle des Ebergeruchs“. Ab 2019 ist die gängige Praxis der betäubungslosen Kastration männlicher Ferkel in Deutschland gesetzlich verboten. Trotz wirtschaftlicher Nachteile wird das Verfahren heute noch angewendet, um Geruchsabweichungen zu verhindern: Insbesondere im Fleisch bzw. Fett unkastrierter Eber können sich unerwünschte Substanzen, vor allem Skatol und Androstenon, anreichern, deren Geruch häufig als stall-/fäkalartig bzw. urin-/schweißartig oder blumig-süßlich beschrieben wird. Diese Geruchabweichler sicher zu identifizieren, ist eine der Herausforderungen bei der Jungebermast.

Die Masterarbeit von M. Sc. Jens Reineke zielte auf die Konzeption einer Prüferausbildung für die Produktkategorie „Bier“ in Form einer Sensorik-Lizenz – ausgerichtet auf die Bedürfnisse des Schweizer Biermarktes und seiner Akteure. Ein von Regionalität und Individualität geprägter Wandel sorgt aktuell für Kreativität, Innovation und Vielfalt beim jahrtausendealten Kulturgetränk Bier. Daraus entstehen für alle Stufen der Wertschöpfungskette neue Herausforderungen, zu denen in besonderem Maße eine komplexere, sensorische Analyse und Prüfung zählen.

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