Nachhaltige Lösungsmittelproduktion aus Molkerückständen
In der Milchverarbeitung entstehen täglich große Mengen Molke – ein Nebenprodukt, das bislang nur teilweise weiterverwertet wird. Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Technischen Universität Dresden und des Fraunhofer IKTS in Hermsdorf entwickelt nun ein Verfahren, das aus der in Molke enthaltenen Melasse auf nachhaltige Weise Ethylacetat gewinnt – ein vielseitig einsetzbares Lösungsmittel, das bislang petrochemisch hergestellt wird.
„Mit dem IGF-Projekt wird ein innovativer und nachhaltiger Weg für die industrielle Biotechnologie beschritten, der sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Vorteile bietet.“
In der Milchverarbeitung fällt Molke in großen Mengen als Nebenprodukt an – allein in Deutschland über 12 Millionen Tonnen pro Jahr. Während ein Teil davon zur Gewinnung von Molkenprotein oder Laktose genutzt wird, bleibt die mineralstoffreiche Restflüssigkeit, die sogenannte Melasse, häufig ungenutzt. Ihre Entsorgung verursacht nicht nur Kosten, sondern stellt auch eine verpasste Chance für nachhaltige Wertschöpfung dar.
Von der Restflüssigkeit zum Lösungsmittel: Ein neuer Ansatz

Ein vom Forschungskreis der Ernährungsindustrie (FEI) koordiniertes Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) verfolgt das Ziel, aus Melasse auf biotechnologischem Weg Ethylacetat zu gewinnen – ein organisches Lösungsmittel, das bislang ausschließlich petrochemisch hergestellt wird. Ethylacetat ist biologisch abbaubar, vielseitig einsetzbar und bietet damit eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Lösungsmitteln.
Im Zentrum des Verfahrens steht die Hefe Kluyveromyces marxianus, die die in der Melasse enthaltene Lactose direkt in Ethylacetat umwandelt. Im Vergleich zur etablierten Ethanolproduktion ist der Prozess effizienter, schneller und energieärmer. Ein technologischer Fortschritt liegt in der eingesetzten Membrantrennung, bei der das Lösungsmittel direkt aus der Abluft des Bioreaktors extrahiert wird – ohne energieintensive Destillation.
Forschungsschwerpunkte und Perspektiven

Das Projekt vereint die Expertise zweier Forschungseinrichtungen:
- An der Technischen Universität Dresden liegt der Fokus auf der Weiterentwicklung der Hefe, insbesondere im Hinblick auf eine erhöhte Salztoleranz und Strategien zur Produktivitätssteigerung durch Biomasse-Recycling.
- Das Fraunhofer IKTS in Hermsdorf arbeitet an der Optimierung der Membranmaterialien und testet eine Pilotanlage zur Demonstration der industriellen Anwendbarkeit.
Das Vorhaben baut auf einem erfolgreichen Proof of Concept (AiF 20311 BR) auf und konzentriert sich nun auf die Skalierung des Verfahrens. Langfristig soll es nicht nur Molkereien ermöglichen, ihre Nebenströme nachhaltig zu nutzen, sondern auch auf andere Reststoffe der Lebensmittelindustrie übertragbar sein – etwa auf Nebenprodukte der Obstverarbeitung oder Melassen aus der Zuckerproduktion.
Darüber hinaus eröffnet die Kombination aus mikrobieller Synthese und Membrantrennung neue Perspektiven für den Anlagenbau: Unternehmen, die bislang auf Flüssigfiltration spezialisiert sind, könnten damit in den Bereich der Gastrennung expandieren. Das Projekt zeigt, wie durch interdisziplinäre Forschung ökologische Herausforderungen in wirtschaftliche Chancen verwandelt werden können.
„Durch die Nutzung eines bislang wenig erschlossenen Rohstoffs könnte die biobasierte Ethylacetat-Produktion nicht nur fossile Alternativen ersetzen, sondern auch einen wertvollen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten.“