04.08.2025 • PraxisberichteRösbergAnlagenbetriebAnlagen

KI im Engineering – Mehr Effizienz und Sicherheit in der Prozessindustrie

Künstliche Intelligenz wird Anlagenplaner und Anlagenbetreiber der Prozessindustrie künftig in vielen Bereichen unterstützen. Die Automatisierungsexperten von Rösberg vereinen KI-Wissen mit dem passenden Branchen-Know-how.

Autorin: Evelyn Landgraf, Marketing, Rösberg Engineering

Künstliche Intelligenz (KI) kann Anlagenplaner und Anlagenbetreiber unterstützen

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Künstliche Intelligenz wird Anlagen­planer und Anlagenbetreiber der Prozessindustrie künftig in vielen Bereichen unter­stützen. Die Automatisierungsexperten von ­Rösberg vereinen KI-Wissen mit dem ­passenden Branchen-Know-how.
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Sicherheit spielt in der Prozess­industrie eine wichtige Rolle. Vor diesem Hintergrund gilt die Branche als konservativ. Aber natürlich erfordert Sicherheit auch Innovationen. Eine Anlage der Prozessindustrie sicher zu betreiben ist aber nur eine Herausforderung. Der effiziente Betrieb eine weitere. In beiden und vielen weiteren Fällen kann künstliche Intelligenz (KI) Anlagenplaner und Anlagenbetreiber künftig unterstützen. Es braucht allerdings nicht nur KI-Wissen, sondern auch das passende Branchen-Know-how.

Künstliche Intelligenz ist inzwischen auch in der Industrie verstärkt im Gespräch und in der Anwendung. Industrielle Anwender stellen jedoch ganz andere Anforderungen als private. Um Anforderungen und Lösungsansätze zu verstehen, hilft ein Blick in ein paar grundsätzliche Funktionsweisen von KI.

Sprachmodelle, GPTs und Co.

Die Philosophie sieht einen engen Zusammenhang zwischen Sprache und komplexem Denken. Vor diesem Hintergrund lässt sich vermutlich auch erklären, dass künstliche Intelligenz auf große Sprachmodelle (Large Language Model – LLM) setzt. Man spricht in dem Zusammenhang auch von GPTs (generative pre-trained transformer). Diese Modelle nutzen künstliche neuronale Netzwerke, die mithilfe von generativen Modellen und Transformer-Architekturen anhand großer Text-Datensätze trainiert werden. Anschließend sind die GPTs in der Lage, neue Inhalte zu erzeugen.

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Paul Rösberg, Geschäftsführer, Rösberg
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„KI hat bei uns in den kommenden Jahren einen strategischen Fokus. In industriellen Anwendungen mit sensiblen Daten ist es natürlich wichtig, dass Daten nicht in externen Clouds gespeichert werden, sondern im eigenen Haus bleiben. Daher war es im ersten Schritt wichtig, eine entsprechende lokale Infrastruktur zu aufzubauen."

Open Source für Flexibilität und Sicherheit

Mittlerweile gibt es zahlreiche leistungsfähige Open-Source-Sprachmodelle. Sie sind für industrielle Anwendungen unter anderem deshalb interessant, weil man sie unabhängig von einem externen Serviceanbieter nutzen kann. Das macht sie nicht nur aus finanzieller Sicht attraktiv, sondern ist gerade im Zusammenhang mit sensiblen Daten ein großer Vorteil: Über den lokalen Betrieb der Modelle kann sichergestellt werden, dass solche Daten das Unternehmen nicht verlassen. Gleichzeitig lassen sich diese Sprachmodelle an individuelle Bedürfnisse anpassen, z.B. die einer Branche wie der Prozessindustrie. Retrieval Augmented Generation (RAG) ist in diesem Zusammenhang das Stichwort. Hier geht es darum, dass ein Sprachmodell auf weitere Daten außerhalb seiner ursprünglichen Wissensbasis zugreift. Das Sprachmodell wird also anwendungsspezifisch erweitert.

Wie KI ins Unternehmen einführen?

Philip Parker arbeitet beim Prozessleittechnik-Experten Rösberg als Lead eines sechsköpfigen Entwicklungsteams, das über eine Projektlaufzeit von drei Jahren KI-Lösungen in die bestehenden Engineering-Softwarelösungen des Unternehmens integrieren soll. Er berichtet: „Wir wollten den Einzug generativer KI im Unternehmen proaktiv mitgestalten und dabei sicherstellen, dass die Lernkurve nicht jeder für sich allein bewältigen muss, sondern wir sie gemeinsam meistern.“ Der logische erste Schritt war daher die interne Nutzung von KI. Dazu wurden die Mitarbeiter geschult sowie Nutzungsvereinbarungen eingeführt. Seit Februar 2025 müssen Mitarbeiter, die mit KI arbeiten, nach Vorgaben des EU AI Acts geschult werden. Dann ging es darum, erste Lösungen für die interne Nutzung zu entwickeln. Hier sollten Erfahrungen gesammelt werden.

Datenbasis an die eigenen Bedürfnisse anpassen

Das große Ziel des gesamten Projektes ist jedoch, dass Anwender vom Know-how der Prozesstechnikexperten profitieren. Parker sagt: „Unser Vorteil ist, dass viele Rösberg-Mitarbeiter unsere Software in verschiedenen Projekten nutzen. Das heißt, wir in der KI-Projektgruppe bekommen sehr schnell und sehr direktes Feed­back. Davon profitiert natürlich auch die Weiterentwicklung von KI-gestützten Lösungen.“ Gleichzeitig kennen die Mitarbeiter die Welt der Prozessleittechnik sehr gut. Das zeichnet sich bei der Anpassung der Datenbasis aus. Je besser eine Datenbasis an die jeweiligen Bedürfnisse angepasst ist, desto effizienter lässt sich diese auch nutzen. Deshalb wird auf Open Source-Sprachmodelle wie LLaMa von Meta AI oder die Apache-2.0-Lizenz Mistral AI gesetzt, die je nach Anwendungsfall genutzt werden. Parker erklärt: „Über RAG stellen wir den angebundenen Sprachmodellen gezielt Daten aus unserem Arbeitsalltag bereit und passen damit die Datenbasis an unseren Einsatzbereich an.“

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Philip Parker, Innovation and AI Lead, Rösberg
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„Wir wollten den Einzug ­generativer KI im Unternehmen proaktiv mitgestalten und dabei sicherstellen, dass die Lernkurve nicht jeder für sich allein bewältigen muss, sondern wir sie gemeinsam meistern. Darüber hinaus ist es uns dabei gelungen, wichtige Grundlagen für Kundenprojekte zu legen. Zudem konnten wir erste ­kleine Prototypen realisieren, von denen unsere Kunden schon jetzt profitieren."


Die passende Infrastruktur aufsetzen

Ebenso wichtig wie die Datenbasis ist die Infrastruktur. Einerseits muss die Hardware so dimensioniert sein, dass sie die Rechenprozesse in sinnvoller Zeit abarbeiten kann. Andererseits ist eine Infrastruktur gefragt, die sich lokal ausführen lässt. „In industriellen Anwendungen mit sensiblen Daten ist es zudem wichtig, dass Daten nicht in externen Clouds gespeichert werden, sondern im eigenen Haus bleiben“, ergänzt Paul Rösberg, Geschäftsführer des Unternehmens Rösberg. Er hat dem Projekt für die kommenden Jahre einen strategischen Fokus eingeräumt. Ein erstes Ziel war daher, eine Infrastruktur aufzubauen, mit der es möglich ist, KI-Funktionalität auf sichere Weise in der eigenen Software bereitzustellen. Es entstand eine lokale Lösung, die in kontrollierter Umgebung lauffähig ist. Für Entwicklungszwecke dient ein Mac Mini in maximaler Konfiguration als KI-Server.

Erste KI-Lösungen für Engineering Software

Nachdem Datenmodell und Infrastruktur standen, wurden die ersten KI-Tools intern einer Community zur Nutzung bereitgestellt. Parker berichtet: „Es zeigte sich schnell, wie wichtig das Feedback dieser Personen für die weitere Entwicklung ist. Standen die Tools erst einmal zur Verfügung, haben die Ideen nur so gesprudelt, wo man davon überall profitieren könnte.“ Das KI-Entwicklungsteam hat diese Ideen gesammelt, geclustert, bewertet und priorisiert. Im ersten Schritt wurden zwei Anwendungsprototypen realisiert: Handbücher mit Chat-Interface und erleichterte Datenauswertung und -visualisierung.

Die Handbücher waren eine „low hanging fruit“, die sich, als die generelle Umgebung einmal entwickelt war, sehr einfach integrieren ließ. Handbücher waren in digitaler Form in verschiedenen Sprachen für die Software-Lösungen ProDok, LiveDok und LiveForms vorhanden und konnten mit verhältnismäßig wenig Aufwand eingebunden werden. Nun können Anwender direkt aus der Software heraus über ein Chat-Interface in natürlicher Sprache Fragen zur jeweiligen Software stellen. Die KI liefert mit Hilfe der Handbücher die passende Antwort.

Die zweite Lösung verbessert die Datenvisualisierung, denn in komplexen Anwendungen der Prozessindustrie ist oft gerade die Fülle vorhandener Informationen eine große Herausforderung. Der neue Ansatz ermöglicht nun eine bessere Datenfilterung in ProDok. Ebenfalls in ihrer gewohnten Sprache geben Anwender ein, nach welchen Vorgaben Informationen ausgewertet werden sollen. Die KI übersetzt diese Anfrage in passende SQL-Abfragen. Dazu musste ihr unter anderem die dahinterliegende Datenbankstruktur beigebracht werden. Wichtig ist bei dieser Anwendung, dass die KI nur lesenden Zugriff hat. Sie erstellt die SQL-Abfrage und übergibt diese dann an die Software, die das Datenbankhandling übernimmt und die Abfrage ausführt. 


Pilotprojekt: Digitale Handbücher mit Chat-Interface. Anwender stellen in...
Pilotprojekt: Digitale Handbücher mit Chat-Interface. Anwender stellen in natürlicher Sprache ihre Fragen und erhalten die entsprechenden Antworten.
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Anwenderbedarf ermitteln

Zwei Ideen aus der großen Sammlung, die den Prozessleittechnikexperten schon jetzt vorliegen, wurden also bereits umgesetzt. Viele weitere sollen folgen. Denkbar sind verschiedene Lösungen, die dabei helfen, interne Abläufe zu optimieren. Vor allem aber sollen Projekte realisiert werden, die Kunden einen Mehrwert bieten wie z. B. unterstützende Lösungen rund um die Funktionale Sicherheit oder Ansätze zur (teil)automatisierten PLT-Planung. Dazu möchten die Prozessleittechnik Experten in Erfahrung bringen, wo es bei ihren Kunden den größten Bedarf gibt. Deshalb ist im Laufe des Projektes auch hierfür immer wieder Zeit für Austausch geplant, z. B. über entsprechende Workshops.

Es wird deutlich, schon heute können Anwendungen in der Prozessindustrie die Vorteile von KI nutzen. Gerade die Bereiche Sicherheit und Effizienz werden davon sehr profitieren. Wohin die Reise geht, ist letzten Endes neben dem Bedarf der Anwender auch abhängig davon, wie sich die Open Source Sprachmodelle weiterentwickeln. Bei aller Innovation und allen Möglichkeiten ist den Prozessleittechnik­experten aber eins wichtig: Der Mensch soll bei alledem im Mittelpunkt stehen und von KI nicht ersetzt, sondern unterstützt werden.

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Evelyn Landgraf

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