Klare Sache: Effizienz, die belebt

Am Beispiel der Kläranlage Oberschleißheim zeigt dieser Beitrag, wie ein Performance3-Technologiemix für mehr Effizienz, weniger Kosten und saubereres Abwasser sorgt.

Im Belebungsbecken einer Kläranlage ist wahrlich viel Leben. Abermillionen Mikroorganismen tummeln sich hier im mechanisch vorgeklärten Abwasser und kümmern sich um den Abbau der gelösten und fein verteilten organischen Verunreinigungen. Die Kleinstlebewesen, in erster Linie Bakterien, nehmen die Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphatverbindungen in ihren eigenen Stoffwechsel auf und verwerten sie. Dafür benötigen sie Sauerstoff, der mittels Druckluft zur Verfügung gestellt wird. Doch ohne Energie geht den fleißigen Tierchen schnell die Luft aus.

Die biologische Reinigung ist das Herzstück jeder Kläranlage, denn hier erfolgt die Hauptarbeit. Daher ist sie auch der größte Energiefresser: 60 – 70 % des gesamten Energiebedarfs einer Abwasseraufbereitungsanlage entfallen auf das Belebungsverfahren. Wo, wenn nicht hier, lassen sich also am besten Einsparungen beim Stromverbrauch vornehmen und Kosten senken. So dachte auch die Kläranlage Oberschleißheim nördlich von München und hat ihre Stromzähler auf Diät gesetzt – und zwar mit einem Performance3-Technologiemix von Aerzen inkl. der Verbundsteuerung AERsmart in Kombination mit einem neuen Belüftungskonzept der Adelsdorfer Firma Rudolf Messner Umwelttechnik (RMU).

Auf und Ab ohne Wenn und Aber

Je nach Tages- und Jahreszeit sowie Niederschlagsmenge wechseln Abwasseraufkommen und Verschmutzungsgrade. Die Folge: Der Luftbedarf in den Belebungsbecken variiert ständig. Wird dieser nicht optimal gesteuert, schlägt sich das in extremen Energieverbräuchen und unnötiger Ressourcenverschwendung nieder. In der exakten Bedienung der Lastwechsel liegt somit der Schlüssel für maximale Effizienz. Als einer der international führenden Anbieter auf dem Gebiet der Abwasserbehandlung und -aufbereitung kennt der Gebläsetechnikspezialist Aerzen die Anforderungen der Branche genau und hat mit Perfomance3 die wohl effizienteste, leistungsstärkste und flexibelste Gebläselösung für die Sauerstoffversorgung entwickelt: die maßgeschneiderte Maschinenkonfiguration auf Basis hochentwickelter Technologien. Das Ziel: Grundlasten energiesparend bedienen und Versorgungsspitzen punktgenau abfangen.

Ob Drehkolbengebläse, Drehkolbenverdichter oder Turbogebläse – jede Technologie hat Stärken, gleichzeitig aber auch physikalische Grenzen. Die hohe Kunst ist die passgenaue Auslegung der Aggregate an den tatsächlichen Bedarf. Eine genaue Analyse der auftretenden Lastgänge sowie die Erstellung einer Tagesganglinie ist dafür das A und O. „Dabei stellte sich heraus, dass unsere Anlage zwar eine Ausbaugröße von 30.000 Einwohnergleichwerten (EGW) hat, die aktuelle Auslastung aber bei nur 15.000 EGW liegt“, erzählt Anton Mayer, Leiter der Kläranlage Oberschleißheim. „Weiteres Ergebnis der Analyse: Unser Abwasseraufkommen weist hohe Schwankungen im Tagesverlauf auf und ist geprägt von niedrigen Volumina mit verhältnismäßig hohen Konzentrationen an Frachten.“

Der Mix macht‘s

Bereits seit 1994 sind in der 1960 erbauten Kläranlage (Abwasseranfall ca. 650.000 m3 pro Jahr) Aerzen-Aggregate im Einsatz, zuletzt zwei Drehkolbengebläse vom Typ Delta Blower (1x GM 15L, 1x GM 50L). Anton Mayer: „Mit Aerzen waren wir immer sehr zufrieden. Die Gebläse sind ohne Probleme gelaufen und haben mit geringstem Wartungsaufwand zuverlässig ihre Leistung erbracht. Auch die Ersatzteilbeschaffung und die Zusammenarbeit mit dem Kundendienst haben immer hervorragend geklappt.“ Seit Anfang des Jahres sorgt nun ein Aerzen Performance³-Technologiemix bestehend aus einem Drehkolbengebläse Delta Blower GM 15L (max. 1.038 m³/h, 700 mbar Druckdifferenz), einem Drehkolbenverdichter Delta Hybrid D 36S (max. 2.150 m³/h, 700 mbar Druckdifferenz) sowie einem Turbogebläse AT 50 G5plus (max. 1.900 m³/h, 700 mbar Druckdifferenz) für die Druckluftversorgung in den Belebungsbecken. Das clevere Trio stellt immer exakt so viel Luft bereit, wie aktuell gebraucht wird. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. So können die Mikro­organismen optimal ihre Arbeit erledigen. Dabei übernimmt der Turbo die Grundlast, zu Spitzenzeiten springt der Hybrid ein und bei Schwachlast läuft der Blower.

„Der Turbo ist das kompakteste und gleichzeitig effizienteste Gerät“, erklärt Markus Leidinger, Abwassermanager bei Aerzen. „Allerdings ist der Regelbereich der luftgelagerten Maschinen auf 40 – 100 % begrenzt und die Effizienz lässt im Teillastbetrieb nach.“ Bei Schwachlast arbeitet daher der Blower. Er war bereits vor der Umrüstung da und deckt die geringen Volumina in der Nacht ab. Dritter im Bunde ist der Hybrid. Er hilft aus, wenn der Turbo ausgelastet ist. Die jüngste Aggregate-Generation von Aerzen vereint die Vorzüge von Gebläse- und Verdichtertechnologie in einem System und ist die mit Abstand effizienteste Maschine im großen Regelbereich von 25 – 100 %. Sollte der Turbo ausfallen, kann der Hybrid gemeinsam mit dem Drehkolbengebläse den Betrieb bei voller Belastung aufrechterhalten.

Die Aerzen-Gebläse arbeiten nicht nur äußerst effizient, sie sind zudem öl- und absorptionsmittelfrei. Das garantiert 100%ige Zuverlässigkeit. „Druckschalldämpfer, die mit Absorptionsmaterial ausgekleidet sind, unterliegen einem natürlichen Verschleiß. Dieser wird unter anderem durch die heiße Luft und die hohe Strömungsgeschwindigkeit sowie die Vibrationen der Geräte verursacht“, so Leidinger. „Dadurch lösen sich Partikel, die die Rohrleitungen verengen und die fein gelochten Membranen der Belüfter verstopfen.“ Die reaktiven Schalldämpfer von Aerzen kommen dagegen ganz ohne Absorptionsmittel aus.

Immer optimal mit Sauerstoff versorgt

Doch woher wissen die Aerzen-Gebläse eigentlich, wie hoch der Luftbedarf in den Belebungsbecken ist? Hier kommt die Firma Rudolf Messner Umwelttechnik (RMU) ins Spiel. Bereits seit über 30 Jahren arbeiten die Belüftungsspezialisten mit Aerzen zusammen. „Wir haben einen sehr guten Kontakt bis in die Entwicklungsabteilungen hinein und kooperieren eng im Bereich der Systemauslegung. So sind Belüftungssystem und Gebläsetechnik optimal aufeinander abgestimmt. Für maximale Energieeffizienz ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise unerlässlich“, so Martin Gräsl, Vorstandsvorsitzender von RMU. „Außerdem ist Aerzen der einzige Hersteller, der wirklich alle Technologien – Blower, Hybrid und Turbo – unter einem Dach vereint.“

In der Kläranlage Oberschleißheim hat RMU die Rohrströmungstechnologie mit energieeffizientem flächigem Belüftungssystem implementiert. Die alten Membranrohrbelüfter wurden dabei durch 88 Plattenbelüfter des Adelsdorfer Unternehemens ersetzt, die mit einer langzeitstabilen, dauerelastischen Membran aus thermoplastischem Polyurethan ausgestattet sind. Ein intelligentes, interaktives Regelungssystem steuert die Länge der belüfteten und unbelüfteten Phasen sowie die Intensität der Belüftung. Die Durchmischung des Belebtschlamms während der unbelüfteten Zeiten erfolgt dabei über die RMU-Impulsbelüftung mittels regelmäßiger Luftstöße. Das macht Rührwerke überflüssig und spart zusätzlich Energie.

Intelligent gesteuert, effizient geklärt

Das Regelungssystem von RMU misst die Konzentrationen von Sauerstoff, Ammonium und Nitrat und bestimmt so den Sauerstoff- und Luftbedarf. Die Maschinensteuerung AERsmart von Aerzen verteilt dann die geforderten Volumenströme so auf den Maschinenpark, dass die Gebläse ganz nah am theoretisch höchsten Wirkungsgrad betrieben werden. Doch nicht nur das: Durch die kontinuierliche Aufzeichnung der Betriebsparameter sowie die Visualisierung in Echtzeit lässt sich ein Abdriften einzelner Werte frühzeitig erkennen. Der Anwender kann rechtzeitig reagieren, Prozess­ausfälle werden vermieden. Übrigens: Aerzen war weltweit das erste Unternehmen, das eine smarte Steuerung für die Abwassertechnik auf den Markt gebracht hat – und der niedersächsische Maschinenbauer ist bis heute der einzige, der es ermöglicht, Fremdfabrikate und alte Maschinen mit einzubinden.

Miteinander reden, zuhören und verstehen

Die intensive Zusammenarbeit aller Akteure und die umfassenden Optimierungsmaßnahmen (Energieeffizienzanalyse, Modernisierung der Aerzen-Gebläsestation und des Belüftungssystems inkl. Regelungs- und Verfahrensumstellung sowie Verzicht auf Rührwerke) haben sich bezahlt gemacht – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. So konnte der Stromverbrauch für die biologische Reinigungsstufe von 495.600 kWh auf 191.720 kWh/Jahr gesenkt werden. Das macht eine Einsparung von 60 %, was 60.800 €/Jahr entspricht. „Mit einem derart guten Ergebnis hatten wir definitiv nicht gerechnet“, freut sich Anton Mayer. Durch die Umstellung auf die neuen Technologien konnte auch das Beckenvolumen verringert werden: Statt vier sind jetzt nur noch zwei Belebungsbecken in Betrieb.

„Das war auf jeden Fall der richtige Schritt für die Zukunft“, so der Kläranlagenleiter. „Wir haben jetzt zukunftsweisende Technik, die für die nächsten Jahre ein Optimum an Leistungen und Einsparungen erbringt.“ Das kommt auch der Abwasserqualität zugute: Früher wiesen die Ablaufwerte verhältnismäßig hohe Schwankungen auf, mit der neuen Regelungstechnik sind die Werte gleichmäßig und in einem sehr niedrigen Bereich. Und es gibt einen weiteren Grund zur Freude: Verfahrenstechnisch ist die Kläranlage Oberschleißheim heute eine der modernsten ihrer Art in Deutschland und dient dem Branchennetzwerk „German Water Partnership e.V. (GWP)“ daher als internationale Referenzanlage.

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