Dem Wasserstoff richtig Druck machen
Weltweit gibt es aktuell rund 700 solcher „Hydrogen Refueling Stations“ (HRS), bis 2030 sollen es 6000 sein. In Deutschland sind 95 H2-Tankstellen in Betrieb (Stand: Januar 2023), die Bundesrepublik verfügt damit über das dichteste Netz in Europa. Parallel zum Aufbau der Infrastruktur arbeitet die Wasserstoff-Industrie an deren normativem Gerüst. Neue Richtlinien werden erarbeitet, existierende Vorgaben an zwischenzeitliche Entwicklungen angepasst. Dauerhafte Spezifikationsvorgaben für Wasserstoff-Tankstellen finden sich bspw. in der Normenreihe der ISO 19880. Unabhängig von den tankstellenspezifischen Maßgaben stellen allein die physikalisch-chemischen Eigenschaften von Wasserstoff bereits erhebliche Anforderungen an die Messtechnik, die mit Standardgeräten nicht zu erfüllen sind:
Wasserstoff ist hochentzündlich, daher gelten in stationären Anwendungen meist entsprechende Anforderungen an den Explosionsschutz der Geräte. Weil sie extrem klein sind, dringen H2-Moleküle außerdem in Metallstrukturen ein. Sie können dort zu Materialversprödung führen. Deswegen werden für Messgeräte in H2-Applikationen bevorzugt austenitische Stähle verwendet, z.B. 316L. Darüber hinaus vermag Wasserstoff bei Sensoren die gewünschte Langzeitstabilität des Messsignals zu beeinträchtigen. Eine mögliche Gegenmaßnahme ist die Verwendung von Trennschichten, die das Durchdringen von Wasserstoff verhindern, zum Beispiel Gold.
Über diese allgemein gültigen Anforderungen für H2-Anwendungen hinaus bringt der Einsatz in Wasserstoff-Tankstellen noch spezifische Herausforderungen mit sich. Die Mess- und Regeltechnik muss für Drücke bis 900 bar sowie für Temperaturen von -40 °C und +85 °C ausgelegt sein. Das ergibt sich aus dem Aufbau einer H2-Tankstelle und dem eigentlichen Tankvorgang. Mit dem Aufbau eines flächendeckenden Tankstellennetzes eröffnen sich den Herstellern von Messtechnik neue Perspektiven im vielversprechenden Marktsegment der H2-Mobilität: Für große HRS mit entsprechendem Platzangebot, zum Beispiel an Rasthöfen, kann gegebenenfalls sogar eine eigene H2-Produktion mit grünem Strom rentabel sein. Überdies ist mit dem Auf- und Ausbau von reinen Wasserstoff-Pipelines die direkte Anbindung von Tankstellen an das spätere Versorgungsnetz denkbar.