Exakte Klärschlammaufbereitung für eine effiziente Trocknung
Um den Betrieb von Kläranlagen zukunftsfähig und effizient zu gestalten, wird der entstehende Klärschlamm thermisch verwertet. Für die erforderlichen Prozessbedingungen in einer der größten Kläranlagen Europas in Bottrrop sorgen Pflugscharmischer, die den Klärschlamm konditionieren und stets gleichbleibende Qualität sicherstellen, damit die Trocknung möglichst energieeffizient betrieben werden kann.
Fast 10.000 Kläranlagen sorgen in Deutschland für saubere Gewässer. Über 10 Mrd. m³ Abwasser werden dafür allein in öffentlichen Kläranlagen jährlich behandelt. Eine der größten von ihnen ist die Kläranlage Bottrop. Mit einer Kapazität von 1,3 Mio.Einwohnergleichwerten (EGW) reinigt sie die gigantische Menge von bis zu 8.500 l Wasser – pro Sekunde.
Effizienz im Blick
Der Prozess benötigt nicht nur viel Energie, sondern erzeugt auch große Mengen Klärschlamm. 220.000 t fallen in der Kläranlage Bottrop und umliegenden Klärwerken aus dem Verbandsgebiet von Emschergenossenschaft und Lippeverband Jahr für Jahr an. Diese Mengen müssen am Standort in Bottrop behandelt und verwertet werden. Aufgrund hoher Ansprüche an einen klimaschonenden Betrieb, aber auch wegen steigenden gesetzlichen Anforderungen hat die Betreiberin, das öffentlich-rechtliche Wasserwirtschaftsunternehmen Emschergenossenschaft, frühzeitig nach Wegen gesucht, diese Reststoffe effizient zu verwerten und gleichzeitig die Energiekosten nachhaltig zu senken.
Kläranlagen gelten traditionell als Energiefresser. Gerade Betreibern großer Anlagen mit hohen EGW machen dabei die wachsenden Stromkosten zunehmend zu schaffen. Mit einem Strombedarf von 35 Mio. kWh im Jahr entsprechen die Energiekosten der Kläranlage Bottrop denen einer Kleinstadt mit 35.000 Einwohnern. Die Emschergenossenschaft als Betreiberin der Kläranlage Bottrop hat sich der Herausforderungen der Zukunft frühzeitig angenommen. So erhielt die Genossenschaft für die Gewinnung von Bio-Erdgas aus dem methanhaltigen Klärgas des Klärschlamms bereits 2008 einen Innovationspreis der International Water Association (IWA). Übergeordnetes Ziel der Entwicklungen ist die energieautarke Kläranlage, die Solar- und Windenergie intelligent miteinander verknüpft. Zudem soll der Klärschlamm auch nach dem Separieren des Faulgases sinnvoll weiterverwertet werden. Wie zahlreiche andere Betreiber setzt die Emschergenossenschaft dafür auf die thermische Verwertung. Die Klärschlammverbrennung ermöglicht eine klimaschonende Energieerzeugung, bei der sowohl Strom als auch Wärme generiert werden – beides kommt dem energetischen Betrieb der Anlage zugute, der somit weniger auf zugekauften Strom angewiesen ist.
Exakte Klärschlammkonditionierung für optimale Ergebnisse
Um einen optimalen thermischen Prozess zu gewährleisten, muss der Klärschlamm vor der Verbrennung jedoch konditioniert werden. Im Fokus steht dabei der Trockensubstanzgehalt (TR-Gehalt). Dieser ist im Betrieb von Verbrennungsanlagen generell entscheidend, insbesondere aber in Anlagen zur thermischen Biomassebehandlung. Der TR-Gehalt bezieht sich auf den Anteil des Materials, der nach der Entfernung von Wasser zurückbleibt, und wird in Prozent ausgedrückt. Die Bedeutung des TR-Gehalts für den Betrieb einer Verbrennungsanlage betrifft zunächst die Verbrennungsrate und den Energiegehalt: Je höher der TR-Gehalt, desto mehr feste Brennstoffe (Organik) sind vorhanden, was die Effizienz und den Heizwert erhöht. Außerdem hat der TR-Gehalt Auswirkungen auf die Emissionskontrolle in Verbrennungsanlagen.
Ein bestimmtes Mischverhältnis von feuchtem und getrocknetem Klärschlamm sowie eine gute Homogenität sind für die optimale thermische Verwertung also entscheidend. Hinzu kommen Anforderungen an die Struktur des Materials: Für einen optimalen thermischen Prozess muss eine definierte Stückigkeit erreicht werden. 2019 hat die Emschergenossenschaft vor diesem Hintergrund eine Versuchsreihe gestartet. Ziel war die Entwicklung eines optimalen Prozesses für die Konditionierung des Klärschlamms.
Vorbehandlung im Pflugschar-Mischer sichert konstante Eigenschaften
Das Ergebnisse der Versuche war: Als geeignetes Verfahren für die Konditionierung des Klärschlamms erwies sich die Vermischung und Strukturierung in einem Pflugscharmischer Typ KM DW von Lödige Maschinenbau. Die Maschine ist für den kontinuierlichen Betrieb ausgelegt und basiert auf dem vom Anlagenbauer in die industrielle Mischtechnik eingeführten Wirbelbettverfahren, das eine sehr gute Durchmischung gewährleistet: Die speziell entwickelten Schaufeln rotieren wandnah in einer horizontalen Trommel und erzeugen dabei ein Wirbelbett. Der Prozess ermöglicht eine hohe Homogenität bei konstanter Reproduzierbarkeit.
Mit dem Mischer wird eine förderfähige Konsistenz des Klärschlamms sichergestellt. Bei einem TR-Gehalt von ca. 52 %, wie er in Bottrop angestrebt und erreicht wird, ist das keine leichte Aufgabe, denn in dieser sog. Leimphase ist das Material zäh und fast teigartig. Auch die geforderte Partikelgröße wird durch die Behandlung erreicht. Verkleben oder Verpasten des Klärschlamms werden dabei vermieden, indem der mechanische Energieeintrag gering bleibt. Konkret kommen in der Kläranlage Bottrop zwei Pflugscharmischer des Typs KM 600 DW zum Einsatz. Deren Mischtrommeln haben ein Volumen von jeweils 600 l und sind auf einen Füllgrad von 50 % ausgelegt. Die Mischer werden kontinuierlich über einen automatisierten Transportprozess mit feuchtem und teilgetrocknetem Klärschlamm beschickt.
Ein nachhaltiges Energiekonzept
Auch die Trocknung wurde mit Fokus auf Nachhaltigkeit entwickelt: Die speziell für die Vorbehandlung errichtete solarthermische Trocknungsanlage zählt in Europa zu den ersten ihrer Art. Energieeffizienz bietet auch der Mischer, denn das kontinuierliche Verfahren sorgt für kurze Prozesszeiten. Die Mischwerkzeuge sind so eingestellt, dass für die Dauer der Verweilzeit eine ständige Rückvermischung stattfindet, bevor das fertige Mischgut über die Entleeröffnung der weiteren Verarbeitung zugeführt wird. Nach der Einstellung der notwendigen Konsistenz des Klärschlamms geht der gemischte Klärschlamm über eine kurze Schnecke auf einen Wurfbeschicker. Von dort aus wird der konditionierte Klärschlamm den Wirbelschichtöfen der Verbrennungsanlage zugeführt, die sich direkt auf dem Betriebsgelände der Kläranlage befindet.
Seit der Auslieferung und Inbetriebnahme der Pflugscharmischer Ende 2020/Anfang 2021 sind die Maschinen im Einsatz. Im Rahmen der darauffolgenden Versuchsreihen hat Lödige Maschinenbau umfangreiche Expertise zur Behandlung des Klärschlamms aufgebaut und den Prozess gemeinsam mit dem Anwender fortlaufend optimiert. Von dieser Entwicklung hat auch die Emschergenossenschaft entscheidend profitiert, denn die Konditionierung im Mischer läuft nun zuverlässig, effizient und automatisiert. 2022 wurden die Abläufe schließlich in den Regelbetrieb überführt.
Zukünftige Anforderungen schon heute sicher erfüllt
In der Vergangenheit wurde Klärschlamm häufig Kohle zugemischt, um bei TR-Gehalt und Brennwert die gewünschten Ergebnisse zu erreichen – mit entsprechend hohem Ressourcenaufwand und negativen Umweltfolgen. Betreiber, die keine eigene Verbrennungsanlage unterhalten, haben hingegen schlicht das Ziel verfolgt, dem Klärschlamm so viel Feuchtigkeit wie möglich zu entziehen, um das Gewicht zu reduzieren. Denn für die thermische Verwertung wird das anfallende Material nach Gewicht abgerechnet. Heute stehen Effizienz und Ressourcenschonung im Fokus der Kläranlagenbetreiber. Entsprechend gewachsen sind die Anforderungen an die exakte Konditionierung des Klärschlamms. Mit der Behandlung in Pflugscharmischern stellen Betreiber kommunaler wie industrieller Kläranlagen sicher, dass der entstehende Klärschlamm immer die optimalen Eigenschaften für eine umweltschonende und effiziente Verwertung hat.
Autor:
Bastian Tigges, Vertrieb Mixing and Reacting Technologies, Lödige Maschinenbau