Maintainer 2024 vergeben
Anlagenverfügbarkeit ist einer der Schlüsselfaktoren für eine gute Anlagenperformance und Produktivität – und das gilt übergreifend für quasi alle Industrieanlagen. Daher spielt die Instandhaltung eine zunehmend wichtige Rolle für Betreiber und ihre Weiterentwicklung wird gefördert. Der Maintainer Award zeichnet Instandhaltungsteams für „Best Practice“ und „Innovation“ aus und wurde auch dieses Jahr wieder auf den Maindays verliehen. Die Lösungen der Preisträger haben eines gemeinsam: sie nutzen smarte, digitale Tools und machen die Instandhaltung effizienter.
Der Maintainer Award rückt in langer Tradition die Bedeutung der Instandhaltung für die betriebliche Produktivität, vom Kostenfaktor zum Wettbewerbsvorteil, in der deutschsprachigen Industrielandschaft in den Mittelpunkt. In den zwei Kategorien Excellence und Innovation gingen zahlreiche Bewerbungen ein, aus denen je zwei Bewerberteams zu einem Pitch eingeladen wurden.
Die Gewinner stehen fest
In der Kategorie Maintainer – Excellence in Instandhaltung & technischem Service überzeugte der Flughafen Berlin Brandenburg mit dem Projekt „Smart mobile Maintenance“, das durch Einführung und Konfiguration einer digitalen Lösung, inklusive prozessualer Anpassungen und aktivem Change Management, die Anlagenverfügbarkeit in der Flugbetriebstechnik signifikant verbessern konnte. „Wir sehen die Einführung fortschrittlicher Technologien nicht nur als notwendige Anpassung, sondern als Schlüssel zur Schaffung einer effizienteren, kosteneffektiveren und zuverlässigeren Instandhaltung. Die klare Motivation hinter dieser Initiative besteht darin, nicht nur auf aktuelle Bedürfnisse zu reagieren, sondern auch langfristig Instandhaltungsprozesse zu optimieren, Ausfallzeiten zu minimieren und vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, bevor es zu kritischen Problemen kommt“, erklärt Ralph Struck vom Flughafen Berlin Brandenburg. Nach der Festlegung der Prämissen und Ziele wurde mittels Marktanalyse ein geeignetes Tool gesucht, bei dem Arbeitsabläufe, Alarmierungsregeln, Datenbeziehungen, uvm. selbst in hohem Maße konfiguriert werden können.
„Die digitale und mobile Lösung durfte also kein Standardprodukt sein, sondern ein Produkt von Mitarbeitern für Mitarbeiter“, so Ralph Struck, Bereichsleiter Facility Management, Flughafen Berlin Brandenburg. Daher war ein essenzieller Bestandteil der Change-Strategie, die Mitarbeitenden von Anfang an in die Festlegung der Prämissen und Ziele, die Produktauswahl und die Konfiguration aktiv miteinzubinden, um emotionale Spannungsbögen zu glätten und die Akzeptanz der Veränderung intrinsisch zu fördern.
Mitarbeitende haben letzlich das Produkt Mobile Scada d.A.D. eingeführt und aufwendig selbst konfiguriert. Dafür wurde ein komplexes Datenmanagement als Grundlage eingepeist und entsprechend der Arbeitseinsätze verknüpft. Zum Beispiel wurde für jedes Bauteil in der Anlage eine digitale Laufkarte erstellt und eingepflegt, eine Schnittstelle programmiert, um die entsprechende Dokumentation für das jeweilige Bauteil zum direkten Abruf bereitzustellen. Es wurden darüber hinaus Alarmierungs- und Eskalationsregeln für jedes Bauteil, in Abhängigkeit zur geografischen Lage des Mitarbeitenden auf dem Flughafen erstellt, um eine effiziente Disposition gewährleisten zu können.
Die Reaktionszeit wurde im Durchschnitt um das Dreifache, nämlich von zehn auf drei Minuten verringert. Alters- und fluktuationsbedingte Personalengpässe konnten durch effizienteren Personaleinsatz auf smarte Art und Weise kompensiert werden. Allen Prozesspartnern wurden alle notwendigen Informationen schnell bereitgestellt und die Alarmierung erfolgt auf das Endgerät des Mitarbeitenden in Echtzeit. Die Tools sind auf mobilen Endgeräten verfügbar und ermöglichen mittels anonymisierter Ortung kurze Laufwege zwischen den jeweiligen Einsatzorten. Zudem ist der Auftragsstatus für die Leitstelle jederzeit und in Echtzeit einsehbar, was die Transparenz über den Anlagenstatus erhöht. Die Anlagenstillstände wurden reduziert und die Anlagenverfügbarkeit während der Betriebszeiten auf über 99 % verbessert.
Der Maintainer – Sonderpreis für Innovation geht an das KI-Projekt ‚Smart Image Database‘, das das Potenzial einer kollaborativen Digitalisierung der Instandhaltung sichtbar macht. Der Projektgruppe, bestehend aus den Stromnetzbetreibern Austrian Power Grid, 50Hertz Transmission, Elia Transmission Belgium, SBB Energie (Schweizerische Bundesbahnen), Swissgrid und E.DIS Netz sowie Infront Consulting & Management, ist mithilfe eines kollaborativen Ansatzes und einem gemeinsamen Projektbudget, eine unternehmensübergreifende Bilddatenbank für Schäden an Stromübertragungsleitungen aufzubauen, wodurch die Entwicklung von KI-Modellen für die automatisierte Schadenserkennung ermöglicht wird.
Das Projekt ist im Rahmen des von Infront Consulting Management gegründeten Cross-Industry Ecosystems entstanden. „Wir sind davon überzeugt, dass Unternehmen die Herausforderungen unserer Zeit nur gemeinsam lösen können. Heute sind wir sieben europäische Betreiber kritischer Infrastruktur, die gemeinsam Innovationsprojekte im Bereich Asset Management initiieren und umsetzen, wodurch wir schneller und kostengünstiger innovieren“, erklärt Theo Haustein, Programmleiter Cross-Industry Ecosystem, Infront Consulting & Management.
Das konkrete Projektziel war der Aufbau einer umfassenden gemeinsamen Datenbank mit Schadensbildern von Assets im Bereich Übertragungsleitungen, die durch Helikopterflüge oder Drohnen aufgenommen wurden. Auf Grundlage dieser Bilddatenbank wurden KI-Modelle zur Asset- und Schadenserkennung trainiert. Die finale KI-Engine ist in der Lage, einzelne Komponenten der Übertragungsleitungen und potenzielle Schäden sowie die Art der Schäden automatisch zu identifizieren.
Innerhalb von nur drei Monaten konnten in der ersten Projektphase beeindruckende Ergebnisse erreicht werden. In der gemeinsamen Bilddatenbank wurden mehr als 6.000 Bilder gesammelt. Auf mehr als 1.000 dieser Bilder wurden Assets und Schäden gelabelt, um damit AI-Modelle zu trainieren.
Zu den wichtigsten Erfolgen des Projekts gehören 17 trainierte KI-Modelle mit Precision und Recall Werten zwischen 0.85 und 0.95 (der Durchschnitt für gute AI-Modelle in der Bilderkennung liegt bei 0,80), sowie der Aufbau von wertvollem Wissen in Bezug auf die KI-Entwicklung in den fünf beteiligten Unternehmen.
Der Prototyp der KI-Engine ermöglicht die Schadenserkennungen per API, wodurch er sich nahtlos in die existierenden Systeme der Partner integriert.
Im Verhältnis zu den erwartbaren Produktivitätssteigerungen ist der geteilte Investitions- betrag für die Partner gering. Eine beispielhafte Berechnung zeigt, dass der Aufwand zur Schadenserkennung um 90 % gesenkt werden kann.
„Die Automatisierung steigert die Effizienz in der Instandhaltung enorm und hilft, eindimensionale Arbeit zu reduzieren. Gleichzeitig ist sie die Grundvoraussetzung für den Netzausbau und die Digitalisierung. Denn der Arbeitsmarkt würde gar nicht genügend Fachkräfte bereithalten, die benötigt werden würden, um die steigende Anzahl an Inspektionsbildern in Zukunft zu untersuchen“, prognostiziert Theo Haustein.
MainDays und Maintainer Award
Auch in diesem Jahr setzte sich die Jury für den Maintainer aus unabhängigen Experten aus dem Instandhaltungsumfeld zusammen: Rainer Rohr, Head of Engineering & Maintenance, Global Asset Management Coordination Resins & Additives, BASF; Thomas Lichti, Leiter Instandhaltung Zerspanung, Mercedes-Benz Werk Mannheim, Daimler Truck; Dr. Andreas Weber, Vice President CID — OPM | Technical Services, Evonik Operations; Dr. Etwina Gandert, Chefredakteurin CITplus, Wiley-VCH sowie Frank-Uwe Hess, Managing Director — Industry X | Intelligent Asset Management Global Lead, Accenture. Die Preisverleihung fand im Rahmen der MainDays am 12. März in Berlin statt.
Autorin: Etwina Gandert, Chefredakteurin CITplus