02.02.2022 • NachrichtenVDICITplusRepoPaK

RepoPaK: Die Zukunft des Paketversands

Studierende des KIT überzeugen im 4. ChemPLANT-Wettbewerb mit modernem Recyclingverfahren für Kunststoffverbünde.

© Team RepoPaK/KIT
© Team RepoPaK/KIT

Kunststoffe sind vor allem als Verpackungen aus dem Alltag nicht wegzudenken. Die teilweise unkontrolliert in die Biosphäre gelangenden oder sonst zumeist verbrannten Abfälle stellen eine große Belastung des Ökosystems dar. Im Rahmen des 4. ChemPLANT-Wettbewerbs 2021 der kreativen jungen Verfahrensingenieure (kjVI) der VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (VDI-GVC) unter dem VDI-Fokusthema „Zirkuläre Wertschöpfung“ präsentierten elf Teams aus acht Hochschulen moderne Recyclingverfahren. Das Team des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) überzeugte mit einer Kombination aus ganzheitlichem Recycling und nachhaltiger Produktentwicklung.

Kunststoffe sind aufgrund ihrer Vielseitigkeit sowie ihrer mechanischen und chemischen Eigenschaften und eines geringen Herstellungspreises in unserer Gesellschaft omnipräsent. Durch die geringen Produktionskosten ist eine einmalige Nutzung des Kunststoffs meist naheliegender als die Wiederverwertung. Dieser Umstand und das Fehlen natürlicher Mechanismen zur Zersetzung von Polymeren führen zu einer Akkumulation von Kunststoffen in der Biosphäre. Längst ist die Belastung der Tier- und Pflanzenwelt sowie der Meere mit Mikro- und Makroplastik Teil der öffentlichen Debatte geworden.

Auch der Versandhandel setzt stark auf die Verwendung von nur einmalig genutzten Versandverpackungen. Allein in Deutschland sind 2019 3,3 Milliarden Pakete versendet worden, die nahezu ausnahmslos aus Karton bestanden, Tendenz steigend. Diese Abfallmenge ist immens. Sie konnte zwar im Vergleich zu Kunststoffen gut recycelt werden, stellt aber aufgrund der Energieintensivität der Kartonherstellung ebenfalls eine starke Belastung der Umwelt dar.

Die Aufgabe des ChemPLANT-Wettbewerbs 2021 bestand in der Entwicklung eines Gesamtverfahrens zum Recycling eines modellhaften Abfallaufkommens einer deutschen Großstadt. Der repräsentative Abfall war zusammengesetzt aus sortenreinen Kunststoffen (Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyethylenterephthalat (PET) und Polystyrol (PS)), Multilayer-Kunststoffen (PET, PE, Ethylenvinylalkohol (EVOH)), Ver­bundverpackungen (Karton, PE, Aluminium) und Metallen. Im Fokus stand die Entwicklung eines höherwertigen Produkts, neben einer möglichst vollständigen Verwertung der Ausgangsstoffe mithilfe eines ökologisch verträglichen und ökonomisch wettbewerbsfähigen Prozesses.  

Gewinnerkonzept 2021: RepoPaK

Ziel des am KIT entwickelten RepoPaK-Prozesses (Recycled Polymere Packaging Karlsruhe) war die Produktion des RepoPaKs, einer hochwertigen Mehrwegversandbox. Der Prozess nutzt zur Herstellung das vorhandene Abfallpotenzial und vermeidet gleichzeitig durch seine Wiederverwertbarkeit anfallende Abfallströme. Die Aufarbeitung von bisher nicht stofflich verwerteten Verbundverpackungen und Multilayer-­Kunststoffen mithilfe des RepoPaK-Prozesses kann zudem die Verwertungsquote des städtischen Abfallaufkommens erhöhen. Das RepoPaK ist so gestaltet, dass es sowohl im traditionellen Versandwesen als auch in der zukünftigen Logistik, wie dem Transport per Drohne, eingesetzt werden kann. Da in Wiederverwertungsprozessen die Sortierung der Kunststoffe in sortenreine Fraktionen elementar für hohe Verwertungsquoten ist, wird der im RepoPaK eingesetzte Recycling-Kunststoff mit Tracermolekülen versetzt. Dieser innovative Ansatz könnte Sortierungsprozesse in Zukunft stark vereinfachen.

 

Das KIT-Siegerteam des ChemPLANT-Wettbewerbs 2021: Lukas Richter, Tom Poppe,...
Das KIT-Siegerteam des ChemPLANT-Wettbewerbs 2021: Lukas Richter, Tom Poppe, Philipp Beeskow, Jonas Jaske, Paul Neugebauer (v. l. n. r.). © Team RepoPaK/KIT

Design des RepoPaKs

Im Zentrum der Gestaltung des RepoPaKs standen sowohl der Erhalt von Vorteilen klassischer Kartonagen, wie der geringe Preis, die universelle Einsetzbarkeit und einfache Handhabung, als auch die Weiterentwicklung dieses Konzepts. Hierzu ist eine im Deckel integrierte Aufnahmeeinrichtung für einen autonomen Transport durch Drohnen vorgesehen. Eine Integration in automatisierte und digitale Abwicklungsprozesse der Sendung kann mithilfe von RFID- und QR-Code-Technologie erfolgen.

Um ein breites Portfolio an transportierbaren Warensendungen zu ermöglichen, ist das RepoPaK in verschiedenen Größenausführungen von XS bis L vorgesehen. Entsprechend der mechanischen Eigenschaften ist dabei für jede Variante ein aus dem Prozess stammender sortenreiner Kunststoffstrom vorgesehen. Für die vier Varianten von XS bis L stehen die Kunststoffe PE, PP, PET und PS aus dem RepoPaK-Prozess bereit. Zur Einsparung von Platz und Gewicht, sowohl beim Logistikunternehmen als auch dem Endkunden, ist das RepoPaK mit einem Faltmechanismus versehen, der je nach Größe der Warensendung den notwendigen Stauraum um mindestens drei Viertel verringert. Die Waben­struktur der Konstruktion kann zudem 25 % des Gewichts bei Erhalt der Stabilität einsparen – Belastungen der Versandbox mit bis zu 50 kg stellen kein Problem dar.

Um eine möglichst unkomplizierte Rezyklierung des RepoPaKs auch nach dessen Lebensspanne zu gewährleisten, wird bei der Herstellung auf die Zugabe kosmetischer Additive wie Färbungsmittel verzichtet. Die Zugabe geringer Mengen an Tracermolekülen von etwa 0,1 mg/kg ermöglicht mithilfe eines Codierungssystems die Zuordnung von Kunststoffarten durch einen einzigen Verfahrensschritt via Röntgenfluoreszenzanalyse. Als Tracer geeignet ist insbesondere die Gruppe der seltenen Erden bzw. verschiedener ihrer Oxide, da sich die Verwendung von giftigen und radioaktiven Atomen im nachhaltigen Konzept des RepoPaKs selbstverständlich verbietet. Auch im stark zerkleinerten Zustand lässt sich auf diese Weise das RepoPaK von einem gemischten Abfallaufkommen trennen.

 

Fließbild des RepoPak-Prozesses zum ganzheitlichen Recycling eines gemischten...
Fließbild des RepoPak-Prozesses zum ganzheitlichen Recycling eines gemischten Kunststoffstroms und zur Herstellung von Mehrwegpaketboxen aus Kunststoff mit folgenden Teilschritten: Vorsortierung (grün), Auftrennung Verbundverpackungen (blau), Auftrennung Multilayer-Kunststoffe/Folienfraktionen (rot), Endsortierung (gelb). © Team RepoPaK/KIT

Der RepoPaK-Prozess

Der Prozess zur Herstellung eines RepoPaKs unterteilt sich in fünf Teilabschnitte (s. Grafik). Innerhalb der Vorsortierung (grün) werden die Fraktionen Verbundverpackungen, Multilayer-Kunststoffe und sortenreine Kunststoffe zur weiteren Verarbeitung und Sortierung aufgeteilt. In parallel ablaufenden Schritten werden anschließend die Verbundverpackungen (blau) und die Multilayer-Kunststoffe (rot) in ihre Bestandteile aufgetrennt. Durch die Vorsortierung wird eine modulare Erweiterung des Prozesses zur Anpassung an ein variierendes Abfallaufkommen vereinfacht. Für den Multi­layer-Kunststoff, der bspw. für luftdichte Wurstverpackungen verwendet wird, wird ein innovativer Lösungsmittelprozess auf Basis von Dimethylsulfoxid (DMSO) eingesetzt.

Die bspw. für Milchtüten genutzten Verbundverpackungen können nach der Abtrennung des Kartonanteils mithilfe eines nachgeschalteten Ameisensäureprozesses zu PE und Aluminium aufgetrennt werden. Nach der Entfernung von prozessbedingten Reststoffen und Verunreinigungen werden die Stoffströme wieder zusammengeführt und gelangen in die Endsortierung (gelb). Hier werden die nun sortenreinen Fraktionen zunächst von einem Dekanter nach Dichte getrennt. Durch den Einsatz eines Koronawalzenabscheiders wird dann das in der schweren Fraktion befindliche Aluminium abgetrennt. Nahinfrarotspektroskopie-Separatoren trennen schließlich den Abfallstrom in die zur Herstellung des RepoPaKs genutzten sortenreine Kunststoffe. NIR-Separatoren unterliegen – wie jede reale Trennstufe – einer gewissen Fehlerbehaftung. Hierdurch werden nicht alle verwertbaren Kunststoffe erkannt.

Für eine optimale Recyclingquote wird ein Großteil der nicht erkannten Abfälle vor die Endsortierung rückgeführt. Der Rest wird parallel als Purge-Strom aus dem Prozess abgeführt, um eine Akkumulation von nicht verwertbaren Abfällen zu vermeiden und damit die Stationarität des Prozesses zu wahren. Der Purge-Strom wird in einer externen Pyrolyse mit anschließender Vergasung verwertet. Die nun getrennt vorliegenden reinen Kunststoffe werden mithilfe von Spritzguss eingeschmolzen und in die Formgebung zu RepoPaKs gegeben. In diesem Prozessschritt findet auch die Zugabe der Tracermoleküle statt.

Potenzial von RepoPaK-Prozess und -Paketbox:

  • Kunststoffabhängige Verwertungsquoten von 89 % bis 95 %
  • Resultierende Einsparung von bis zu 95 % CO2 gegenüber der herkömmlichen Verbrennung des Abfalls
  • Bei Mehrfachnutzung der RepoPaKs 90 % geringerer Gesamtenergiebedarf bei der Herstellung gegenüber Einwegkartons
  • Vermeidung von mindestens 10 kg Karton pro kg rezyklierten Kunststoffs

Die Errichtung einer Anlage wird mit etwa 14,9 Mio. EUR, die jährlichen Betriebskosten mit etwa 10,6 Mio. EUR kalkuliert. Bei einer möglichen Produktion von bis zu 5,5 Mio. RepoPaKs zum Preis von 5 EUR bis 13 EUR pro Stück würde sich die Anlage innerhalb von 2,5 Jahren amortisieren.

Vision

In einem sich stark verändernden Markt, der sich stetig zugunsten des Versandhandels entwickelt, versucht RepoPaK eine Alternative zur herkömmlichen Versandbox zu bieten. Das RepoPaK und der RepoPaK-Prozess sollen hierbei Impulse für die aktive Gestaltung des automatisierten und ressourcenschonenden Logistikbetriebs der Zukunft geben. Freuen Sie sich auf eine Zukunft in der nicht nur der Inhalt, sondern auch das Paket Freude bereitet.

Die Autoren

Lukas Richter, Tom Poppe, Philipp Beeskow, Jonas Jaske, Paul Neugebauer

Die Autoren danken Frau Prof. Dr. habil. rer. nat. S. Enders und M. Sc. P. Greafe für die tatkräftige Unterstützung während des Projekts. Der ChemPLANT-Wettbewerb 2021 wurde ­finanziell unterstützt von BASF, Bayer, Covestro, Evonik und Merck.

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ChemCar 2022

Die VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (GVC) führt seit 2006 den ChemCar-Wettbewerb durch, bei dem Modellfahrzeuge ins Rennen gehen, die von (bio)-chemischen Reaktionen angetrieben werden. Die Studierenden-Teams können mit ihrer innovativen Idee, aber auch mit einem überzeugenden Sicherheitskonzept und einer guten Präsentation beim Posterwettbewerb punkten.

  • Anmeldeschluss: 21.03.2022
  • Konzepteinreichung: 01.04.2022
  • Nominierung der Teams: 13.04.2022
  • Abgabe der Sicherheitskonzepte: 01.06.2022
  • Sicherheitsgespräche: 05.–09.09.2022 (bei digitaler Durchführung)
  • Finale im Rahmen der ProcessNet-Jahrestagung, 12.–15.09.2022 in Aachen

www.vdi.de/chemcar

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Der ChemPLANT-Wettbewerb 2022

Die VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (GVC) führt den ChemPLANT-Wettbewerb jährlich mit wechselnden Aufgabenstellungen durch. Ziel ist es, Studierende dafür zu begeistern, industrielle Prozesse zu planen und neue Anlagen zu konzipieren. „Thinking out of the Box“ ist das Motto – auch auf den ersten Blick verrückt scheinende Ideen sind ausdrücklich erwünscht.

  • Anmeldeschluss: 11.04.2022
  • Veröffentlichung der Aufgabe: 13.04.2022
  • Konzepteinreichung: 13.05.2022
  • Abgabe der Ergebnisse: 11.07.2022
  • Vorstellung der Ergebnisse mittels Poster und Science Pitch beim Finale im Rahmen der ProcessNet-Jahrestagung, 12.–15.09.2022 in Aachen

www.vdi.de/chemplant

Anbieter

Logo:

Verein Deutscher Ingenieure e.V. (VDI)

VDI-Platz 1
40468 Düsseldorf
Deutschland

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