Turnkey-Lösung für die Herstellung von Elektrodenmischungen für Lithiumionen-Batterien
UKBIC hat Mitte des Jahres 2021 eine einzigartige Forschungsfabrik für die großtechnische Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien offiziell in Betrieb genommen. Für die Herstellung der Elektrodenmischungen fiel die Wahl auf eine Turnkey-Lösung von Eirich. Die Spezialisten für Mischtechnologie aus Hardheim holten sich mit AZO einen der Marktführer für die Mischerbeschickung ins Boot.
Das UK Battery Industrialisation Centre (UKBIC), das Mitte des Jahres 2021 offiziell eröffnet wurde, ist eine staatliche Einrichtung, deren Aufgabe die Weiterentwicklung der Batterieherstellung ist. Es bietet die Möglichkeit eines Scale-ups der Batterieproduktion und dient der Weiterbildung innerhalb der britischen Batterie-Branche. Ein Expertenteam hatte im Vorfeld für alle Prozessschritte im UKBIC die technologisch erfolgversprechendste Ausstattung ausgewählt. Für die Herstellung der Elektrodenmischungen fiel die Wahl auf eine Turnkey-Lösung von Eirich. Die Spezialisten für Mischtechnologie aus Hardheim holten sich AZO als Anbieter für die Mischerbeschickung ins Boot. Das Ergebnis: Exzellente Elektrodenmischungen für Anode und Kathode hergestellt in rund 20 Minuten pro Charge. Diese weisen besonders hohe Feststoffkonzentrationen auf. Davon profitieren der Output der Beschichtungsanlage, Energieverbrauch und CO2-Footprint.
UKBIC´s Produktionslinien zur Herstellung von Elektroden-Slurry haben eine Kapazität, die eines Outputs von 2 GWh pro Jahr entspricht. Ein Team aus Batterie- und Produktionsexperten wählte aus verfügbaren Produktionstechnologien für die einzelnen Prozessschritte jeweils die aus, die für die Weiterentwicklung der Prozesse das größte Potenzial besitzen. Die Basis hierfür waren die großtechnischen Standardproduktionsverfahren. Bei den Elektroden fiel die Wahl daher auf das Nassbeschichtungsverfahren mit Elektroden-Slurry und Eirich-Mischtechnologie unter Verwendung vom Mixsolvern. Die beiden Intensivmischer mit drehendem Mischbehälter und exzentrisch angeordnetem Mischwerkzeug sind speziell auf die Herstellung von Slurry zugeschnitten. Eine der Projektanforderungen war ein Gesamtkonzept von der Rohstoffhandhabung bis hin zur Übergabe der aufbereiteten Slurry an den Coater und die Lieferung als Turnkey-Lösung. Die Spezialisten für Mischtechnologie aus Hardheim arbeiteten daher mit AZO, einem Experten auf dem Gebiet der Automation und Logistik für das Rohstoffhandling zusammen.
Überzeugend flexibel und schnell
Es ist nicht nur die Flexibilität des Intensivmischers hinsichtlich der Verarbeitung unterschiedlichster Zellchemikalien allein durch Anpassung der Betriebsweise, die das UKBIC-Team überzeugt. Es ist auch die Möglichkeit der Just-in-time-Bereitstellung der Elektrodenmischungen aufgrund der besonders kurzen Mischzeiten.
Die klassische Methode für die Aufbereitung von Slurries war lange der Planetenmischer. Hierbei musste in der Regel zunächst relativ zeitaufwändig eine Binderlösung hergestellt werden. Die anschließende Aufbereitung des Slurries nahm noch einmal etwa sechs bis acht Stunden in Anspruch. Bei den Eirich-Intensivmischern, die bei UKBIC in Betrieb sind, sieht das anders aus: das Slurry wird innerhalb einer halben Stunde hergestellt und anschließend entgast. Bereits nach insgesamt eineinhalb Stunden können Anoden- und Kathoden-Slurry auf dem Coater verarbeitet werden.
Mischer ist Herzstück der Anlage
MixSolver R12 mit einem Füllvolumen von bis zu 400 l sind in der Anlage die zentralen Mischaggregate. Ausgelegt sind die Produktionslinien für eine Kapazität von 120 bis 250 l Slurry pro Charge. Im Dauerbetrieb könnten daher sogar deutlich mehr als 1–2 GWh Batteriekapazität erzielt werden. Die speziellen Intensivmischer verfügen über eine vollautomatische Feststoff- und Flüssigkeitsdosierung, eine Doppelmantelkühlung sowie eine automatische Hochdruckreinigung. Die Reinigungseinrichtung wird für die Zwischenreinigung ebenso genutzt wie für die vollautomatische Endreinigung der Maschine bei längeren Produktionspausen. Die Zwischenreinigung während der Aufbereitung mit prozesseigenem Lösungsmittel verhindert Materialverlust und ermöglicht einen stabilen Dauerbetrieb. Zur Ausstattung gehört darüber hinaus das neu entwickelte Entleersystem, das die fertigen Elektrodenmischung in die Transferbehälter überführt.
Hohes Maß an Sauberkeit und Sicherheit
Die Lithium-Batterie-Branche (LiB-Branche) stellt zu Recht hohe Anforderungen an Arbeitsschutz, Sauberkeit und Reinigbarkeit. Auch der Materialschutz in Bezug auf ungewünschte Nebenreaktionen, wie bspw. die Reaktion von Aktivmaterial mit Luftfeuchtigkeit, hat einen hohen Stellenwert. Um diesem Anforderungsprofil gerecht zu werden, realisierte Eirich das Projekt in Zusammenarbeit mit AZO. Beide Unternehmen verbindet eine langjährige projektbezogene Partnerschaft. Für das UKBIC-Projekt wurden bekannte und bewährte Komponenten mit neuen technischen Lösungen kombiniert, die speziell auf die Anforderungen der Anlage zugeschnitten sind.
Optimales Containment
Zu den Materialien, die bei der Herstellung von Elektrodenmischungen zum Einsatz kommen, zählen karzinogene Kathodenmaterialien, bspw. NCM (Lithium-Nickel-Cobalt-Mangan). Das Aktivmaterial wird mit steigendem Nickelanteil darüber hinaus auch noch feuchtigkeitssensibler. Damit stellen sich besondere Anforderung an die Materialübergabe. Für ein optimales Containment entwickelte AZO speziell für diesen Anwendungsfall eine Glovebox-Sackaufgabestation, die die Schutzklasse OEB 3 erfüllt. In einem kontrollierten Mikro-Environment, hier einer speziellen Trockenraumatmosphäre, werden die unterschiedlich großen sackförmigen Kleingebilde mit Aktivmaterialien etc. entleert und in den Produktionsprozess übergeben.
Hohe Genauigkeit und Rückverfolgbarkeit
Die Sack- und Big-Bag-Aufgabestationen sowie Azodos-Dosiersysteme sind ausgelegt auf die hohen Genauigkeitsanforderungen der Rezepturen und Rohstoffkomponenten, maximale Flexibilität und schnelle Reinigbarkeit bei Produktwechseln. In Verbindung mit der Eirich-Anlagensteuerung mit integrierter Barcode-Erfassung der Rohstoffe, der flexiblen Mischvorschrift und dem Prozessdatenvisualisierungs- und Reportingsystem hat UKBIC eine Gesamtlösung mit maximaler Leistungsfähigkeit. Hinzu kommen hohe Flexibilität in Bezug auf die Anpassung der Rezepturen und die Betriebsweise der Anlage. Gleichzeitig ist eine Rückverfolgbarkeit jeder einzelnen Charge gewährleistet.
Feststoffdosierung direkt in den Mischer
Aufgrund der über den Planvorgaben liegenden Kapazität des Mischers und die kurzen Mischzeiten von rund 20 Minuten sowohl für wässrigen Anodenslurry als auch für NMP-basierte Kathodenslurries sieht das entwickelte Konzept der Anlage vor, die Feststoffe direkt in den Mischer zu dosieren. Die Forschenden haben somit die Möglichkeit, die Reihenfolge der Feststoffzugabe und den Zeitpunkt der Zugabe für die einzelnen Feststoffkomponenten beliebig festzulegen. So kann nicht nur Slurry hergestellt werden, sondern auch eine Binderlösung und/oder eine Binder-Ruß-Suspension aufbereitet werden, die in weiteren Prozessschritten zu Slurry weiterverarbeitet wird.
Der direkte Weg zu perfektem Slurry
UKBIC setzt in dieser Anlage auf den von Eirich empfohlenen direkten Weg zum Slurry:
Dosieren der Aktivmaterialien, Leitruße und pulverförmigen Binder, gemeinsames Trockenmischen aller Komponenten, Intensivkneten in hochplastischer, brotteigförmiger Phase nach einer ersten Flüssigkeitszugabe, Verdünnung auf die gewünschte Feststoffkonzentration und Viskosität.
Während des Knetvorgangs in hochplastischer Phase werden die wesentlichen Qualitätsmerkmale des fertigen Slurries und damit auch der Elektrode definiert. Durch Anpassen der Werkzeuggeschwindigkeiten bzw. Scherraten und der Beanspruchungszeit lässt sich hier sehr genau Einfluss nehmen, um optimale Elektrodeneigenschaften zu erzielen. Ein in die Steuerung integriertes Datenbanksystem ermöglicht den einfachen Wechsel der Rezepturen und/oder Mischvorschriften. Positiv ist zudem, dass die Technologie es ermöglicht, außergewöhnlich hohe Feststoffkonzentrationen bei üblichen Verarbeitungsviskositäten der Slurries herzustellen. Das wirkt sich nicht nur positiv auf den Output der Beschichtungsanlage, sondern auch auf den Energieverbrauch und damit den CO2-Fußabdruck aus.
Flexible Mischvorschrift für einfaches Scale-up
Die flexible Mischvorschrift unterstützt hierbei den Bediener und Entwickler bei der Zusammenstellung der einzelnen Aufbereitungsschritte zu einem Mischablauf. Durch einfache Rezeptur- und Mischablaufanpassung mit vorgegebenen bzw. vordefinierten Prozessschritten wie Feststoffzugaben, Flüssigkeitszugaben oder Mischen/Kneten können so auf einfachste Weise die unterschiedlichsten Mischabläufe, die im Labor entwickelt und manuell abgearbeitet wurden, auf die Produktionsanlage für einen vollautomatischen Betrieb übertragen werden.
Aus Batch kann Conti werden
Bei UKBIC unter Atmosphärendruck aufbereitete Slurries werden in 250 l Transportbehälter überführt, darin entgast und bei Bedarf temperiert. Während die Behälter hier manuell der Beschichtungsanlage zugeführt werden, hat Eirich inzwischen den Conti-Feeder-Prozess entwickelt. Er ermöglicht die kontinuierliche Versorgung des Coaters mit qualifizierten Elektrodenmischungen. Realisiert wurde dies in ersten großen Industrieprojekten in Asien. Verfügbar sind mittlerweile darüber hinaus Vakuummischer für die vollständige Entgasung parallel zum Aufbereitungsprozess. Damit steht verarbeitungsfähige Masse dem Coater noch schneller und kontinuierlich zur Verfügung.
Große Nachfrage im UKBIC
Schon ein halbes Jahr nach Inbetriebnahme der Anlage nutzen immer mehr Batteriehersteller das Potenzial des UKBIC, um die noch relativ junge Eirich-Mischtechnologie für Batterieslurries, eine smarte Lösung mit vergleichsweise wenig Anlagentechnik, im großtechnischen Maßstab zu evaluieren. Die vorgestellte Mischtechnologie stellt bei UKBIC unter Beweis, dass sie eine in vielerlei Hinsicht überlegene Lösung für die Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien in Gigafabriken darstellt.
Autor
Dr. Stefan Gerl, Leiter Verfahrenstechnik, Maschinenfabrik Gustav Eirich
Nachgefragt bei Dr. Stefan Gerl, Leiter Verfahrenstechnik, Maschinenfabrik Gustav Eirich
Für wen macht die Nutzung der Forschungsfabrik in Coventry Sinn?
Eine Nutzung der Großanlage macht Sinn, wenn entsprechende Vorarbeiten und Parameterstudien im Labor und/oder in einem Pilotmaßstab erfolgt sind. Der Mischablauf wird in Bezug auf Zugabereihenfolge, Werkzeuggeschwindigkeiten und Mischzeiten in den unterschiedlichen Aufbereitungsphasen ähnlich einem Kochrezept definiert. Für die großtechnische Umsetzung am UKBIC wird diese Rezept 1:1 übertragen, was aufgrund der Scale-up Fähigkeit des Eirich-Prozesses einfach möglich ist.
Bei der großtechnischen Herstellung von Elektroden-Slurries werden heute auch Doppelwellenextruder eingesetzt. Ist die Eirich-Prozesstechnologie auch diesbezüglich konkurrenzfähig?
Extruder schaffen es ebenfalls sowohl den Platzbedarf als auch den Energiebedarf für die Slurry-Herstellung deutlich abzusenken. Sie sind aber in der Durchsatzleistung immer noch relativ stark begrenzt und sehr teuer. Sie haben zudem besonders hohe Anforderungen an die Dosiertechnik. Das treibt auch den Preis für diese Anlagenteile nach oben. Was die Anpassung an andere Rohstoffe und Rezepturen angeht, sind Extruder verglichen mit Eirich-Intensivmischern recht unflexibel, da der Mischablauf, der essenziell für die Qualität der Slurry ist, durch die Geometrie der Mischelemente und Länge der Zonen auf der Werkzeugwelle abgebildet werden muss. Wir sehen unsere Lösung im direkten Vergleich vorne, da auch wir, genau wie bei Extrudern der Fall, eine kontinuierliche Versorgung des Coaters durch Puffertanks sicherstellen können.
Standard bei der Elektrodenherstellung ist bis heute das Nassbeschichtungsverfahren. Trockenprozessierte Elektroden sind jedoch im Kommen. Wie sieht es diesbezüglich mit einer Eirich-Lösung aus?
Auch für diese Technologie eignet sich ein Eirich-Intensivmischer hervorragend, weil er die Verarbeitung von Pulver und Flüssigkeiten jeglicher Konsistenz erlaubt. Daher ist es auch problemlos möglich, allein durch Anpassung der Betriebsweise strukturierte Dry-Mix-Mischungen zur Weiterverarbeitung im Trockenelektrodenprozess herzustellen.
Nachgefragt bei Michael Wetzel, Branchenmanager Batterie, Azo
Wie schätzen Sie das Potenzial der Herstellung von Batteriematerialien
in Deutschland und Europa für den Chemie-Anlagebau ein?
Wir sehen hier ein sehr großes Potenzial für den deutschen Anlagenbau. Bis 2030 ist für Europa ein Bedarf von 500 GWh/Jahr an Batteriezellen prognostiziert. Die angekündigten und teilweise bereits in der Umsetzung befindlichen Projekte, werden diesen Bedarf voraussichtlich abdecken. Die Herausforderung für die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer besteht darin, sich dem Wettbewerb zu asiatischen Anlagenbauern, die bereits Erfahrung in der Serienproduktion haben und teilweise staatlich subventioniert sind, zu stellen. Dies sollte aber durch Vorteile hinsichtlich Technologie und Qualität, aber auch Nachhaltigkeit zu schaffen sein. Um die Kompetenzen zu bündeln und zu kanalisieren, hat der VDMA bereits vor einigen Jahren ein Kompetenzteam Batterie ins Leben gerufen, in dem sich führende deutsche Maschinen- und Anlagenbauer zusammengetan haben.
Worin bestehen die wesentlichen Anforderungen hinsichtlich des Prozesses und der Arbeitssicherheit bei der Beschickung der Batch-Mischer?
Grundsätzlich sind hier drei Aspekte zu betrachten. An erster Stelle steht der Bedienerschutz, um Kontakt mit den teilweise stark gesundheitsgefährdenden Rohstoffen zu vermeiden. AZO hat hier Lösungen sowohl im Pilot- als auch im Produktionsmaßstab, um die Anforderungen der Schutzklasse OEB 3 zu erfüllen. Zukünftig wird der Trend in Richtung OEB 4 gehen. Neben dem Bedienerschutz ist fast immer auch ein Schutz der teilweise gegenüber Feuchtigkeit oder Sauerstoff sensiblen Rohstoffe ein Thema. Dem trägt AZO durch eine spezielle Ausführung der Anlagen zur Überlagerung mit Inertgas oder Trockenluft Rechnung. Ein dritter Aspekt ist die Reinigbarkeit und die Vermeidung von cross-Kontamination. Auch hier hat AZO Lösungen, um beispielsweise Produktwechsel innerhalb eines Dosierstrangs mit relativ geringem Reinigungsaufwand zu realisieren und somit die Flexibilität der Anlage zu erhöhen.
Bietet Azo auch Anlagenlösungen auch für einen Contiprozess zur Herstellung des Elektrodenmaterials an?
Die AZO-Technologie ist sowohl für Batch- als auch Kontiprozesse einsetzbar. Die eingesetzten AZODOS-Systeme, die mit einer Reziprok-Verwiegung arbeiten, erfüllen höchste Anforderungen hinsichtlich der Dosiergenauigkeit. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass Kontiprozesse speziell bei niedrigen Durchsätzen deutlich sensibler gegenüber Dosierschwankungen reagieren. Daher werden in diesen Fällen bei Bedarf hybride Prozesse mit Vormischung eingesetzt, um die Toleranzen bei der Dosierung in einen Bereich zu bringen, der zuverlässig arbeitet. Darüber hinaus ist das Thema Traceability bei Batchprozessen selbstverständlich einfacher umzusetzen.