Zwischen Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit
Durch einen offenen Dialog und eine Balance zwischen Regulierung und Freiheit kann die Ernährungsindustrie ihrer Rolle für die Versorgungssicherheit gerecht werden.
Das Jahr 2025 wird für die deutsche Ernährungsindustrie nach mehreren Jahren der Stagnation von zentralen Herausforderungen geprägt sein. So wird sich eine neue Bundesregierung zu finden haben, an die große Erwartungen für einen Konjunkturaufschwung gestellt werden. Auch werden wichtige europäische Gesetzgebungen in die weitere Umsetzung gehen, insbesondere im Bereich der gesetzlichen Nachhaltigkeitsstandards muss hier deutlich der Anforderungskatalog für die Wirtschaft verringert werden.
Zu oft hat der Gesetzgeber in den letzten Jahren den Bogen überspannt, zu oft musste aufgrund mangelnder Praxistauglichkeit nachgebessert werden. Umso klarer muss in Zukunft sein, dass vollständige Folgenabschätzungen und ernsthafter Bürokratieabbau jetzt notwendig sind. Politik muss die drängenden Probleme in Wirtschaft und Gesellschaft lösen, statt neue zu schaffen. Es braucht eine bessere Balance zwischen Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit.
Besonders kritische Theen sind hier die Verordnung über entwaldungsfreie Produkte (EUDR), aber auch die neue Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD). Es ist nicht realistisch, dass kleine landwirtschaftlichen Betriebe den von der EUDR geforderten Nachweis über die Entwaldungsfreiheit ihrer Produktionsflächen bei dem Mangel an Daten und Mitteln erbringen können. Die Gefahr von Lieferengpässen und Preissteigerungen ist real. Deshalb braucht es neben den realistischen Fristen auch stark vereinfachte Lösungen.
Gleiches gilt für die CSRD. Unternehmen können nicht jährlich mehrere Hundert Datenpunkte erheben und auswerten, ohne dabei mindestens noch einmal so viele Abfragen zu Datenpunkten in ihren Lieferketten abzufragen. Kurzum wird hier ein Datenfriedhof und Bürokratieberg erzeugt, ohne einen Mehrwert für die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Es muss sich auf wenige wichtige vergleichbare Kennzahlen zur Nachhaltigkeit fokussiert werden. Alles andere muss dem einzelnen betrieblichen Management überlassen werden.
Unsere Ernährungsindustrie leidet zunehmend unter der wachsenden Regulierungsdichte. Wir brauchen dringend eine klare, verständliche und umsetzbare Gesetzgebung. Ich fordere die konsequente Anwendung des „one-in-one-out“-Prinzips. Für jede neue Regelung, die bürokratischen Aufwand erzeugt, muss eine andere entfallen. Das ist für mich der einzige Weg, um die Unternehmen in der Ernährungswirtschaft zu entlasten und ihnen die notwendige Freiheit für Wachstum und Innovation zu geben.
Mit Blick auf die neue EU-Kommission und das Europäische Parlament setze ich auf einen stärkeren Dialog zwischen Politik und Wirtschaft. Eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Ernährungsindustrie kann nur dann funktionieren, wenn die Politik die Rahmenbedingungen schafft, die Forschung, Innovation und Investitionen in die Nachhaltigkeit unterstützen. Es darf dabei nicht nur um ökologische Ziele gehen – auch die wirtschaftliche Grundlage unserer Unternehmen muss im Fokus stehen.
Wir brauchen wieder Platz und Planungssicherheit für unternehmerisches Handeln, denn ohne Unternehmertum wird der Strukturwandel in Deutschland zu erheblichen Wohlstandsverlusten führen. Als BVE lehnen wir daher konsumlenkende Maßnahmen des Staates als verzerrenden Eingriff in den Markt ab. Die Unternehmen haben bereits viel in Nachhaltigkeit investiert, und diese Maßnahmen müssen jetzt erfolgreich umgesetzt werden, bevor weitere Vorschriften hinzukommen. Die regulatorischen Anforderungen sind bereits hoch, und jede neue Verschärfung sollte genau geprüft werden. Ein stabiler Binnenmarkt ist darüber hinaus der Schlüssel für die Versorgungssicherheit in Europa. Hier müssen wir wieder an Wettbewerbsstärke am Weltmarkt gewinnen, unsere sensiblen Interessen aber gleichzeitig schützen.
Für mich ist klar: Die politische Regulierung muss den Unternehmen nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich einen stabilen Rahmen bieten. Nur durch einen offenen Dialog und eine kluge Balance zwischen Regulierung und Freiheit kann die Ernährungsindustrie ihre Rolle als Garant für Wohlstand und Sicherheit auch in den kommenden Jahren erfolgreich ausfüllen.
Stefanie Sabet ist Geschäftsführerin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) und Leiterin des Brüsseler Büros.