31.07.2016 • PraxisberichteClosed LoopCSRVerpackung

Ein Interview mit Hans-Joachim Boekstegers, geschäftsführender Direktor und CEO von Multivac zu Nachhaltigkeitsthemen

Gesellschaftliche Verantwortung und soziales unternehmerisches Handeln (CSR, corporate social responsibility) beeinflusst zunehmend die Strategie und die Ausrichtungen von Unternehmen.

Gesellschaftliche Verantwortung und soziales unternehmerisches Handeln (CSR, corporate social responsibility) beeinflusst zunehmend die Strategie und die Ausrichtungen von Unternehmen. Das Interview mit Hans-Joachim Boekstegers, geschäftsführender Direktor und CEO von Multivac, beleuchtet beispielhaft die CSR-Zielführung bei einem Unternehmen des Verpackungsmaschinenbaus. Vera Sebastian stellte die Fragen für LVT Lebenmittel Industrie.

LVT LEBENSMITTEL Industrie: Herr Boekstegers, die sogenannte CSR-Richtlinie soll bis zum 6. Dezember 2016 in deutsches Recht umgesetzt werden. Dann müssen Unternehmen von öffentlichem Interesse über ihre Nachhaltigkeitsthemen Bericht erstatten. Multivac ist dazu nicht verpflichtet – und dennoch haben Sie auf der IFFA 2016 in Frankfurt Ihren CSR-Report vorgestellt?

H.-J. Boekstegers: Das ist richtig. Eine solche Dokumentation ist für Multivac tatsächlich keine Verpflichtung – das Thema Nachhaltigkeit jedoch schon, denn Nachhaltigkeit ist Teil unserer Unternehmenskultur. Wir sind uns unserer ökonomischen, sozialen, gesellschaftlichen, kulturellen und ökologischen Verantwortung sehr bewusst und stellen uns jeden Tag aufs Neue dieser Herausforderung. Unsere grundsätzliche Haltung sowie die Strategien, Prozesse und Handlungsfelder, die wir in unserem strategischen Leitbild definiert haben, flossen also nun erstmals in diese CSR-Broschüre ein. Künftig werden wir auf Basis des Deutschen Nachhaltigkeits-Kodex (DNK) alle Kriterien, die für unsere Geschäftstätigkeit relevant sind, periodisch für den Unternehmensstandort Wolfertschwenden dokumentieren.

Geht es um das Thema Nachhaltigkeit bei Verpackungsmaschinen, steht meist die Reduzierung von Verpackungsmaterial, Wasser und Energie im Fokus. Sie verfolgen jedoch einen ganzheitlichen Ansatz?

H.-J. Boekstegers: Aus gutem Grund, denn das Thema ist sehr komplex. Natürlich entwickeln wir unsere Verpackungslösungen ständig weiter, um beim Verpacken den Verbrauch von Folie, Frischwasser und Energie zu minimieren. Aber auch der Ressourcenverbrauch bei der Herstellung einer Maschine hat einen Einfluss auf die ökologische Gesamtbilanz. Deshalb investieren wir jährlich hohe Beträge in einen modernen Maschinenpark, um selbst effizient im Hinblick auf Energie und Material zu produzieren. Geschlossene Rohstoffkreisläufe (Closed loop) für die von uns verarbeiteten Rohmaterialien bewirken, dass wir beispielsweise Werkstoffe wie Aluminium und Edelstahl neuen Verwendungszwecken zuführen. Zudem ist uns wichtig, regionale Wirtschaftskreisläufe zu stärken, Transporte zu optimieren und damit Verkehrsemissionen zu reduzieren. Immerhin kommen 50% unserer Lieferanten aus Bayern. Diese Nähe ermöglicht uns den direkten Einfluss auf die Verfügbarkeit, die Beschaffenheit, die Qualität und letztendlich auch die Nachhaltigkeit der Produkte.

Provozierend gefragt: Kann eine Verpackung nachhaltig wirken, Herr Boekstegers?

H.-J. Boekstegers: Ein klares Ja - aus verschiedenen Gründen: Erstens lässt sich durch eine entsprechende Verpackung die Haltbarkeit von Lebensmitteln deutlich verlängern. Die Folge: Der Verderb verringert sich, es landen weniger Lebensmittel auf dem Müll. Das hat einen positiven Einfluss auch auf die Distribution und Entsorgung. Mit der Verwendung von Vakuum- oder MAP-Verpackungen kann zudem auch der Einsatz von Konservierungsstoffen reduziert werden. Verbraucher kaufen also natürlichere Produkte, die dennoch ihre Frische, ihren Geschmack und ihre Konsistenz bewahren. Ähnliches gilt für medizinische Produkte und Pharmazeutika, denn die Sterilisation in der Packung bewirkt, dass die Sterilität bis zum Anwender sichergestellt wird.

Ganzheitlich gesehen bedeutet dies …?

H.-J. Boekstegers: … dass bei Verpackungen neben dem Produktschutz zunehmend auch Faktoren wie Gewicht, Ressourcenverbrauch bei Herstellung, Transport und Entsorgung sowie auch Recyclingmöglichkeiten eine wichtigere Rolle spielen. Für einen nachhaltigen Verpackungsprozess ist es unerlässlich, dass sich im Zusammenspiel von Erzeugern, Verarbeitern, Maschinenherstellern und Zulieferern, Handel und Verbrauchern passgenaue Lösungen finden lassen, die sicherstellen, dass Verpackungen am Ende sinnvoll und verantwortungsbewusst verwendet werden. Deshalb haben wir stets den gesamten Stoffkreislauf im Blick.

Wie können Sie als Hersteller von Verpackungsmaschinen weiterhin zu einem nachhaltigen Verpackungsprozess in den produzierenden bzw. verarbeitenden Betrieben beitragen?

H.-J. Boekstegers: Unser Portfolio umfasst Maschinenkonzepte, die auf unterschiedlichste Unternehmensgrößen, Infrastrukturvoraussetzungen und Bedürfnisse zugeschnitten sind. Die spezifischen Gegebenheiten definieren die Komplexität und die Funktionalitäten einer Maschine – und entscheiden über die Nachhaltigkeit der jeweiligen Verpackungslösung. Die modulare Bauweise unserer Maschinen ermöglicht zudem auch spätere Erweiterungen und die Integration zusätzlicher Funktionalitäten. So wachsen unsere Tiefziehverpackungsmaschinen und Traysealer mit den individuellen Anforderungen und sind über viele Jahre oder gar Jahrzehnte dauerhaft einsetzbar.

Was neue Technologien betrifft, so haben wir in den letzten Jahren viel Entwicklungsaufwand in den Bereichen energieeffiziente Servoantriebe, Sensorik oder beispielsweise auch Werkzeugwechselsysteme betrieben. Die Ergebnisse fließen in alle Produktlinien ein und sind auch für Einstiegsmodelle verfügbar. Sie gewährleisten einen äußerst effizienten Verpackungsprozess und machen sich u.a. positiv bei der Energiebilanz bemerkbar. Ganz konkret: Mit Multivac e-concept beispielsweise lässt sich der Energie-, Wasser- und Folienverbrauch beim Herstellen von Tiefziehverpackungen deutlich reduzieren und die Maschinenverfügbarkeit erhöhen. Auf der IFFA 2016 stieß deshalb erwartungsgemäß die dort erstmals vorgestellte Tiefziehverpackungsmaschine R 085 e-concept auf großes Interesse. Das kompakte Modell wurde speziell für kleinere Verarbeiter entwickelt und kommt gänzlich ohne Wasser- und Druckluftanschluss aus.

Sie sprachen eben die lange Lebensdauer von Multivac Verpackungsmaschinen an. Mit Blick auf unsere Umwelt ist dies ein überaus wichtiges Argument …

H.-J. Boekstegers: In der Tat. Die permanente Maschinenverfügbarkeit und lange Nutzbarkeit einer Maschine wirkt sich ja nicht nur hinsichtlich ihrer Rentabilität und Wirtschaftlichkeit aus, sondern reduziert insgesamt die Belastungen für unsere Umwelt. Daher sind wir bestrebt, unseren Kunden nicht nur exzellente Qualität, neueste Technologien und optimale Funktionalitäten zu bieten, sondern die Leistungsfähigkeit unserer Produkte so lange wie möglich zu erhalten. Das erreichen wir durch bedarfsgerechte Servicekonzepte wie u.a. Multivac Retrofit, ein Modernisierungs-Service, der die Verpackungslösung durch eine Werksüberholung, durch die Integration neuer Module oder durch Nachrüsten zusätzlicher Funktionen auf den neuesten Stand bringt – also eine wirtschaftliche, zeitwertgerechte und ressourcenschonende Alternative in Neuteil-Qualität.

Herr Boekstegers: Ab dem dritten Quartal 2016 soll Ihr neues Logistikzentrum in Wolfertschwenden auf 5.400 m² die Teileversorgung des Standortes sowie die Versorgung der europäischen Kunden mit Original-Ersatzteilen sicherstellen. Multivac setzt Bauvorhaben sicher auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten um?

H.-J. Boekstegers: Selbstverständlich. Auch das gehört zu unserem ganzheitlichen Ansatz. Wir planen und realisieren neue Gebäude und Anlagen immer nach neuesten Standards. Vorhandene Gebäude werden sukzessive nach energetischen Maßstäben saniert. Wir sind permanent bestrebt, Treibhausgasemissionen zu reduzieren, u. a. durch den erhöhten Einsatz von regenerativ erzeugter Wärme, die Nutzung effizienter Technologien wie Kraft-Wärme-Kopplung oder die sukzessive Umrüstung auf LED-Beleuchtungstechnik. Gerade die Maßnahmen in Wolfertschwenden haben eine große Bedeutung für die Gesamtbilanz unserer Aktivitäten, weil wir, was Fläche und Mitarbeiterzahlen betrifft, der größte Standort unserer Unternehmensgruppe und gleichzeitig auch Unternehmenszentrale sind. Das ist Ansporn und Verpflichtung zugleich.

Unternehmerischer Erfolg und soziale Verantwortung gehören für Multivac zusammen, lautet ein Kernsatz in Ihrer CSR-Broschüre …

H.-J. Boekstegers: Und das ist ganz sicher nicht nur eine Floskel. Nur mit Menschen erreichen wir unsere Ziele und können so nachhaltig auf unsere Gesellschaft und unsere Umwelt einwirken. Begeisterung, Wertschätzung, Integrität und Verantwortung bilden deshalb das Fundament unseres Handelns. Dies gilt für unsere Kunden, unsere Geschäftspartner, unsere Stakeholder und natürlich in besonderem Maße auch für unsere Mitarbeiter. Denn sie sind unser wertvollstes Gut und die wichtigste Investition in die Zukunft. Bei Multivac setzen wir daher auf langfristige Arbeitsbeziehungen, vielseitige und interessante Aufgaben in einem dynamischen und internationalen Umfeld, auf ein gutes Arbeitsklima und auf ein konstruktives und respektvolles Miteinander. Unser langfristig ausgerichtetes Personalkonzept orientiert sich an der Unternehmensstrategie, an der aktuellen Geschäftssituation sowie an gesellschaftlichen Megatrends wie demografischem Wandel, Diversity, Individualisierung, Mobilität, Gesundheit und Bildung. Das alles ist und wirkt nachhaltig. Darauf legen wir Wert.

Weltweit sind rund 4.700 Mitarbeiter unterschiedlichster Herkunft, Kultur, Hautfarbe, Religion oder Überzeugung für Sie tätig …

H.-J. Boekstegers: Das ist wunderbar. Seit vielen Jahren setzen wir von Multivac auf ein systematisches Diversity-Management. Eine Kultur der Vielfalt, der Verständigung, der Chancengleichheit und des gegenseitigen Respekts fördert unsere Kreativität, schafft kulturellen Austausch und erhöht die Kompetenzvielfalt im Unternehmen. Faire Arbeitsbedingungen und Chancengleichheit auf allen Ebenen und für alle Beschäftigten zu schaffen, ist uns ein wichtiges Anliegen. Von ungelernten Arbeitskräften bis hin zum Hochschulabsolventen – sie alle können sich darauf verlassen, dass sie bei Multivac respektvoll behandelt und in ihrer individuellen Entwicklung gefördert werden. Das haben wir auch in unserer Multivac Compliance Richtlinie und den Multivac Führungsgrundsätzen fest verankert. Selbstverständlich ist natürlich für uns auch die Einhaltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Kurz gesagt: Wir profitieren von der sozialen Vielfalt unserer Mitarbeiter, den unterschiedlichen Sichtweisen und kulturellen Hintergründen. Das macht uns stark und erhöht unsere Wettbewerbsfähigkeit im Markt.

Zu guter Letzt: Multivac ist ein international ausgerichtetes Unternehmen. Beeinflussen die aktuellen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen in vielen Ländern Ihr Business nachhaltig?

H.-J. Boekstegers: Nein, sicher nicht. Auch wenn die Unsicherheit beim Euro, nationalstaatliche Tendenzen, Störungen in den Handelsbeziehungen, Preisentwicklungen bei Rohstoffen oder Währungsabwertungen zum Teil negative Auswirkungen auf das Investitionsverhalten von Unternehmen haben. Aber als global agierender Innovations- und Technologieführer sind wir breit aufgestellt und sehen optimistisch in die Zukunft. In den letzten Jahrzehnten sind wir stetig und überdurchschnittlich gewachsen. Nachhaltiges Wirtschaften, solides Wachstum, hohe Qualität und vor allem langfristiges Denken sind die Grundpfeiler unseres Erfolgs. Unser Handeln bewegt sich permanent im Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation, Gegenwart und Zukunft. Schon heute entwickeln wir Strategien, um die Anforderungen von morgen zu erfüllen. Unser umfassendes Knowhow passen wir konsequent den jeweiligen Markt- und Kundenbedürfnissen an und bieten adäquate Verpackungslösungen für jeden Bedarf und für fast jedes Budget. Denn auch das verstehen wir unter Nachhaltigkeit: Wir schaffen Werte. Wir haben Werte. Und wir leben Werte.

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