23.05.2019 • PraxisberichteAbfüllanlageAbfüllungAseptik

Einwandfreie Hygiene für Milch und Milchmischgetränke

Die Kreativität moderner Molkereien kennt kaum Grenzen.

Die Kreativität moderner Molkereien kennt kaum Grenzen. Mischgetränke aus Milch, Kakao, Kaffee und vielem mehr stehen in der Verbrauchergunst weit oben. Dafür, dass den Verbraucher bei all dieser Vielfalt nur hygienisch einwandfreie Ware erreicht, sorgen weltweit aseptische Abfüllanlagen des Maschinen- und Anlagenbauers KHS.

Irgendwann auf der langen Fahrt in den Urlaub ist es so weit: Das Auto braucht Kraftstoff, der Fahrer Koffein, die Zwillinge auf der Rückbank Beschäftigung. In der Raststätte lockt das Kühlregal. Der Nachwuchs entscheidet sich für Schokoladenmilch, die Beifahrerin für ein gesundheitsförderndes Joghurtgetränk, der Fahrer für einen kalten Cappuccino. Zurück im Auto fragt eine Kinderstimme: „Papa, hast du die Schokomilch in die Flaschen gefüllt?“ Thomas Niehr muss lachen. „Nein, mein Schatz, das machen Maschinen. Meine Firma baut diese Maschinen.“

Die Firma, das ist KHS, ein zum Salzgitter-Konzern gehörendes Unternehmen, vor über 150 Jahren gegründet. Damals konstruierten Louis Holstein und Carl Kappert in Dortmund die ersten Anlagen, mit denen das seinerzeit in Mode gekommene Flaschenbier abgefüllt werden konnte. Heute leitet Thomas Niehr dort das Produktcenter für aseptische Fülltechnik. Zu seinem Verantwortungsbereich gehören alle Anlagen, auf denen leicht verderbliche Getränke abgefüllt werden. Neben Molkereiprodukten gehören dazu bspw. Säfte, Smoothies und Sportgetränke. Für diese Produkte gelten besonders hohe Anforderungen an eine keimfreie Abfüllung. „Unser Kern-Know-how besteht darin, solche Anlagen einerseits besonders sicher, andererseits hochproduktiv auszulegen“, sagt Niehr.

Wie die Schokomilch in die Flasche kommt, kann niemand besser erklären als er. Für den Laien überraschend beginnt der Prozess mit der Herstellung der Flasche, zumindest, wenn diese aus PET besteht. Dieser Kunststoff eignet sich für Getränkeflaschen nicht nur aufgrund seiner hohen Bruchfestigkeit, sondern auch, weil er beliebig geformt und eingefärbt werden kann. Für Molkereiprodukte, deren Geschmack sich durch den ultravioletten Anteil des Sonnenlichts verändern könnte, stellt er eine gute Wahl dar. „Weiße PET-Flaschen kommen vor allem bei Molkereiprodukten gut an“, sagt Niehr. „Der Trend geht momentan ganz klar in Richtung PET.“ Um lange Transportwege leerer Flaschen zu vermeiden, werden sie direkt vor Ort hergestellt. Die dafür benötigten Blasmaschinen sind zunehmend mit den Abfüllanlagen gekoppelt.
Ausgangsprodukt ist ein PET-Rohling (korrekter: eine „Preform“), in etwa in der Größe eines Fahrradgriffs. In einer Streckblasmaschine, die von KHS am Standort in Hamburg stammt, verwandelt er sich in die Flaschenform. Der zunächst erhitzte und dadurch fließfähige Rohling wird dazu in eine Form (das „Werkzeug“) eingelegt.

Durch die Öffnung strömt Luft mit hohem Druck ein, sie presst den Kunststoff an die Seitenwände der Form. Gleichzeitig wird die Flasche durch eine Reckstange in die Länge gezogen. Je nach gewünschter Steifigkeit beträgt die Wandstärke der Flasche wenige Zehntel Millimeter. Zusätzlichen Schutz bietet das von KHS patentierte Plasmax-Beschichtungsverfahren. Auf der Innenseite von PET-Flaschen wird dabei eine hauchdünne und unsichtbare Glasschicht aufgebracht, die eine Barriere sowohl gegen das Entweichen von Aromen oder Kohlensäure als auch gegen das Eintreten von Sauerstoff und den damit verbundenen Verlust an Vitaminen bildet. Wie bei einer Glasflasche bleiben in der mit dem Plasmax-Verfahren beschichteten Flasche der Geschmack und die Frische erhalten. Dadurch verlängert sich die Haltbarkeit der entsprechend abgefüllten Produkte im Einzelhandel deutlich.

Hochpräzise Füllventile

Die Abfüllung der Molkereiprodukte erfolgt dann im Herzstück der Anlage, das von der Umgebungsluft vollständig isoliert ist. Dabei fahren die Flaschen entweder in einem Karussell oder in Reih und Glied unter die Füllventile, durch die der begehrte Inhalt einfließt. Die Kunst: Obwohl der gesamte Füllvorgang nur wenige Sekunden dauert, darf das Getränk nicht schäumen. Das Füllventil verfügt daher über mehrere Kanäle, die hinsichtlich Fließrichtung und Strömungsgeschwindigkeit optimiert sind. Eine weitere Herausforderung für Niehr und seine Mannschaft: Immer häufiger versetzen Molkereien ihre Drinks mit Fruchtstückchen.

Solange die Kantenlänge der Stückchen unter drei Millimeter beträgt, können sie einfach mitschwimmen. „Wir beobachten jedoch einen Trend zu immer größeren Obstteilen“, berichtet Niehr. In Osteuropa wird der dort beliebte Kefir teilweise mit Stückchen versetzt, die eine Kantenlänge von einem ganzen Zentimeter haben. Für solche Produkte hat KHS eigene Dosierer entwickelt, die die festen Bestandteile in die Flasche befördern, bevor die Trinkflüssigkeit eingefüllt wird.

Im Sinne der Sauberkeit gilt immer: Die Füllvorrichtungen dürfen die Flaschenöffnung nicht berühren. Denn unter dem Verschluss, bei dem es sich um eine Abreißfolie, einen Schraubdeckel oder auch eine Kombination aus beidem handeln kann, dürfen keine Nahrungsmittelreste sitzen. Im nächsten Arbeitsschritt wird auf der voll automatisierten Anlage der ebenfalls mit Wasserstoffperoxid desinfizierte Verschluss aufgebracht. Dann folgt eine Inspektion, bei der die für die Haltbarkeit entscheidende

Dichtheit der Flasche untersucht wird, indem leichter Druck auf den Flaschenkörper ausgeübt und dabei gleichzeitig der Füllstandspegel überwacht wird. Nach einer weiteren optischen Prüfung durch eine 3-D-Kamera gilt es, das Etikett anzubringen und die Flasche in ein Verpackungsgebinde einzufügen.

160 Stunden Dauerbetrieb

Die Anlagen von KHS, die oft mehrere Jahrzehnte im Einsatz sind, müssen weitaus länger halten als die Milchprodukte, die den verschiedenen Geschmacksmoden folgen. „Die Vielfalt an Molkereiprodukten nimmt dauernd zu“, beobachtet Niehr. Durch einen vollständig modularen Aufbau, der spätere Erweiterungen ermöglicht, sind die Anlagen darauf vorbereitet. Grundsätzlich kann auf jeder Abfüllanlage für Molkereien jedes Produkt hergestellt werden. Die wachsende Produktvielfalt im Kühlregal führt außerdem zu einer weiteren Herausforderung. Um die Produktivität zu steigern, sollen die Anlagen immer länger laufen, ohne dass eine Generalreinigung durchgeführt werden muss. Bis zu 160 Stunden ist eine Abfüllanlage heute unterbrechungsfrei in Betrieb. In diesem Intervall werden verschiedene Produkte abgefüllt, unterbrochen allenfalls durch kurze Spülungen mit sterilem Wasser.

Eine Voraussetzung dafür sind Hochleistungskomponenten in allen Anlagenteilen, Dichtungen etwa, die möglichst keine Aromen aufnehmen und später wieder abgeben. Um die Produktivität weiter zu erhöhen, werden Verschleißteile – insbesondere im Bereich der Füllventile – bereits heute in festen Intervallen ausgetauscht. Das macht die Wartung, die immer eine Produktionspause bedeutet, für den Betreiber planbar. Künftig sollen die Wartungsintervalle durch permanente Überwachung der Anlagen flexibler gestaltet werden. Denn auch die beste Technik kommt irgendwann an Grenzen, wenn sie ständig stark belastet wird, z. B. durch Erdbeeren. Denn deren winzige, aber verhältnismäßig harte Samen stellen die Anlagenkomponenten auf die Probe. Was den Laien erstaunt, ist für Niehr selbstverständlich – und längst berücksichtigt.

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