Explosionsschutz bei Anlagen mit Staubentwicklung: Grundlagen, Beurteilung, Schutzsysteme
Explosionsschutz ist ein breites Aufgabengebiet.
Explosionsschutz ist ein breites Aufgabengebiet. Dieser Artikel informiert kompakt über die Grundlagen des Explosionsschutzes und die zur Verfügung stehenden Schutzsysteme. Ob Siebe, Mühlen oder Filter: Jede Anlage, in der Staubentwicklung teil des Produktionsprozesses ist, birgt das potentielle Risiko einer Staubexplosion. Vorbeugende und konstruktive Maßnahmen müssen ergriffen werden, um die Explosionsgefahr zu verringern. Eine systematische Risikobeurteilung bildet die Entscheidungsgrundlage dafür, ob und in welchem Umfang Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen. Die Beurteilung der Explosionsgefahr erfolgt in mehreren Schritten.
Schrittweise Beurteilung der Explosionsgefahr
Im ersten Schritt wird die Wahrscheinlichkeit des Auftretens explosionsfähiger Atmosphären sowie potentiell wirksamer Zündquellen überprüft. Der Risikobeurteilung dient die Klassifikation der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Explosion gemäß der VDI Richtlinie 2263:
A: Häufiger als einmal pro Jahr,
B: einmal pro Jahr,
C: einmal in fünf Jahren,
D: einmal in 30 Jahren,
E: einmal in 100 Jahren,
F: einmal in 1000 Jahren.
Schritt zwei der Risiko- und Gefahrenanalyse klassifiziert die Auswirkungen einer Explosion gemäß Tabelle 1. Auf Basis der ersten beiden Schritte kann nun eine Matrix erstellt werden, um das Gefahrenpotential einzelner Anlagenelemente darzustellen: Sie trägt die Eintrittswahrscheinlichkeit gegen die Schadensschwere auf (Tabelle 2). Die so ermittelten Kennzahlen geben an, ob und in welchem Maße eine Anlage bzw. ein Anlagenteil geschützt werden muss. Grün hinterlegte Felder zeigen: es sind keine Schutzmaßnahmen erforderlich. Rot hinterlegte Felder signalisieren: Schutzmaßnahmen sind dringend erforderlich! Je höher die Bewertung (Zahl), desto umfangreicherer Schutz ist notwendig.
Exkurs: Wie entstehen Explosionen?
Die Grundlage einer Explosion bildet das Vorhandensein von Luftsauerstoff, einer Zündquelle, sowie eines brennbaren Stoffes. Hinzu kommt bei Staubexplosionen die Staubverteilung. Nicht jedes Staub-Luft Gemisch ist explosionsfähig. Entscheidend ist das Mischungsverhältnis. Für jeden gängigen Staub wurden sogenannte Explosionsgrenzen ermittelt, innerhalb derer das Mischungsverhältnis explosionsfähig ist. Die untere Explosionsgrenze definiert die benötigte Mindestkonzentration, um eine explosionsfähige Atmosphäre zu schaffen. Die obere Explosionsgrenze gibt an, ab wann das Gemisch zu fett ist und keine explosionsfähige Atmosphäre mehr gegeben ist.
Zusätzlich bedarf es einer wirksamen Zündquelle: „Eine wirksame Zündquelle ist eine Zündquelle, die in der zu betrachtenden explosionsfähigen Atmosphäre eine Entzündung auslösen kann.“ [TRBS 2152 Teil 3, „Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre – Vermeidung der Entzündung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre“ Seite 2]. Häufig auftretende Zündquellen sind heiße Oberflächen, elektrische Funken oder Glimmnester, die im Prozess entstehen.
Maßnahmen des Explosionsschutzes
In Abhängigkeit zu den Ergebnissen der Gefährdungs- und Risikoanalyse müssen probate Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Diese werden in vorbeugende und konstruktive Maßnahmen unterschieden.
Der vorbeugende Explosionsschutz beschäftigt sich ausschließlich mit präventiven Maßnahmen zur Vermeidung einer explosionsfähigen Atmosphäre und reduziert so die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Explosion. Dabei gilt es, brennbare Stoffe wann immer es möglich ist durch solche zu ersetzen, die keine explosionsfähigen Gemische bilden können. Außerdem kann durch Überlagerung des Stoff-Luftgemischs mit Schutzgasen, auch als Inertgase bezeichnet, der Luftsauerstoffgehalt so weit gesenkt werden, dass keine Explosion stattfinden kann. Der vorbeugende Explosionsschutz konzentriert sich außerdem auf Vermeidung wirksamer Zündquellen. Dies beinhaltet z. B. die Verwendung geeigneter Betriebsmittel, den Schutz des Produktstroms vor Verunreinigungen sowie die Erdungsüberwachung zur Verhinderung elektrostatischer Entladungen.
Der konstruktive Explosionsschutz befasst sich mit der Reduzierung der Auswirkungen einer Explosion auf ein erträgliches Maß, er reduziert also die Schadensschwere. Konstruktive Schutzmaßnahmen sind die konventionelle Druckentlastung durch Berstscheiben, flammenlose Druckentlastung, explosionstechnische Entkopplung und die Explosionsunterdrückung. Dieser Bereich des Explosionsschutzes ist in nahezu allen Anlagen notwendig, denn:
- die absolute und vollständige Vermeidung wirksamer Zündquelle ist prozessbedingt fast nie realisierbar;
- Inertisierung ist meist zu kostenintensiv und/oder prozessbedingt nicht möglich. Weitere Maßnahmen des primären Explosionsschutzes helfen zwar partiell, können das Explosionsrisiko aber meist nicht vollständig eliminieren.
Aufgrund der hohen Relevanz des konstruktiven Explosionsschutzes werden die gängigsten Schutzkonzepte im Folgenden kurz dargestellt:
Konventionelle Druckentlastung durch Berstscheiben
Bei Anlagen außerhalb von Gebäuden oder Anlagenteilen an einer Außenwand werden häufig Berstscheiben zur Explosionsdruckentlastung verwendet. Geschützt werden z. B. im Außenbereich stehende Silos, Filter und Elevatoren. Im Fall einer Explosion schützt die Berstscheibe die entsprechende Anlage indem sie den Überdruck im Behälter durch ihr Öffnen verringert und die Explosion nach außen entlässt. Da kaum ein Prozess dem anderen gleicht, gibt es unterschiedliche Berstscheibentypen die sich in Form, Material, Temperatur- und Druck-/Vakuumbeständigkeit unterscheiden.
Auch hygienisch anspruchsvolle Prozesse in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie können heutzutage mit Berstscheiben gesichert werden. Die Berstscheibe EGV HYP eines deutschen Produzenten bestand mit großem Erfolg den EHEDG-Reinigbarkeitstest. Innerhalb dieses Tests wird die In-Place Reinigbarkeit von Anlagenbauteilen geprüft, um in der Praxis hygienisch einwandfreie Produkte zu erhalten.
Flammenlose Druckentlastung
Bei Anlagen innerhalb von Gebäuden sind Berstscheiben zur Druckentlastung nicht geeignet, da kein ausreichend großer Sicherheitsbereich zum Entlasten der austretenden Stäube und Flammen vorhanden ist. Dies birgt ein enormes Sicherheitsrisiko für Personen und Anlagenteile. Häufig wird dieses Problem durch Abblasekanäle, auch Entlastungskanäle genannt, gelöst. Dabei wird die sich ausbreitende Explosion über Kanäle nach Außen geleitet. Diese Methode verhindert allerdings ein prozessoptimiertes Anlagendesign und ist meist sehr kostspielig, da mit zunehmender Entfernung der Explosion vom Explosionsherd der Druck zunimmt, dem der Kanal und die Anlage Stand halten müssen. Damit steigen die (Herstell-)kosten für den Abblasekanal.
Die flammenlose Druckentlastung stellt eine wirtschaftliche und effektive Alternative dar. Verschiedene Hersteller verwenden unterschiedliche Technologien, um eine flammenlose Druckentlastung sicherzustellen. Eine Technologie sehen wir uns genauer an: Das in Q-Box und Q-Rohr eingesetzte Spezial-Mesch-Gewebe kühlt Flammen effizient ab, sodass weder Flammen noch Druck austreten. Die für eine Explosion typische Druckerhöhung und Lärmbelästigung im Innenraum wird auf ein kaum wahrnehmbares Minimum reduziert, sodass der Schutz von Mensch und Maschine gewährleistet ist.
Neben dem Spezial-Edelstahl-Mesch Filter bestehen Q-Rohr und Q-Box aus einer Berstscheibe mit integrierter Signalisierung, die das Prozessleitsystem über das Ansprechen der Berstscheibe informiert. Durch die Verwendung von Hygiene-Berstscheiben, auch Sanitärberstscheiben genannt, kann auch die flammenlose Druckentlastung in der Lebensmittelproduktion eingesetzt werden.
Explosionstechnische Entkopplung
In jeder Produktion sind einzelne Anlagenteil durch Rohrleitungen miteinander verbunden. Ziel der explosionstechnischen Entkopplung ist es, diese Rohrleitungen im Fall einer Explosion zu verschließen, um die Ausbreitung von Druck und Flammen zu verhindern und somit angrenzende Anlagenteile zu schützen. Dabei unterscheidet man zwischen aktiven und passiven Entkopplungssystemen.
Aktive Systeme nehmen über Sensoren oder Detektoren eine Explosion bereits in der Entstehungsphase war, indem sie den ansteigenden Druck oder sich bildende Flammen registrieren und das zugehörige Entkopplungsorgan, z.B. ein Quenchventil, aktivieren. Das Exkop-System als Beispiel für aktive Entkopplung ist mit einer speziellen Lebensmittel-Manschette erhältlich, die den Einsatz in verschiedensten Prozessen erlaubt.
Die passive Entkopplung reagiert rein mechanisch durch ihre bauliche Beschaffenheit auf die Ausbreitung von Druck oder Druckverlust. Letzteres gilt u.a. für Rückschlagklappen. Diese werden im Normalbetrieb durch die in der Rohrleitung vorhandenen Ströme offen gehalten. Bei einer Explosion verschließt sich die Klappe durch die sich ausbreitende Druckfront und ein weiteres Ausbreiten von Druck und Flammen wird wirkungsvoll verhindert.
Explosionsunterdrückung
Neben den bereits erwähnten Methoden zählt auch die Explosionsunterdrückung zum konstruktiven Explosionsschutz. Dabei wird die Explosion bereits in der Entstehungsphase eliminiert. Möglich machen dies Detektoren, die über Sensoren Funken oder Flammen erkennen, und das sofortige Öffnen der ebenfalls an der Anlage installierten Löschmittelbehälter auslösen. Diese bringen binnen Millisekunden hochwirksames Löschmittel ein und ersticken somit die Explosion bereits im Keim. Bei Bedarf kann ein System zur Explosionsunterdrückung auch zur explosionstechnischen Entkopplung verwenden werden.