Faktoren für die Nachhaltigkeit innovativer Batteriespeichersysteme
Moderne Lithium-Ionen-Batteriezellen elektrifizieren den Alltag. Doch wie ist es um die Nachhaltigkeit der Technologie selbst bestellt? Eine grüne Batterie ist mehr als nur der Materialmix. Sie ist vielmehr das Ergebnis aus dem Zusammenspiel der verwendeten Materialien und der Effizienz zugehöriger Herstellungsprozesse. Auch ist es eine Frage von Zelldesign und -chemie, die zum jeweils spezifischen Anforderungsprofil passen müssen.
Der Anspruch an moderne Batteriezellen ist groß: Die Lithium-Ionen-Technologie ist die Kraftquelle der Energiewende. Aus zahlreichen Anwendungen ist sie schon heute nicht mehr wegzudenken. Ob auf der Straße, auf dem Wasser oder künftig auch vermehrt in der Luft – das komplexe Zusammenspiel von Kathoden, Anoden und weiteren Komponenten ermöglicht neue Formen der Mobilität. Auch in der Industrie und in der Medizin ist die Lithium-Ionen-Technologie Wegebereiter eines ökologischen Wandels.
Angesichts dessen rückt jedoch auch die Nachhaltigkeit der Batteriezelle selbst zunehmend in den Fokus. Fest steht: Die grüne Batterie ist weitaus mehr als ein intelligenter Mix aus besonders nachhaltigen Materialien. Vielmehr bedeutet Nachhaltigkeit in der Batterieentwicklung und -herstellung, dass die Zelle zu ihrem jeweiligen Anwendungsfall passen muss. Der Einsatz nachhaltiger Materialien und eine dazu effiziente Prozesstechnik sind weitere wesentliche Faktoren in dem Zusammenspiel, das eine grüne Batterie ausmacht.
Eine Frage des Anwendungsfalles
Dass die anwendungsspezifische Gestaltung der Batteriezellen nun so eine große Rolle spielt, wird beim Blick auf konkrete Anwendungsbeispiele verständlich. Die Batteriezelle für eine Unterwasserdrohne, also ein Autonomous Underwater Vehicle (UAV), muss tiefe Temperaturen und einen hohen Druck aushalten können. Obendrein muss sie eine möglichst hohe Energiedichte aufweisen, um den oftmals begrenzten Platzverhältnissen gerecht zu werden. Während das schnelle Aufladen im Straßen- oder Luftverkehr oft wichtig ist, spielt es hier seltener eine Rolle.
Nicht nur in der E-Mobilität gibt es individuelle Anforderungen an die Zellen, sondern auch im Bereich der sogenannten Power-Tools. Eine Batteriezelle, die nicht optimal zu ihren Anforderungen passt, schafft bspw. weniger Ladezyklen und strapaziert das Design. Das Ergebnis kann ein frühzeitiger Verschleiß sein, also eine verkürzte Lebensdauer. Das sollte bereits in der Entwicklung berücksichtigt werden und ist ein wichtiges Argument für den Einsatz anwendungsspezifischer Batteriezellen, da die „One Size Fits All“-Lösung dazu im Vergleich letztlich immer zulasten der Nachhaltigkeit gehen.
Der Lebensweg der verwendeten Materialien
Einen ähnlich differenzierten Blick braucht es bei den verwendeten Materialien. Auch hier ist es wichtig, bei der Frage der Nachhaltigkeit den Lebenszyklus ganzheitlich zu betrachten. Nur ein Blick auf die CO2-Emissionen bei Gewinnung und Weiterverarbeitung der jeweiligen Materialien greift zu kurz oder führt sogar in die Irre, wenn es um die Beurteilung der Gesamt-Öko-Bilanz einer Technologie geht. Abermals hilft der Blick in die Praxis. Lithium ist bspw. in Südamerikas großen Salzseen gebunden und wird über die Verdunstung unter Sonneneinstrahlung gewonnen. Die Alternative dazu ist der Abbau von Lithium im Erzbergbau.
Während die erste Variante im Verdacht steht, sich negativ auf die Wasserversorgung der Region auszuwirken, geht die zweite Variante mit einem deutlich höheren Energieverbrauch einher – und dadurch je nach Quelle der Energie auch mit höheren CO2-Emissionen. Bei anderen Materialien stellt sich hingegen die Frage, wie viel Feuchtigkeit sie während der Produktion von Batteriezellen vertragen können, ohne zu degradieren, und welcher energetische Aufwand notwendig ist, um diese Feuchtigkeit aus der Fertigung zu entfernen. Schließlich sind da noch die Möglichkeiten des Recyclings und Refurbishments im Sinne einer Nachnutzung der Zelle und ihrer Materialien.
Inzwischen spielt der Einsatz recycelter Materialien aufgrund zukünftiger regulatorischer Vorgaben eine zunehmend wichtige Rolle und die Preisentwicklung bei den Rohstoffen sorgt in dem Zusammenhang für eine zusätzliche Dynamik. Der Preis für das lange Zeit essenzielle Cobalt hat sich seit 2019 verdoppelt, jener für Lithium sogar versiebenfacht. Je höher die Preise steigen, desto attraktiver ist es, sich um Alternativen zu bemühen.
Mögliche Ansätze für das Recycling von Zellen und Zellmaterialien
Bereits heute sieht die EU feste Quoten für den Einsatz recycelter Materialien in Batterien vor. In Zukunft könnten diese Quoten weiter steigen. Entwickler und Hersteller nachhaltiger Batteriezellen stützen sich dabei auf den Einkauf der entsprechenden Materialien bei Zulieferern. Gleichwohl entscheidet auch das Design wesentlich, inwieweit die Materialien und Komponenten einer Batterie recyclebar sind. Der Ansatz „Design for Recycling“ gewinnt daher an Bedeutung – verbunden mit der Frage, welche Bauarten sich besonders gut recyceln lassen. Auf der Ebene der Materialien wiederum stellen sich Fragen wie jene nach dem Energieverbrauch des gewählten Kathodenaktivmaterials im Recycling.
Eng verwandt mit dem Recycling einzelner Zellmaterialien und -komponenten ist die Weiternutzung der gesamten Zelle über die Erstanwendung hinaus. In vielen besonders kritischen Anwendungsbereichen ist bspw. ein regelmäßiger Austausch von Batterien vorgeschrieben – unabhängig von der Frage, wie weit der Leistungsverlust der verbauten Zellen bis dahin fortgeschritten ist. Solche Second-Life-Ansätze in der Entwicklung von Batteriezellen mitzudenken, kann den Lebenszyklus einer Zelle deutlich verlängern.
Digitalisierung und Nachhaltigkeit gehen Hand in Hand
Parallel mit der Zelle gilt es auch, die jeweils effizienteste Prozesstechnik und Produktionsperipherie zu entwickeln, die sich später im industriellen Einsatz skalieren lassen. In diesem Feld gibt es eine Vielzahl von Stellschrauben, die von der Versorgung mit regenerativer Energie des jeweiligen Produktionsstandortes bis hin zur konkreten Prozessführung reichen. Materialien mit hohem Nickelanteil sind bspw. sehr feuchtigkeitsempfindlich, weshalb die Produktion unter trockenen Bedingungen stattfinden muss. Das gelingt unter anderem durch einen möglichst hohen Grad an Automatisierung. Sind weniger Beschäftigte aktiv an der Herstellung beteiligt, senkt das die Feuchtigkeit im Produktionsprozess und damit den notwendigen Einsatz von Energie für den Betrieb der Trockenräume. Bereits in der Entwicklung der Zelle sind solche Aspekte zu berücksichtigen, da sie durch die Skalierung in der späteren Produktion zu einem besonders großen Hebel für die Gesamt-Öko-Bilanz werden.
Innovative Technologien wie Process Mining in Kombination mit künstlicher Intelligenz helfen ebenfalls dabei, die Effizienz hier fortwährend zu steigern. Indem bspw. Produktionssysteme in die Lage versetzt werden, eigenständig zu erkennen, welche Prozessparameter die besten Resultate hervorbringen, lässt sich die Qualität einer Produktion kontinuierlich verbessern. Das erhöht einerseits den Throughput und verringert andererseits den Ausschuss. Wie groß die Bedeutung der Prozessoptimierung für die Nachhaltigkeit der Batteriezellen ist, wird besonders deutlich beim Blick auf den durchschnittlichen First-Time-Yield, der bisweilen mit 15 bis 16 % beziffert wird und die Zeit bestimmt, der das Verhältnis der im ersten Produktionsdurchlauf fehlerfrei hergestellten Güter zur Gesamtmenge beschreibt.
Ohnehin ist es möglich, durch das kontinuierliche Erfassen und Auswerten von Daten entlang der gesamten Wertschöpfungskette nicht nur die Produktionsprozesse fortwährend anzupassen, sondern auch das Design und die Chemie der Zelle weiterzuentwickeln. Schließlich muss sich die Nachhaltigkeit einer Zelle immer als Teil eines Gesamtsystems beweisen. Echtzeitdaten zum aktiven Zelleinsatz sind daher unerlässlich, um das nächste Kapitel bei der Entwicklung grüner Batteriezellentechnologie aufzuschlagen.
Autor: Jan Diekmann, Director Technology & Operations, Customcells