Olivenöl erfreut sich immer größerer Beliebtheit und genießt den Ruf, besonders gesund zu sein. Italien kommt vielen als erstes in den Sinn, wenn es um hochwertiges, naturbelassenes und authentisches Olivenöl geht. Tatsächlich ist aber nicht immer das drin, was auf dem Etikett steht. Der Preisunterschied zwischen Olivenöl der höchsten Qualitätsstufe „nativ extra“ und niedrigeren Qualitäten ist enorm und der Anreiz für Verfälscher, billiges Öl als „nativ extra“ zu verkaufen, entsprechend hoch. Intransparente Lieferketten und fehlende Kontrollen bieten Gelegenheiten zum Betrug mit unkalkulierbaren Risiken für Lebensmittelqualität und Lebensmittelsicherheit.
Dies wurde erst kürzlich wieder im Rahmen der nunmehr neunten
Operation Opson bestätigt. Der Fokus lag in diesem Jahr in Deutschland und weiteren zehn europäischen Staaten auf der Verfälschung von Olivenöl. Koordiniert wurde die Schwerpunktaktion von den griechischen Behörden. Bei 23 % der für Deutschland untersuchten Proben konnten Abweichungen festgestellt werden, bspw. der Einsatz von Lampantöl in der Qualitätsstufe „nativ extra“. Insgesamt wurden 149 t Öl beschlagnahmt, davon 88 t Olivenöl.
Auch die vergangenen Jahre haben bereits gezeigt, dass im Bereich der Lebensmittelverfälschungen der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind. So wurden im letzten Jahr 150.000 l Öl entdeckt, welches als Olivenöl etikettiert, in dem aber kein Tropfen Olivenöl enthalten war. Stattdessen wurden Sonnenblumen- und Sojaöl unter Zusatz von Chlorophyll und Beta-Karotin eingesetzt. Noch simpler ist das Umetikettieren von Olivenöl minderer Qualität. Dabei wird ein Olivenöl einer günstigen Herkunft oder minderer Qualität verwendet und auf dem Etikett als „nativ extra“ aus Italien bezeichnet. Tatsächlich sind solche Verfälschungen für den Laien kaum feststellbar. Die Routineanalytik hatte in diesem Bereich bisher bestenfalls eingeschränkte Möglichkeiten.
Mit der Einführung einer richtungsweisenden Methode zur Herkunftsbestimmung von Olivenöl gelang es dem Tentamus Center for Food Fraud (TCF²) und QSI in Bremen, diesen Zustand maßgeblich zu verbessern. Die innovative Methode basiert auf der Messung des chemischen Profils von Olivenöl (Fingerabdruck) mittels NMR-Technologie. „Durch den Vergleich mit Referenzprofilen ist es möglich, sowohl die Herkunft einer Olivenölprobe, wie sie z. B. auf dem Etikett genannt ist, zu bestätigen oder auch zu widerlegen als auch den Zusatz von Fremdölen nachzuweisen“, erklärt Arne Dübecke, Leiter des TCF². Der Vergleich findet dabei nicht nur durch das Nebeneinanderlegen zweier Profile statt. Vielmehr wird eine umfassende statistische Auswertung vorgenommen, wofür zum Vergleich hunderte Referenzproben herangezogen werden.
Der Knackpunkt bei datenbankbasierten Methoden liegt in der Beschaffung authentischer Vergleichsproben. Natürlich ist der bloße Einkauf von Ölen in verschiedenen Supermärkten nicht zielführend, da diese bereits verfälscht sein können, denn für die Datenbank werden authentische Öle benötigt. Durch die Zusammenarbeit mit Tentamus Partnerlaboren in Griechenland, Italien und Spanien gelang es dem TCF² hunderte Proben, die bereits durch weitere Analytik charakterisiert waren, für den Datenbankaufbau zu sammeln. Weitere Proben aus Marokko und Portugal wurden vor Ort in den Erzeugerländern akquiriert.
Was bringt uns jetzt das NMR-Profil bzw. -Fingerabdruck? Der Fingerabdruck macht eine Vielzahl der im Olivenöl enthaltenen Substanzen sichtbar. Je mehr von einer Substanz enthalten ist, umso höher ist deren Signal. Der große Vorteil dieser Methode besteht darin, nicht bei jedem Signal wissen zu müssen, welche Substanz dieses verursacht. Dadurch, dass die Methode auf einer Datenbank von authentischen Olivenölen basiert, reicht es völlig aus, den üblichen Bereich der Signalstärke in authentischen Proben zu kennen. Befindet sich ein Signal außerhalb des „authentischen Bereichs“ ist dies ein deutlicher Hinweis auf eine Verfälschung.
In Abbildung 1 sind die Fingerabdrücke drei verschiedener Verfälschungen von Olivenöl als schwarze Linie dargestellt. Dahinter sind in verschiedenen Farben die Daten aus der Datenbank bestehend aus authentischen Olivenölen zu sehen. Ein authentisches Öl sollte sich möglichst nah am roten Band befinden. Signale in der Probe, die außerhalb der Datenbank liegen und auf eine Verfälschung hinweisen, sind in roter Farbe hervorgehoben. In der Abbildung ist bei allen drei Verfälschungen zu erkennen, dass einige Signale deutlich den Bereich der Datenbank verlassen. Dies bedeutet, dass kein einziges der mehreren hundert authentischen Olivenöle in der Datenbank an dieser Stelle derart hohe Signale zeigt. Die Signale müssen aber nicht zwangsläufig immer höher als in der Datenbank sein, auch zu niedrige Signale sind möglich und ebenfalls ein Hinweis auf eine Verfälschung.
Die statistische Auswertung mittels linearer Diskriminanzanalyse (LDA) der verschiedenen Herkünfte ist in Abbildung 2 dargestellt. Es ist deutlich erkennbar, dass eine Trennung der Herkünfte möglich ist. „Derzeit funktioniert das für die Länder Italien, Spanien, Griechenland, Portugal und Marokko bzw. für die Fremdöle Rapsöl, Sonnenblumenöl sowie Sojaöl. Natürlich wird die Datenbank kontinuierlich erweitert, so dass zukünftig auch Modelle für weitere Herkünfte und Fremdöle zur Verfügung stehen werden“, stellt Dr. Ralf Kather von QSI in Bremen in Aussicht. Ferner ist es möglich, verschiedene Qualitätsstufen zu unterscheiden, wie in Abbildung 3 dargestellt. Die betrachteten Qualitätsstufen „lampant“, „nativ“ sowie „nativ extra“ lassen sich voneinander unterscheiden, wie an der deutlichen Gruppierung der Proben nach der linearen Diskriminanzanalyse (LDA) zu erkennen ist.
Es wird immer wichtiger für Unternehmen, sich vor gefälschten Produkten zu schützen. Viele Standardgeber, wie z. B. IFS, fordern eine intensive Betrachtung des Themas Food Fraud sowie der Etablierung von Schutzmaßnahmen. „Unsere neue Methode stellt eine wertvolle Ergänzung der bisherigen Möglichkeiten dar, Olivenöl hinsichtlich Verfälschung routinemäßig zu überprüfen und leistet somit einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Unternehmen vor Food Fraud“, ergänzt Arne Dübecke.
Natürlich stellt dies noch nicht das Ende der Fahnenstange dar. Die Methode wird zukünftig um weitere Herkünfte erweitert werden. Ferner wird die Erkennung weiterer Fremdöle ermöglicht und die Unterscheidung der Verschiedenen Qualitätsstufungen weiter verfeinert. Da eine Vielzahl verschiedener Produkte von Food Fraud betroffen sein kann, befasst sich das TCF² nicht nur mit Olivenöl. Es hält auch für diverse weitere Produkte Analytik zum Nachweis der
Authentizität bzw. von Verfälschungen bereit und bietet auch Beratung hinsichtlich Schwachstellenanalyse/VACCP an.