Inbetriebnahme einer Beumer-Verpackungsanlage aus 4.000 km Entfernung
Flexibel reagiert: Als eine geplante Inbetriebnahme vor Ort auf Grund der Reisebeschränkungen durch die Coronapandemie nicht durchgeführt werden konnte, stellte die Beumer Group die Weichen auf Remote-Commissioning – die Inbetriebnahme aus der Ferne. Das Pilotprojekt mit einer Verpackungslinie lief erfolgreich und bewahrte den Kunden vor möglichen Lieferengpässen und Marktverlusten.
Kunden bei Störungen oder Stillständen bestehender Anlagen zu helfen, ist heutzutage auch aus der Ferne kein Problem. Vor einer völlig neuen Situation stand der Systemanbieter Beumer als eine geplante Inbetriebnahme mit der Entsendung von Servicepersonal vor Ort auf Grund der Reisebeschränkungen durch die Coronapandemie nicht durchgeführt werden konnte.
Das Unternehmen reagierte flexibel und stellte die Weichen auf Remote-Commissioning – die Inbetriebnahme aus der Ferne.
„Der Trigger war klar die Pandemie“, erläutert Peter Teichrib. Er ist Fachbereichsleiter im Engineering bei der Beumer Group. Jedoch sei dieses nicht das einzige Szenario, das den neuen Service, die Inbetriebnahme aus der Ferne, erforderlich mache. Alles, was den persönlichen Zugang zu Anlagen und Anwendern erschwert oder unmöglich macht verlangt nach neuen Lösungen.
Als konkretes Beispiel nennt Teichrib die Verpackungslinie des Zementherstellers Norm LLC in Aserbaidschan, die bereits vor Ort nahezu fertig montiert war. Diese Anlage besteht aus zwei Sacktransportlinien, einem Lagenpalettierer Beumer Paletpac 5000 sowie der Verpackungsmaschine Beumer Stretch hood A. „Alle Komponenten standen bereits komplett.
Lediglich einige Elektroinstallationen und die Inbetriebnahme mussten noch umgesetzt werden, als unsere Fachleute das Land aufgrund der weltweiten Reisewarnung verlassen mussten.“ Für den Auftraggeber eine heikle Situation: Er hat die Kapazität der beiden Verpackungslinien bereits eingeplant. Läuft die Anlage nicht an, drohen ihm Lieferengpässe und Verluste von Marktanteilen.
Probelauf erforderlich
Der Systemanbieter entschied sich, eine Ferninbetriebnahme als Pilotprojekt zu starten. „Die Voraussetzungen waren in diesem Fall außerordentlich gut, was sicher keine Selbstverständlichkeit ist“, betont Teichrib. Denn generell müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein, damit das Projekt „Remote Commissioning“ überhaupt in Betracht gezogen werden kann. Bereits im Vorfeld muss die Anlage vorab inhouse getestet werden. „Bei dieser Anlage hatten wir in der Tat eine erweiterte Hausinbetriebnahme durchgeführt, da der Beumer Paletpac 5000 erstmals mit der neuen Steuerung S7-1500 PLC lief“, sagt der Fachbereichsleiter. „Wir wollten sichergehen, dass später alles einwandfrei funktioniert. Letztlich machte dieser Umstand das Remote-Commissioning erst möglich.“
Know-how trifft auf Technik
Eine weitere Voraussetzung für eine erfolgreiche Ferninbetriebnahme (remote commissioning) ist, dass der Anwender auf qualifiziertes Wartungs- und Betriebspersonal zurückgreifen kann, das vorzugsweise bereits mit Beumer-Systemen vertraut ist. Hardwareseitig liefern mehrere IP-Kameras den notwendigen Überblick über die komplette Anlage, während die Beumer Smart Glasses, eine speziell hierfür entwickelte Datenbrille, die Beumer-Experten audio-visuell direkt mit dem Anwender vor Ort verbinden. „Hierfür muss natürlich eine Breitband-Internetanbindung vorhanden sein“, wirft Teichrib ein. Über die Datenbrille gelingt der Detailblick: Der Support sieht das gleiche wie der Träger vor Ort und kann die richtigen Handgriffe direkt vorgeben. So führt er den Anwender Schritt für Schritt durch die Inbetriebnahme.
Die Kameras und die Smart Glasses sind Bestandteil des Plug-and-Play-Sets für die Ferninbetriebnahme. Zu diesem gehören außerdem ein WiFi-Router für die Smart Glasses und ein VPN-Client, der auf einem mGuard-Router installiert ist.
Die IP-Kameras müssen via LAN-Kabel angeschlossen sein, um eine ausreichende Bildqualität und stabile Übertragung sicherzustellen. „Wir haben die Hard- und Software-Komponenten erst einmal hier vor Ort aufgebaut und die Konfiguration getestet. Anschließend schickten wir das komplette Paket an Norm LLC“, erzählt Teichrib. Dieses Vorgehen hat sich bewährt und ist auch für kommende Remote-Commissioning-Projekte vorgesehen.
Den Überblick behalten
Für dieses Projekt hat die Beumer Group kurzfristig ein separates Backoffice aufgebaut: Über vier Monitore und einen Laptop hatten die Service-Mitarbeiter die Bilder der IP-Kameras, das Blickfeld der Smart Glasses sowie die über den VPN-Client gesendeten Daten der Anlage immer im Blick.
„Breitband-Internet, Technik und Know-how – bei Norm LLC trafen wir auf ideale Rahmenbedingungen, die wir optimal genutzt haben“, resümiert der Fachbereichsleiter. „Innerhalb kürzester Zeit konnten wir ein Konzept erarbeiten, das uns sicher und verlässlich durch zukünftige Remote-Commissioning-Projekte führen wird. Durch standardisierte Prozesse eliminieren wir Fehlerquellen und können unseren Kunden einen zuverlässigen Service anbieten – schnell und flexibel.“
Die Remote-Inbetriebnahme der Verpackungslinie bei Norm LLC hat gezeigt, dass bei adäquaten Rahmenbedingungen wie gut ausgebildetes Wartungspersonal und technisch hochwertige IT-Ausstattung neue Wege beschritten werden können.
Autorin: Regina Schnathmann, Director Marketing, Beumer