In Kassel haben Ingenieure und Unternehmen den Impuls der jungen Bewegung „Fridays for Future“ aufgenommen und formieren sich zur Initiative „Engineers for 2 Degree-Target“. Der Anstoß hierzu ging von Peter Otto aus. Er selbst ist Vater von drei Kindern, Unternehmer und praktizierender Ingenieur. Seit den „1. Kasseler Energiemanagertagen 2019“ am 18. und 19. September 2019, zu denen Otto eingeladen hatte, schlossen sich bereits über 40 Unterstützer und Initiatoren in der Initiative zusammen. Die Initiative stellt sich seither der Öffentlichkeit und möchte eine Plattform für Ingenieure und Techniker sein, die mit ihren Ideen zum Gelingen des Klimaziels beitragen.
Peter Otto hatte Experten aus ganz Deutschland zu den „Kasseler Energiemanagertagen 2019“ geladen. Zu deren Beginn appellierte der Arzt Dr. med. von Hirschhausen in einer Videobotschaft an die Kongressteilnehmer in Kassel, sich als Ingenieure der „For Future“-Bewegung anzuschließen. „Wir danken Herrn Dr. von Hirschhausen für diesen Appell. Wir nehmen ihn auf und formulieren ihn weiter, indem wir in unserem Namen Ziele setzen und die Handlungsstränge nennen, wie wir unseren Beitrag zum
Klimaziel leisten wollen: Ziel ist es, durch moderne und effizientere Technik sowohl in der Erzeugung, als auch im Umgang mit Energie den Ressourcenverbrauch zu mindern“, erläuterte Peter Otto seinen Entschluss, die Initiative zu gründen. Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ehrenpräsident des Club of Rome, hat diese Botschaft an die Initiative übermittelt: „Der Klimawandel ist ernst. Als Scientist for Future unterstütze ich die Fridays for Future Bewegung. Besonders freut es mich, wenn Ingenieure auftreten und praktikable Lösungen vorstellen!“
2.700 Terrawattstunden
„Wir können den deutschen Beitrag zum Klimaziel, den Temperaturanstieg auf 2 °C zu begrenzen, bis 2035 erreichen. Dazu werden der Einsatz von nachhaltiger Energie einen großen und die Steigerung der Energieeffizienz einen noch größeren Beitrag leisten. Wir werden 1.000 Terrawattstunden im Jahr durch den effizienteren Einsatz von Energie einsparen und 700 Terrawattstunden im Jahr CO
2-neutral aus nachhaltig nutzbaren Quellen gewinnen. Durch den Entfall von Wandlungsverlusten in den überflüssigen Gas- und Kohlekraftwerken werden wir weitere 1.000 Terrawattstunden sparen. Insgesamt wollen wir 2.700 Terrawattstunden im Jahr an klimaschädlich erzeugter Energie ersetzen“, sagt Mitinitiator Robert Weicht, der sich seit Jahren mit der Ressourceneffizienz-Steigerung in Unternehmen beschäftigt. Hauptamtlich leitet Weicht das Referat
Ressourceneffizienz beim Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz in Mainz. Die Deutschen verbrauchen derzeit in der Gesamtbilanz im Jahr 4.000 Terrawattstunden Energie in der Industrie, für Mobilität und in ihren privaten Haushalten.
Die Initiative „Engineers for 2 Degree-Target“ möchte nach den Worten ihrer Gründer Ingenieure und Unternehmen mit Institutionen, Politikern und Multiplikatoren zu einem Netzwerk verbinden, um die Ziele des Pariser Klimaschutzübereinkommens mit technischen Lösungen erreichbar zu machen.
„Wir wollen im Netzwerk zu besseren technischen Lösungen kommen und die Ingenieure besser in der Öffentlichkeit positionieren“
„Das Netzwerk ist sich bewusst, dass Technologie und Fortschritt die Klimaprobleme erzeugt haben. Technologischer Fortschritt führt aber auch zur Lösung der Probleme, die auf uns alle global mehr und mehr zukommen. Das Netzwerk sieht großes Potenzial in einer globalen Zusammenarbeit derer, die technische Lösungen entwickeln, umsetzen und verbreiten, um die Klimaziele erreichbar zu machen“, heißt es im Gründungsdokument der Initiative, das auf der Website www.e42.world nachlesbar ist. e42 steht für Engineers for (4) 2 Degree-Target.
Die Initiative wirbt seit Ende September nun um Persönlichkeiten, die mit ihren Ideen zum Klima- und Ressourcenschutz durch kleine, aber konkrete Schritte beitragen können und wollen. Das Ziel ist es, etwa 100 Persönlichkeiten mit Ideen und Lösungen zu vernetzen, die für 100 % des Erreichens der Klimaziele stehen. Diese zu positionieren und in die breite Öffentlichkeit zu bringen, ist das vorrangige Ziel. Viele Techniken haben sich erst durchgesetzt, als die Erfinder damit auf „Road Show“ gingen und die Technologie damit der Öffentlichkeit bekannt machten.
Konkrete Schritte
Das Unternehmen Ritter Leichtmetallguss, mit Sitz im baden-württembergischen Weinstadt, ist seit 1957 als Komponentenhersteller im Bereich Aluminiumdruckguss tätig, unter anderem für die Automobilindustrie und zahlreiche andere Industriebereiche. Als Peter Otto darum gebeten wurde, Informationen zum Bestands-
Druckluftsystem zu erfassen, wurde neben der vollständigen Dokumentation und Begehung des Druckluftsystems auch die Wärmeversorgung mit betrachtet.
Mittels software-basierter Simulation (Simulyse) wurden zur Verbesserung der Anlagensystemeffizienz mögliche alternative Versorgungskonzepte entwickelt. Die ersten Simulationen bestätigten, dass Ritter einen erdgas-getriebenen Kompressor, in Form eines Druckluft-Wärmekraftwerks TGA240 als Grundlast Druckluftversorgung, nutzen konnte. In ersten Gesprächen zeigte sich, dass der Geschäftsführer von Ritter, Dr. Klaus Wacker, wirtschaftlich und ökologisch zukunftsorientiert plant und handelt. Zusammen mit der Städtische Werke AG aus Kassel konzipierte Otto für Ritter das Druckluftsystem als Contracting-Lösung. Die Städtischen Werke sind ein über 90 Jahre altes Energieunternehmen mit langjähriger Erfahrung auf dem Contracting-Markt.
Der Druckluftbedarf von Ritter liegt über 24 Stunden an fünf Tagen pro Woche zwischen 40 und 80 m³/min. Gemeinsam mit den Städtischen Werken wurde eine passende Lösung erarbeitet, bestehend aus dem erdgasbetriebenen DWKW TGA 240 mit einer Druckluftleistung von 37 m³/ min, einem elektrischen Kompressor mit variabler Liefermenge von bis zu 39 m³/min, sowie zwei weiteren elektrischen Kompressoren mit 40 m³/min als Grundlast bzw. Redundanz. Hier wurde ein hybrides Druckluftsystem implementiert – ein erdgasbetriebener Grundlastkompressor gekoppelt mit einem drehzahlvariablen elektrischen Kompressor.
Das Vertragsangebot wurde so konzipiert, dass der Kunde neben einem Grundbetrag für die Abschreibung der Anlagentechnik variabel für die tatsächlich verbrauchte Druckluftmenge zahlt. Die Druckluftkosten sind somit nicht länger intransparent und Einsparungen auf der Verbrauchsseite (bspw. durch Substitution und Leckagebeseitigung) kommt Ritter direkt zu Gute.
„Die Messung des Druckluftverbrauchs, die Berechnung, Überprüfung und Kontrolle des Druckluftpreises ist für viele Industrieunternehmen sonst wesentlich schwieriger. Vielmehr handelt es sich nun um monatliche transparente Kosten für das vierte Versorgungsmedium‘ nach Strom, Gas und Wasser“, so Peter Otto, betont an die Industrieunternehmen gerichtet.
Mit der brandneuen Druckluftstation auf neuestem Stand der Technik konnte die Firma Ritter ihre Druckluftkosten um 33 % senken. Parallel ein redundantes und leistungsstärkeres Versorgungskonzept etablieren, ohne in die notwendige Erneuerung der Anlagentechnik zu investieren. Das gesamte Druckluft- und Wärmerückgewinnungssystem wird rund um die Uhr durch ein Fernwartungssystem der Städtischen Werke und dem DWKW (Druckluft-Wärmekraftwerk)-Hersteller Rotonova überwacht. Dies entlastet das Instandhaltungspersonal, da außer einem täglichen Kontrollgang keine weiteren Arbeiten anfallen.
Gleichzeitig zu allen genannten Vorteilen spart die neue Druckluftstation gegenüber dem Altsystem im Jahr 576 t CO2 ein (Bezugsmonat Oktober 2019). Dies entspricht dem CO2-Austoß von 52 Bundesbürgern bzw. einer zukünftigen Steuerentlastung von jährlich 14.400 € für das eingesparte CO2 (bei 25 €/t CO2). Gegenüber dem Altbestand eine Gesamtverbesserung von 35 %.
Mit allen wirtschaftlichen Vorteilen für den Endkunden Ritter Leichtmetallguss und gleichzeitig der genannten ökologischen Entlastungen ist diese Druckluftversorgung zukunftsfähig, da wesentlich nachhaltiger. Mit der Einführung des neuen BAFA-Reglements für DWKW-Anlagen können bis zu 40 % aller Investition gefördert werden, unter der Voraussetzung, dass mindestens 50 % der durch die DWKW-Anlage zurückgewonnene Wärme über das Jahr genutzt werden können.
Mit der Umstellung auf die DWKW-Contracting-Lösung konnte die Firma Ritter Leichtmetallguss GmbH aus dem Vollen schöpfen, indem Sie die energieeffizienteste Druckluftlösung einsetzt und zeitgleich der Energiewende in Deutschland zu einer nachhaltigen Zukunft verhilft.
„Interdisziplinäre Zusammenarbeit stärken und Marktinnovationen schaffen“
„Durch solche interdisziplinäre Zusammenarbeit wie am Beispiel der Firma Ritter wollen wir mehr Marktinnovation schaffen. Schon heute zeigt sich, dass Unternehmen durch klimaschonende Produktionen, Leistungen und Produkte ihre Rendite steigern und sich so am Markt behaupten können“, sagt Mitinitiator Robert Weicht: „e42 ist das aktive Bekenntnis zu den Pariser-Klimazielen. Wir wollen zeigen, dass das 2-Grad-Ziel erreichbar ist, ohne dass wir technologisch ins Mittelalter zurückfallen.“ Das selbstverpflichtende Bekenntnis der Unternehmen zu den Zielen von e42 werde diese Unternehmen stärken und die Arbeitsplätze der Menschen sichern.
Moderne Technologien und zukunftsgewandte Managementstrukturen in den Unternehmen werden nach Überzeugung der „Engineers for 2 Degree-Target“ die Welt dem Klimaziel näherbringen. Die Initiative wolle positiven Einfluss auf Aus- und Weiterbildung sowie auf politische Entscheidungen nehmen.
Am 20. März 2020, ab 11:00 Uhr,
trifft sich die Initiative zur Kick-Off
Veranstaltung in der IHK Kassel
(Kurfürstenstraße 9, 34117 Kassel).