Nachhaltig Kosten sparen bei O-Ringen
Wer die Entwicklungen der Dichtungstechnik kennt, versteht warum ein u.U. sinkender Beschaffungspreis für O-Ringe nur ein untergeordneter Aspekt ist.
Es ist kein Zufall, dass Milliarden von O-Ringen, die jedes Jahr verbaut werden, problemlos funktionieren – und dass bei kontinuierlich sinkenden Beschaffungspreisen. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass der Schaden durch ausgefallene O-Ringe vermutlich die gesamten Beschaffungskosten bei Weitem übertrifft. Das heißt, dass viele Anwender noch lange nicht den für sie wirtschaftlichsten Umgang mit O-Ringen gefunden haben. Dabei haben sich die Randbedingungen für die Anwender erheblich verbessert. Eine globale Beschaffungswelt und der Fortschritt der Technik in der Prüf- und Fertigungstechnologie haben für erheblich günstigere Herstellungskosten bei O-Ringen gesorgt – bei mehr Sicherheit. Darüber hinaus stehen leistungsfähigere Werkstoffe zur Verfügung. Jetzt gilt es für den Anwender, sich dies auch tatsächlich zunutze zu machen und sich nicht allein dem Diktat der niedrigsten Beschaffungskosten unterzuordnen.
Lernen aus der Schadensanalyse
Noch vor 20 bis 30 Jahren war die Schadensanalyse von Dichtungen hauptsächlich ein Thema für Hydraulikdichtungen. Inzwischen ist sie auch in allen anderen Gebieten der Dichtungstechnik ein wichtiges Werkzeug zum besseren Verstehen von Dichtungssystemen und zum nachhaltigen Abstellen von möglichen Schadensursachen geworden. Sehr hilfreich ist ein praxisorientierter Ansatz auf wissenschaftlicher Grundlage. Mithilfe moderner Digital-Mikroskope und – wo nötig – weiterer Analysemethoden (REM-EDX, GC-MS, IR-Spektroskopie, DSC und TGA) lassen sich in den meisten Fällen schnelle und treffsichere Lösungen finden. Fließen Informationen aus Schadensfällen im eigenen Haus, aber auch aus Schulungen und Fachliteratur, in Neuprojekte ein, lassen sich kostengünstige – weil nachhaltige – Lösungen finden. Seit seiner Gründung sind im O-Ring Prüflabor bisher ca. 1.500 Schadensanalysen an O-Ringen durchgeführt worden.
Mehr Sicherheit durch modernes Prüfen
Prüfmethoden wie Härte, Dichte, Zugversuch und Alterungen werden noch in den nächsten Jahrzehnten der Kern der Gummiprüfung sein. Sie können aber durch entsprechendes Fachwissen heutzutage besser genutzt und gedeutet werden. Darüber hinaus stehen inzwischen hochleistungsfähige Analyseverfahren (TGA, DSC, FTIR, GC-MS) zur Verfügung, die insbesondere in der komplexen Welt der Gummirezepturen für mehr Transparenz sorgen können. Für die zunehmende Anzahl an Mikro-Bauteilen erschließen sich, z. B. mit dem LNP-Messgerät, neue Welten an Prüfmöglichkeiten auch für kleinste O-Ringe. Ergebnisse von akkreditierten Laboren sind nicht nur belastbarer, sondern werden auch als unabhängiger und kompetenter Nachweis der Sorgfaltspflicht von Versicherungen und Gerichten anerkannt und können damit Doppelprüfungen vermeiden. Kleinste O-Ringe können heute ebenso wie große vollautomatisiert auf Oberflächenfehler kontrolliert werden und reduzieren damit das Ausfallrisiko. Das sind nur ein paar Beispiele dafür, welche neuen Ansätze durch moderne Prüftechnik möglich sind.
Weniger Trial und Error durch Simulation
Stehen nun aussagekräftige und belastbare Materialkennwerte zur Verfügung, lassen sich heute immer treffgenauere FEA-Simulationen von O-Ring-Anwendungen durchführen. Insbesondere können Materialdaten, welche durch eine Multi-Frequenz-Analyse mittels DMA-Analyse gewonnen werden, die Viskoelastizität von Elastomeren über den kompletten Temperatureinsatzbereich abbilden. Damit lassen sich anwendungsabhängig Funktionsgrenzen bei tiefen Temperaturen simulieren, ebenso wie kritische dynamische Spaltänderungen.
Bessere Werkstoffe
In den letzten Jahren haben sich einige Werkstoffe als Alternative zu bisher verwendeten durchgesetzt, wie z. B. der Ersatz vieler NBR- durch HNBR-O-Ringe oder der vermehrte Einsatz peroxidisch vernetzter FKM mit verbesserter Tieftemperaturflexibilität im Vergleich zu bisphenolisch vernetzten. Bei EPDM-Werkstoffen für Kühlwasseranwendungen wurde die Hochtemperaturbeständigkeit verbessert. Bei FFKM-Werkstoffen hat man einen Durchbruch bei der Verbesserung der Kälteflexibilität erreicht, auch ist man bei dieser Werkstoffgruppe bei der Optimierung der Hochtemperatur- und Heißwasserbeständigkeit weitergekommen. Verfügbare FKM-Rezepturen wurden von der Dichtungsindustrie bezüglich ihrer Kompatibilität mit neuen synthetischen Kraftstoffen überprüft.
Bessere Spezifikationen
Seit April 2015 steht dem Anwender erstmals eine O-Ring-Norm zur Verfügung, die für alle wesentlichen Werkstoff-Familien wichtige Rezeptureigenschaften sowie O-Ring-Eigenschaften (u. a. Härte und Druckverformungsrest) definiert. Der Anwender kann damit herstellerunabhängig einen guten Stand der Technik absichern. Auch kann diese Norm Ausgangsbasis für eigene Hausnormen sein, ggf. um einige anwendungsspezifische Punkte ergänzt.
Besser produziert
Herstellungskosten lassen sich durch die Produktionsmethode (z. B. Spritzgießen statt Pressen), die Reduktion der Zykluszeit und den Produktionsstandort beeinflussen. Der technologische Vorsprung bei der O-Ring-Herstellung in Deutschland, Italien, Frankreich oder in anderen Industrieländern sollte auch in der Kostenbilanz nicht unterschätzt werden. Der deutlich höhere Qualitätsstandard bei der Produktion in diesen Ländern wird auf Dauer sicher auch zu deutlich geringeren Kosten in der Qualitätssicherung, verursacht durch Beanstandungen, Reklamationen und Produktionsausfälle, führen.
Weitere Fortschritte gibt es auch in der Automationstechnik bei der O-Ring-Montage. In Verbindung mit speziellen Beschichtungen können damit Ausfälle durch Fehlmontage weiter reduziert werden.
O-Ringe werden in der Gesamtbilanz „billiger“
Natürlich kostet ein Mehr an Technologie und Qualität auch Geld. Allerdings ist offensichtlich, dass sich die Gesamtkosten, die O-Ringe erzeugen, nur zu einem geringen Anteil aus der Beschaffung ergeben. Wenn man also nachhaltige Kostenbetrachtungen über O-Ringe anstellen möchte, muss man ganzheitlich alle von O-Ringen erzeugten Kosten betrachten und erfassen (Qualifikationsprüfungen, Beschaffungskosten, Prüfkosten, Montagekosten, Lagerkosten, Reklamationskosten usw.). Nicht quantifizierbare Kosten sind nicht erfolgte Aufträge wegen unzufriedener Kunden. O-Ringe werden also in der Gesamtbilanz „billiger“, wenn solche Kosten abnehmen, die durch sie erzeugt werden. Was keinesfalls bedeuten soll, eine Reduktion der Beschaffungskosten mit Augenmaß zu vernachlässigen.