25.07.2023 • PraxisberichteCITplusKraftstoffeKlärschlamm

Nachhaltige Kraftstoffe aus biogenen Reststoffen

Im Projekt To-Syn-Fuel wurde ein vom Fraunhofer Institut Umsicht entwickeltes Verfahren zur Herstellung von Kraftstoffen aus Biomassereststoffen im Demonstrationsmaßstab umgesetzt. Während der Laufzeit wurden aus 500 t Klärschlamm mehr als 50.000 L biogenes Rohöl gewonnen.

Übersicht des Großdemonstrators in Hohenburg. © Fraunhofer Umsicht
Übersicht des Großdemonstrators in Hohenburg. © Fraunhofer Umsicht

Erstmals konnte im großtechnischen Maßstab demonstriert werden, wie sich biogene Rest- und Abfallstoffe über einen erweiterten Pyrolyseprozess in thermisch stabile, flüssige Bioöle umwandeln lassen. Zum Abschluss des Projekts To-Syn-Fuel legte ein VW-Passat mit handelsüblicher Dieselmotorisierung mit dem hergestellten Kraftstoff mehr als 2.000 km durch Europa zurück.

Das TCR-Verfahren (Thermo-Katalytisches Reforming) und seine Produkte

Die Kerntechnologie, die im To-Syn-Fuel-Projekt zum Einsatz kam, ist das von Fraunhofer entwickelte TCR-Verfahren (Thermo-Katalytisches Reforming). Der Prozess basiert auf einer intermediären Pyrolyse und wird kombiniert mit einer nachgeschalteten katalytischen Reforming-Einheit. Der Pyrolyseschritt erfolgt bei Temperaturen von 400 bis 500 °C bei einer moderaten Heizrate von 200 bis 300 °C/min. Die Biomasse wird dabei in einem kontinuierlich arbeitenden Schneckenreaktor unter Sauerstoffabschluss schonend in Feststoffe (Karbonisat) und flüchtige Bestandteile zerlegt. Die Bildung von Teer und anderen Schadstoffen wird durch optimierte Prozessbedingungen in den verschiedenen Reaktorzonen vermieden. Im nachgeschalteten Reforming-Schritt wird das im Pyrolysereaktor entstandene Karbonisat bei Temperaturen von 500 bis 700 °C gezielt mit den Pyrolysedämpfen in Reaktion gebracht. Hauptziel des Reform­ing-Schrittes ist das Cracken der Dämpfe, um die Qualität und Ausbeuten der Pyrolyseprodukte zu verbessern sowie gezielt die Wasserstoffausbeute zu maximieren.  

 

Pyrolyse-Reaktor mit Post-Reformer. © Fraunhofer Umsicht
Pyrolyse-Reaktor mit Post-Reformer. © Fraunhofer Umsicht

Der reformierte Prozessdampf wird gereinigt und abgekühlt, sodass eine Öl-Wasser-Mischung auskondensiert. Das Wasser wird abgezogen und es verbleibt ein Bio-Rohöl, ähnlich einem fossilen Mineralöl mit hohem Heizwert sowie niedrigen Säurewerten (vergleichbar mit pflanzlichen Ölen). Das restliche, wasserstoffreiche Produktgas (bis 50 % Wasserstoffgehalt je nach Einsatzstoff und Reaktionsbedingungen) wird weiter aufgereinigt und kann für Synthesen genutzt werden. Es eignet sich auch für die energetische Nutzung auf einem BHKW oder als Energieträger für die Beheizung des Pyrolyseprozesses.  

Beim Karbonisat handelt es sich um einen stabilen Feststoff mit niedrigen Sauer- und Wasserstoffanteilen und hohem Kohlenstoffgehalt (je nach Einsatzstoff). Da das Karbonisat neben dem Kohlenstoff noch die mineralischen Komponenten des Einsatzstoffs beinhaltet, kann es in Böden eingebracht werden, sofern der Einsatzstoff nicht schadstoffbelastet ist. Der im Karbonisat enthaltene Kohlenstoff wird dann dauerhaft der Atmosphäre entzogen. Wird der Kohlenstoff auf diese Weise sequestriert, bekommen die Produkte, also das Öl und das Gas eine negative CO2-Bilanz. Im Falle einer solchen Kohlenstoffsequestrierung handelt es sich um einen so genannten „Bioenergy Carbon Capture and Storage BECCS“-Prozess. Je nach Einsatzstoff und Anwendungsszenario sind auch energetische Anwendungen der Kohlen möglich bspw. in einem Vergasungsprozess.  

Gas- bzw. Dampfstrecke © Fraunhofer Umsicht
Gas- bzw. Dampfstrecke © Fraunhofer Umsicht

Der Hydrierprozess

Im To-Syn-Fuel Projekt wurden die Öle aus dem TCR-Prozess im Rahmen einer technischen Machbarkeitsdemonstration direkt vor Ort über einen Hydrierprozess weiterverarbeitet. Für die Hydrierung wurde der im Synthesegas enthaltene Wasserstoff genutzt. Dieser wird über eine Druckwechseladsorption (Abb. 4) aus der Gasphase der TCR-Produkte gewonnen. Dafür wird das Produktgas aus dem TCR-Prozess zunächst durch einen Synthesegasverdichter auf bis zu 12 bar verdichtet. In der PSA wird der Wasserstoff von den anderen Spezies (CO, CO2, CH4, N2), dem so genannten Off-Gas, getrennt. Der Wasserstoff wird komprimiert und in einem Speicher gepuffert und steht so der Hydrierreaktion zur Verfügung. Das verbleibende Off-Gas kann in einem Blockheizkraftwerk energetisch genutzt werden.

 

 Fraunhofer

 

Die Hydrieranlage im To-Syn-Fuel Projekt ist auf einen Durchsatz von 30 L TCR-Öl pro Stunde ausgelegt. Die aus dem Prozess gewonnen hydrierten Öle erfüllen bei entsprechender Weiterverarbeitung die wichtigsten Normanforderungen für Benzin (EN 228) und Diesel (EN 590). Sie sind daher mischbar mit herkömmlichen Kraftstoffen und lassen sich ohne Motorumbauten bei gleicher Leistung einsetzen. Der CO2-Fußabdruck je gefahrenem Kilometer reduziert sich um über 85 %. Wird der feste Kohlenstoff, der im Herstellungsprozess anfällt, eingelagert, lassen sich bilanziell CO2-negative Kraftstoffe erzeugen. Die im Fraunhofer TCR-Verfahren hergestellten Öle können auch in konventionellen Raffinerieprozessen als Drop-In-Öle weiter- oder mitverarbeitet werden. So lässt sich neben Kraftstoffen das gesamte Produktspektrum einer Raffinerie erzeugen, z.B. Chemikalien und Zwischenprodukte für Kunststoffe mit einem reduzierten CO2-Fußabdruck.

 

Hydrieranlage © Fraunhofer Umsicht
Hydrieranlage © Fraunhofer Umsicht

Verschiedene Anwendungsfelder des Verfahrens

Die Fraunhofer-Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Herstellungskosten für den alternativen Kraftstoff je nach Größe der Produktionsanlage, der Art des Endprodukts und der Besteuerung mit denen fossiler Kraftstoffe vergleichbar sein könnten. Sie würden damit oberhalb von Ethanol und Biodiesel aus Energiepflanzen, aber unterhalb anderer alternativer Kraftstoffe bspw. aus Power-to-X Verfahren liegen. Im Gegensatz zu herkömmlichem Biodiesel stehen sie nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion.  

Neben Klärschlamm sind im TCR-Verfahren auch andere biogene Rest- und Abfallstoffe verwertbar. Das Team von Fraunhofer hat im Labormaßstab inzwischen über 70 Einsatzstoffe verprobt, z.B. Gärreste, Gülle, Bioabfälle oder Minderholz. Nach Berechnungen von Fraunhofer liegt das technische Potenzial solcher Rest- und Abfallstoffe allein in Deutschland bei mehreren Millionen Tonnen. Ein zusätzlicher Vorteil bei der dezentralen Verwertung von Abfällen: die Entsorgungskosten für die kommunalen Haushalte könnten gesenkt werden.

Flüssige Energieträger und Rohstoffe aus fossilen Quellen machen in Deutschland aktuell noch ca. 98 % der Antriebsenergie im Verkehr und 22 % der Heizenergie aus. 16 % des Mineralölaufkommens wird darüber hinaus in der Chemieindustrie verwendet. Einige Wirtschaftsbereiche werden auch in Zukunft auf flüssige Energieträger mit hoher Energiedichte bzw. hochwertige Kohlenwasserstoffe angewiesen sein, z.B. der Flugverkehr, die Schifffahrt oder die chemische Industrie. Kraftstoffe und Rohstoffe auf Basis von Biomasse und Reststoffen können für diese Anwendungen eine wichtige Ergänzungsfunktion einnehmen, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Vor allem dann, wenn sie aus biogenen Abfallstoffen hergestellt werden, so dass ihre Produktion nicht mit der Nahrungsmittelproduktion konkurriert und eine Teller-vs.-Tank-Diskussion vermieden wird.

Die EU Kommission strebt für den Zeitraum nach 2020 eine schrittweise Einstellung der Verwendung konventioneller Biokraftstoffe der ersten Generation („Biodiesel“) an und legt ein Mindestziel für fortgeschrittene Biokraftstoffe im Verkehr fest. Die Fraunhofer Forscher sehen als Anwendungsgebiet der TCR-Technologie vor allem Bereiche der Mobilität, die kurzfristig schwer elektrifizierbar sind. Hier könnten schnell Emissionen eingespart werden. Die Neufassung der EU Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) sieht zudem vor, dass der Mindestanteil an fortschrittlichen Bio-Kraftstoffen (d.h. zum Beispiel auf Basis von Abfall- und Reststoffen) von 0,1 % im Jahr 2021 auf 1,75 % im Jahr 2030 steigen soll.

Ausblick  

Die Forschung und Entwicklung zur TCR-Technologie soll weitergehen: aktuell beschäftigen sich die Forscher intensiv mit der Nutzung der Kohle, der Verbesserung der Wasserstoffausbeute und der Gewinnung von Ammoniak aus stickstoffreichen Einsatzstoffen. Die erste industrielle Anwendung der Technologie ist ebenfalls in Planung: Die Raffinerie Bayern­oil will die Fraunhofer-Technologie in größerem Maßstab umsetzen und beabsichtigt bis spätestens 2030 bis zu 400.000 t (100.000 t Trockensubstanz) Klärschlamm zu verarbeiten. Das wären rund 40 % des Klärschlamm­aufkommens in Bayern. Erzeugt werden daraus vorrangig nachhaltige Flugkraftstoffe. Das Projekt To-Syn-Fuel wurde im Rahmen eines EU-Vorhabens (11 europäische Partner) mit 12,5 Mio. EUR gefördert.

Autoren: Robert Daschner, Abteilungsleiter Energietechnik, Fraunhofer Umsicht, Institutsteil Sulzbach-­Rosenberg und Andreas Apfelbacher, Gruppenleiter Thermo­chemische Prozesse, ­Fraunhofer Umsicht, Institutsteil ­Sulzbach-Rosenberg

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