27.07.2023 • PraxisberichtePilzEdelweissRetrofit

Retrofit für Edelweiss in Kempten

Bei Anlagenmodernisierungen bietet Pilz Sicherheits-, Steuerungslösungen und ein Lösungspaket von der Risikoanalyse bis zur CE-Kennzeichnung und Konformitätserklärung.

Abb. 1: Die berührungslos codierten Sicherheitsschalter Psencode von Pilz...
Abb. 1: Die berührungslos codierten Sicherheitsschalter Psencode von Pilz dienen der Stellungsüberwachung und der einfachen Positionsüberwachung. Sie sind auch in Anwendungen mit hohen Reinigungsanforderungen nach IP67/IP6K9K einsetzbar. | © Pilz GmbH & Co. KG

Almwiese, Sennhütte und Kühe sind Bilder, die spontan vor dem geistigen Auge entstehen, denkt man an die Produktion von qualitativ hochwertigem Käse. Mag dieses Bild vereinzelt noch stimmen, so ist die Käseproduktion heute doch weitestgehend automatisiert. Damit die Qualität des produzierten Käses jedoch auch im industriellen Herstellungsverfahren gewährleistet ist, müssen Maschinen und Anlagen stets auf dem aktuellen Stand der Technik und auch der Sicherheit sein. Ein individuell angepasstes Sicherheitskonzept im Rahmen des Retrofit sorgt bei Edelweiss in Kempten seit 2010 dafür, dass nicht nur die Prozesse effizienter und sicherer sind, sondern letztendlich immer gleichbleibend hochwertiger Käse produziert wird.

Ein feiner Hauch von Käse liegt in der auf 20 °C klimatisierten Luft der Fabrikationshalle. Ein Mitarbeiter schiebt den Edelstahlcontainer mit jenen Zutaten, aus denen einmal Schmelzkäse werden soll, durch ein Sicherheits-Lichtgitter an den dafür vorgesehenen Platz neben der rund vier Meter hohen Mischeranlage. Nachdem er den potenziellen Gefährdungsbereich verlassen und per Bedienmonitor die Freigabe erteilt hat, transportiert eine Hubvorrichtung den Behälter in die Höhe und kippt den Inhalt in den geöffneten Mischbehälter.

Über eine absenk- und begehbare Bediener­bühne mit Sicherungsgeländer überprüft der Käsereimitarbeiter, ob der komplette Containerinhalt in den Mischer gelangt ist. Falls erforderlich, hilft er mit einem Schieber nach. Ein Druckluftzylinder schließt die Mischertrommel, der Transportcontainer fährt nach unten und die begehbare Brücke klappt nach oben. Nun starten die beiden seitlich angebrachten Motoren mit dem Mischvorgang und stellen die gewünschte Käsemasse her.

Das 1892 gegründete Unternehmen Edelweiss stellt am Stammsitz Kempten mit heute 430 Mitarbeitern verschiedene Käsearten, wie z. B. Frischkäse und Schmelzkäse, her. So bekannte Käseprodukte wie Milkana, Bresso oder Brunch gehören dazu. Seit 2003 zählt das Allgäuer Traditionsunternehmen zur französischen Savencia Fromage & Dairy-Gruppe (bis 2015 Bongrain-Gruppe). Weil man bei Edelweiss Prozesse und Produktqualität gleichermaßen optimieren wollte, hat das Unternehmen seine Mischanlagen zur Herstellung von Schmelzkäse seitdem grundlegend modernisiert.

Prozessoptimierung erfordert neues Sicherheitskonzept

Teile der bereits seit 1993 laufenden Mischanlagen wurden dann bereits auch 2010 mit Blick auf deren Prozessabläufe und Sicherheit technisch auf den aktuellen Stand gebracht. Es gab zwar keine eklatanten Sicherheitsmängel, doch war klar, dass einige potenzielle Gefährdungsbereiche einer Überprüfung nach EN ISO 13849 nicht standhalten würden. „Unser Ziel war damals, die Prozesse so zu verbessern, dass wir gegenüber unseren Kunden eine gleichbleibend hohe Produktqualität gewährleisten können. Dass damit auch ein neues Sicherheitskonzept fällig war, stand außer Frage“, schaut Werner Holderried, Projektingenieur bei Edelweiss, auf das Projekt zurück.

Sämtliche Leistungen aus einer Hand

Wenn, wie bei Edelweiss, in Unternehmen die Modernisierung oder der Ausbau bestehender Anlagen umgesetzt werden soll, steht stets auch die Maschinensicherheit auf dem Prüfstand. Sind die Maschinen bereits älteren Datums und die geplanten Veränderungen wesentlicher Natur, zieht dies ein CE-Konformitätsverfahren nach sich. Unternehmen stehen im Rahmen von Retrofit-Maßnahmen vor der Frage, was eine wesentliche Änderung ist, wie das Gefährdungspotenzial einer Maschine beurteilt werden muss und wie mit Normen und Richtlinien umgegangen werden muss.
Fragen, die Unternehmen in der Regel nicht selbst beantworten können. Bei Edelweiss setzte man deshalb frühzeitig auf einen kompetenten externen Partner. „Wir kennen Pilz als Experte für Sicherheit mit fundiertem Know-how in der Automatisierungsbranche. Darüber hinaus setzt sich Pilz seit langem mit den Normen auseinander und bietet hierzu entsprechende Dienstleistungen an. Pilz war für diese Aufgabe einfach der richtige Partner“, betont Werner Holderried.
Bei Um-, Ausbau oder bei der Modernisierung bestehender Anlagen bietet der Automatisierungsexperte Pilz aus Ostfildern neben integrierten Sicherheits-, Steuerungslösungen und der erforderlichen Hard- und Software ein komplettes Dienstleistungs- und Lösungspaket von der Risikoanalyse bis zur CE-Kennzeichnung und Konformitätserklärung. Die Leistungen sind modular aufgebaut und können einzeln oder gesamt beauftragt werden. Mit der Ausstellung der CE-Konformitätserklärung übernimmt Pilz am Ende die Gesamtverantwortung für die Sicherheit der Maschine.

Abb. 2: Die konfigurierbare Kompaktsteuerung Pnozmulti Mini von Pilz ist mit...
Abb. 2: Die konfigurierbare Kompaktsteuerung Pnozmulti Mini von Pilz ist mit nur 45 mm Baubreite deutlich schmal. Entwickelt wurde sie insbesondere für den Einsatz in Einzelmaschinen in allen Bereichen des Maschinenbaus. | © Pilz GmbH & Co. KG

Risikoanalyse schafft die Grundlagen

Am Anfang steht immer die zuverlässige und transparente Risikobeurteilung: „Gemeinsam mit unseren Kunden identifizieren wir zunächst die potenziellen Gefahrenstellen und schätzen die Risiken ein. Wir diskutieren, wie wir durch intelligente Technik und effiziente Sicherungsmaßnahmen Abhilfe schaffen können, entwickeln Maßnahmen und beraten bei der Auswahl der technischen Produkte“, erinnert sich Harald Elsässer, der im Customer Support von Pilz verantwortlich für den CE-Zertifizierungsprozess bei Edelweiss war, an das Vorgehen. Tatsächlich sind das Risikobeurteilungsverfahren und der Entwurf eines entsprechenden Sicherheitskonzeptes inklusive der Bestimmung von Performance-Levels für einzelne Gefährdungen und die Verifikation nach EN ISO 13849 ein durchaus komplexer Prozess.

Bei Edelweiss führte man die Risikoanalyse zunächst als Pilotprojekt beispielhaft an einer Anlage durch und übertrug das Konzept dann auf weitere Anlagen. Vor dem Umbau sicherten ein Zaun sowie eine Schranke den Hubbereich für den Container nicht hundertprozentig vor möglichen Gefahren. Die Risikoanalyse identifizierte auch die geöffnete Schüttung, die Auslassvorrichtung sowie den Trittsteg als Bereiche mit Handlungsbedarf. Heute sorgen ein etwa zwei Meter hoher Schutzzaun sowie die Sicherheits-Lichtgitter Psenopt für die Sicherheit rund um die Hubeinrichtung. Vibrationsunempfindliche und gegenüber Reinigungsflüssigkeiten berührungslos, codierte Sicherheitsschalter Psencode überwachen die korrekte Position des Trittstegs, die richtige Stellung der Schüttklappen sowie des Auslasses und des Abflussrohrs. Verletzungsgefahren sind damit weitestgehend ausgeschlossen.

Kompaktsteuerung überwacht Käseproduktion sicher

Sämtliche sicherheitsrelevante Funktionen, zu denen auch die an der Maschine und am Display angebrachten Not-Halt-Taster zählen, überwacht die konfigurierbare Kompaktsteuerung Pnozmulti Mini. Dieses lässt sich einheitlich und durchgängig mit dem Softwaretool Pnozmulti Configurator nutzen.
Das Softwaretool erleichtert Anwendern die Konfiguration der für ihre Applikation benötigten Funktionen. Auf der grafischen Bedienoberfläche stehen Eingangs-, Ausgangs- und Logikelemente entweder als Symbole oder in Auswahlmenüs zur Verfügung. Die benötigten Funktionen an der Maschine und das zu erreichende Sicherheitslevel sind Ausgangspunkt für die Konfiguration der Elemente. Alle Ein- und Ausgänge sind frei wählbar und lassen sich mittels „drag and drop“ durch logische Funktionen verknüpfen. Vordefinierte, abgenommene Funktionsblöcke und Menüs machen es dem Anwender denkbar einfach.

Da Sicherheitsfunktionen insbesondere bei Auslegung und Umsetzung ein profundes Fachwissen erfordern, erleichtern zertifizierte Sicherheitsbausteine in Hard- und Software die Abnahme von Maschinen enorm. Da für den Pnozmulti Configurator keinerlei Programmierkenntnisse erforderlich sind, entsteht kein Schulungsbedarf und damit kein Zeit- und Kostenaufwand.

Abb. 3: Anhand einer Risikobeurteilung werden die wesentlichen Risiken für das...
Abb. 3: Anhand einer Risikobeurteilung werden die wesentlichen Risiken für das Bedien- und Wartungspersonal identifiziert und bewertet sowie evtl. erforderliche Maßnahmen zur Risikoreduzierung bestimmt. | © Pilz GmbH & Co. KG

Retrofit für mehr Sicherheit und Effizienz

Bei der Auswahl relevanter Technik achtet Pilz insbesondere darauf, dass die eingesetzte Hardware die gestellte Aufgabe sicher und effizient erfüllt. Im Falle der Mischeranlagen übernahm der Käsehersteller den Entwurf des Schaltplans und den Umbau der Anlage selbst. Eingesetzt wurden dabei ausschließlich Sicherheitskomponenten von Pilz. Sicherheitstechnische Prüfungen sowie die Anlagendokumentation sind letzter Schritt, die die Grundlage für die Ausstellung der CE-Konformitätserklärung bilden. Mit der CE-Zertifizierung übernimmt Pilz die rechtliche Verantwortung für die Sicherheit und wird so zum Hersteller der Maschine.

Mit einem überschaubaren Aufwand an Zeit und Geld sind die Mischeranlagen heute noch prozess- und sicherheitstechnisch auf dem aktuellen Stand. „Es erwies sich als großer Vorteil, dass wir mit Pilz einen Partner hatten, der sämtliche Aspekte kennt, das erforderliche Know-how mitbringt und die entsprechenden Leistungen anbietet. Wir haben auch heute noch die Sicherheit, das Richtige mit dem richtigen Partner getan zu haben“, fasst Werner Holderried das gelungene Retrofit rückblickend zusammen.

Autor: Rainer Bräunlein,Technisches Büro München, Pilz

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