Verpacken und Kennzeichnen: Die Interpack 2017 zeigt Lösungen für die Süßwarenindustrie
Zwar steigt der Konsum von Süß- und Backwaren kontinuierlich, gleichzeitig aber auch die Ansprüche der Verbraucher.
Zwar steigt der Konsum von Süß- und Backwaren kontinuierlich, gleichzeitig aber auch die Ansprüche der Verbraucher. Sie wollen nicht nur geschmacklich verführt werden, sondern stellen auch immer höhere Anforderungen an die Verpackung: Sie muss Extravaganz und zusätzliche Funktionen bieten, soll aber auch mit ökologischer Weitsicht produziert sein. Das zwingt die Hersteller von Süßem und Backwaren zu Kreativität und Effizienz. Die gute Nachricht: Die Verpackungsproduzenten und Maschinenbauer können mit materialsparenden Verpackungslösungen und effizienteren Produktionslinien helfen.
„Snackertainment“
Was tut die Süßwaren-Industrie nicht alles, um Konsumenten von ihren Produkten zu überzeugen? Schokolade und mehr appetitlich zu verpacken und den Geschmack für das Produkt sprechen zu lassen, reicht mittlerweile nicht mehr aus. Um Konsumenten zu ködern, greifen Hersteller heute viel tiefer in Trickkiste: Zu den neuesten Trends zählen kurzweilige Videos und Spots rund um das Produkt, die sich Verbraucher während des Genusses anschauen können. Einer der Vorreiter des sogenannten „Snackertainments“, bei dem reale und digitale Welt verschmelzen, ist Lebensmittelriese Nestlé. Er hat im Rahmen einer Marketingkampagne mit dem Internet-Riesen Google die roten rechteckigen Verpackungen des Pausensnacks Kitkat mit QR-Codes bedrucken lassen, die direkt zum eigenen Youtube Channel „Youtube my Break“ führen. Dort werden die User abwechslungsreich unterhalten – und so auf geschickte Weise an das Produkt gebunden. Das Besondere an der Aktion: Das auffällige, markenstiftende Logo Kitkat auf der Mitte der Verpackung wurde für die Sonderedition entfernt, damit Youtube den zentralen Platz einnehmen konnte. Außerdem erhielt Googles Betriebssystem Android nach Cupcake, Donut, Eclair, Froyo, Gingerbread, Honeycomb, Ice Cream Sandwich und Jelly Bean mit Kitkat erstmals in der Geschichte einen Markennamen.
Verpackung als Markenbotschafterin
Dass Nestlé für dieses Privileg tief in die Tasche gegriffen hat, gilt in der Branche als offenes Geheimnis. Damit unterstreicht der Konzern, was Experten und Untersuchungen zuletzt immer wieder herausgestellt haben: Der Verpackung kommt als Markenbotschafterin heute elementare Bedeutung zu – gerade im Bereich der Süßwaren. „Die Produktvielfalt steigt, der Wettbewerb wird härter. Wer auf dem Süßwarenmarkt Erfolg haben will, muss sein Produkt gut präsentieren“, sagt Torben Erbrath vom Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI).
Das gilt umso mehr, als die Auswahl an Nasch- und Backwerk am Point of Sale stetig wächst. Immer häufiger ergänzen zuckerfreie oder zucker- und fettreduzierte Süßwaren die bereits seit vielen Jahren bestehenden Traditionsprodukte. Auch das Angebot von Süßwaren, die für vegetarische oder vegane Ernährung geeignet sind, nimmt weiter zu. In fast jedem Supermarkt finden sich außerdem Süßwaren, die gluten- oder laktosefrei oder auch halal bzw. koscher sind. Auch im Bereich der Knabberartikel gibt es nach Angaben des BDSI ein immer differenzierteres Angebot und eine große geschmackliche Auswahl – sei es an Nüssen, an frittierten oder auch an gebackenen salzigen Snacks. „Bei dieser großen Vielfalt findet jeder Verbraucher das für ihn passende Produkt“, sagt Erbrath. „Die Verpackung ebnet den Weg in den Einkaufswagen.“ Verpackungsdesigner stehen damit vor einer schwierigen Aufgabe: Sie müssen das Naschwerk mit pfiffigen Slogans nach Möglichkeit multimedial bekannt machen und im Regal mit auffälligen Farben und Formen ins Szene setzen.
Frisch, nachhaltig, schick, effizient
Allerdings gilt es, beim Ringen um Präsenz nicht zu übertreiben. Denn übermäßiger Einsatz von Material und damit Ressourcen kommen beim Verbraucher nicht gut an. „Die Kunden legen immer mehr Wert darauf, ihren ökologischen Fußabdruck möglichst klein zu halten. Außerdem haben sie einen starken Wunsch nach gesunden, ultra-frischen Lebensmitteln, die gleichzeitig extrem convenient und ästhetisch verpackt sein sollen“, sagt Andreas Steinle vom Zukunftsinstitut, einer Denkfabrik für Trend- und Zukunftsforschung. Doch nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus Kostengründen sollte die Industrie auf allzu ausladende und aufwendig produzierte Verpackungen verzichten. Denn einerseits steigen die Preise für Rohstoffe wie Milch, Kakao und Zucker, anderseits werden Energie und Verpackungsmaterialien immer teurer.
Um Verbraucher, die sich nachhaltig produzierte Waren wünschen, weiter an sich zu binden, und Material- und Fertigungskosten nicht ausufern zu lassen, hat die Industrie keine Alternative: Sie muss Material sparen und vor allem allzu ausladende Verpackungen vermeiden und zudem energiesparender produzieren. Dass das sogenannte Material-Down-Sizing möglich ist, zeigen Untersuchungen des internationalen Beratungsunternehmens Pacproject. Es hat beispielhaft die historischen Verpackungen der bekannten Corny-Müsliriegel unter die Lupe genommen und festgestellt, dass die Barriere-Aluminiumfolie der Verpackung des Produkts in den vergangenen 30 Jahren stetig reduziert und schließlich durch einen neuen Barriere-Verbund substituiert wurde – ohne negative Auswirkungen auf das Produkt. „Auch ohne den vollen Barriereschutz befand sich der Corny-Riegel am Ende des Mindesthaltbarkeitsdatums qualitativ im sehr guten Bereich. Dies hat die Frage aufgeworfen, ob nicht auch die aktuellen Folien mehr Schutz und Barrieren bieten, als der Cerealien-Riegel eigentlich benötigt“, sagt Pacproject-Verpackungsingenieur Alexander Witt.
Alternative Verpackungsmaterialien
Alternativen zu klassischen Verpackungsmaterialien wie Aluminium und Kunststoff gewinnen auf dem Markt bereits zunehmend an Bedeutung. Die Firma Bionatic etwa hat unter dem Namen Greenbox ein erstes Sortiment von rund 250 verschiedenen Verpackungslösungen aus erneuerbaren oder recycelten Rohstoffen wie Holz, Cellulose, Biokunststoff und Palmblatt entwickelt. Viele dieser Lösungen seien biologisch abbaubar oder umweltfreundlich in der Verbrennung, sagt Bionatic-Gründer Robert Czichos. Und die Produktion sei simpel: „Aus einem Blatt wird eine Verpackung, indem es zunächst mit Wasser unter Hochdruck gereinigt wird. Dann wird es in einer mechanischen Presse mit Druck und Wärme in eine Form gebracht. Es ist also ein sogenannter Tiefziehvorgang. Danach folgt das Finishing, indem die Kanten geschliffen und die Flächen poliert werden. Und das ist dann auch schon alles.“
Unterdessen suchen Wissenschaftler nach weiteren alternativen Materialien. So arbeitet das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) im Rahmen des Projekts Thermowhey an einem Herstellverfahren für Barrierebeschichtungen aus Molkeprotein, das die herkömmliche ölhaltigen Polymerbeschichtungen ersetzt. Der Vorteil von Molke: Ihre Inhaltsstoffe können die Haltbarkeit von Lebensmitteln natürlich verlängern. Allerdings ist Molke hitzeempfindlich, sodass die Forscher erst eine Beschichtungsformulierung finden müssen, die sich auch bei hohen Temperaturen verarbeiten lässt.
Interpack 2017
Auf der Interpack 2017 vom 4. bis 10. Mai in Düsseldorf werden noch viele weitere Verpackungsinnovationen für Süß- und Backwaren zu sehen sein. 2.700 Aussteller werden erwartet, davon haben rund 1.000 die Süßwarenbranche als Zielgruppe für ihre Produkte und Dienstleistungen angegeben – entsprechend umfangreich wird das Angebot sein. Auch die Maschinenbauer werden in Düsseldorf mit zahlreichen Innovationen aufwarten. „Ein verantwortungsbewusster Umgang mit natürlichen Ressourcen und umweltschonendes Wirtschaften hat bei Herstellern von Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen einen hohen Stellenwert. Sie wissen, dass nachhaltige Produktionsprozesse bei ihren Kunden großgeschrieben werden“, sagt Vera Fritsche, Referentin im VDMA Fachverband Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen.
Neue Impulse aus dem Maschinenbau
Noch böten sich in der Süßwarenproduktion zahlreiche Optimierungsmöglichkeiten. Intelligente Steuerungs- und Automatisierungstechnik, sparsame Antriebe, Kompressoren, Lüfter oder Pumpen zählten zu den klassischen Lösungen, um Strom und Betriebsmittel einzusparen und die Energieeffizienz zu steigern. Effiziente Motoren, optimal an die Bewegungen und Beschleunigungsvorgänge in den Maschinen angepasst, senkten den Stromverbrauch. Darüber hinaus senkten innovative und optimierte Prozesse den Verbrauch von Energie und Wasser, verlängerten innovative Maschinenkonzepte die Service- und Wartungsintervalle sowie die Betriebsdauer und sparten dadurch Energie ein, so Fritsche.
Der Schweizer Anlagenbauer Bühler zählt zu den Protagonisten effizienter Verarbeitungslösungen und hat sich zum Ziel gesetzt, den Energiebedarf in allen seinen Kernprozessen bis 2020 um mindestens weitere 20% zu reduzieren. „Damit können wir sowohl die Energieeffizienz unserer Produkte erhöhen als auch gleichzeitig einen Beitrag zum Umweltschutz leisten“, sagt Ian Roberts, Technikchef des Konzerns. Einen zentralen Aspekt sieht er dabei in der Produktivität, etwa durch Verkürzung der Zykluszeiten. Zudem verstärkt Bühler die Anstrengungen, um die Energieeffizienz in bestehenden Kundenanlagen zu verbessern.
Heizenergie aus Abfallprodukten
So ist die Schokoladenherstellung aufgrund der zahlreichen Prozessschritte wie das Reinigen, Rösten, Debakterisieren, Brechen und Vermahlen der Kakaobohnen sehr aufwendig und teuer. Bühler verspricht, die Energiekosten der Kakaoverarbeitung um 65% zu senken, wenn Kunden einerseits das kostenlose Energy Audit des Unternehmens nutzen und andererseits seine neue Schalenverbrennungstechnik zum Einsatz kommt. Bei dem Audit werden Energielecks im Herstellungsprozess aufgespürt. Das neue Verbrennungssystem nutzt die aus den Schalen gewonnene Energie zur Röstung und Debakterisierung anstatt die Schalen direkt zu entsorgen – dadurch muss keine Heizenergie zugekauft werden.
Industrie 4.0
Auch Theegarten-Pactec treibt Maschinenlösungen mit hohem Einsatz voran, die Kunden bei Kostenersparnissen helfen. Dabei fokussiert sich die Firma unter anderem auf das Thema Industrie 4.0, also die Digitalisierung der Produktion und eine bessere Kommunikation zwischen Mensch und Maschine und Maschine und Maschine mithilfe neuester Software. „Produktionsprozesse transparent zu gestalten, wichtige Daten immer abrufbar zu haben, diese richtig zu analysieren und schlussendlich die richtigen Handlungsschritte abzuleiten, birgt ein großes Potenzial zur Effizienzsteigerung in sich“, sagt Theegarten-Chef Markus Rustler.
Zu diesem Zweck habe das Unternehmen bereits 2011 begonnen, sein User Interface und die damit verbundene Aufbereitung der Daten für den Maschinen-Operator und das Management zu überarbeiten. „Somit haben wir eine Plattform geschaffen, welche die Performance unserer Anlagen transparenter macht. So können beispielsweise Effizienzverluste in Korrelation zu Zeit, Umgebungstemperatur oder anderen Parametern gesetzt werden und die Fehlersuche und Hilfe zur Selbsthilfe unterstützt werden“, so Rustler. Außerdem sei die intuitive Unterstützung der Wartungs- und Reinigungsprozesse optimiert worden, etwa, indem die Maschine selbstständig auf Service- und Wartungsintervalle hinweise.
Der Vorteil von Automation und Digitalisierung: Die kommunikationstechnisch verketteten Maschinen könnten durch wenige oder sogar nur einen Operator bedient werden. Und durch Integration des User Interface in mobile Endgeräte könnten die Maschinendaten von jedem Punkt der Welt abgerufen und bearbeitet werden, sagt Rustler.
Baukastenprinzip
Die Schweizer Firma Knobel Maschinenbau, Spezialist für Maschinen zur Schokoladenherstellung, hilft Herstellern auf andere Weise, Kosten zu sparen. Er bietet seine Anlagen – Eintafel-Anlagen, Gießmaschinen und andere Geräte – im Baukastenprinzip an, sodass Kunden ihre Produktion schrittweise aufbauen und bei Bedarf punktuell in Segmenten umrüsten können. Das ermöglicht ihnen eine hohe Flexibilität und erlaubt ihnen somit eine schnelle und effiziente Umstellung auf neue Produkte. Schnelle Umrüstzeiten würden auch dadurch ermöglicht, dass neue Maschinen mit Plug-and-Play einfach im System integriert werden könnten, heißt es bei Knobel.
Fazit
Die Maschinenbauer haben sich mit zahlreichen, effizienzsteigernden Neuerungen auf die Anforderungen der Hersteller von Süß- und Backwaren eingestellt. Damit können sie nicht nur bei der Wahl der Verpackungsmaterialien, sondern auch bei der Modernisierung ihrer Linien aus dem Vollen schöpfen. Auf der Interpack gibt es von diesen Innovationen ein genaues Bild.
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