Zustandsbewertung für gesicherte Anlagenverfügbarkeit von GFK-Behältern
Aussagen zum Zustand von Behältern aus glasfaserverstärktem Kunststoff liefert die Begutachtung vor Ort und die Analyse von Werkstoffproben im Labor.
Seit mehr als 40 Jahren werden Komponenten aus GFK im Anlagenbau eingesetzt. Aufgrund der hohen chemischen Beständigkeit gegenüber einer Vielzahl aggressiver Medien werden Behälter und Rohrleitungen aus GFK vor allem in der chemischen und verfahrenstechnischen Industrie, aber auch in Klär-, Biogas- und Müllverbrennungsanlagen eingesetzt. Die rechnerische Lebensdauer von GFK-Komponenten beträgt 200.000 Betriebsstunden (ca. 23 Jahre). Über diesen langen Zeitraum kann die Betriebstauglichkeit durch verschiedene Einflüsse beeinträchtigt werden. So wirken chemische, thermische und mechanische Einflüsse auf den Werkstoff, aber auch die Umgebungsbedingungen des Aufstellungsorts. Trotz Erreichens der rechnerischen Lebensdauer kann die Betriebstauglichkeit jedoch auch weiterhin gegeben sein.
Ein besonderer Verbundwerkstoff
GFK-Behälter werden unter anderem aus Vinyl- und Polyesterharz und Glasfasern hergestellt. Als Verbundwerkstoff bildet das mehrlagige und hochfeste Laminat die Basis für die besonderen Produkteigenschaften. GFK besitzt nur ein Fünftel der Dichte von Stahl, ist aber mechanisch hochbelastbar. Bauteile aus GFK sind nicht nur leichter, der Werkstoff erlaubt auch flexiblere Geometrien bei der Herstellung im Vergleich zu Bauteilen aus metallischen Werkstoffen. Weitere Eigenschaften sind die hohe chemische Resistenz, eine geringe Wärmeleitfähigkeit und eine hohe Wärmeformbeständigkeit. Für Betreiber sind GFK-Behälter auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht interessant, wenn man sie herkömmlichen Werkstoffkonzepten gegenüberstellt, wie z. B. einer Konstruktion aus Stahl mit einer Beschichtung oder Gummierung. Das liegt an den besonders hohen Standzeiten der GFK-Behälter, aber auch an den mechanischen Kennwerten des Werkstoffs, die hohe Lasteinleitungen sowie das Aufnehmen von großen Rührwerkslasten (50 kN und mehr) zulassen.
Chemieschutzschicht verbessert Beständigkeit
Im GFK-Laminat sorgen die – je nach Anwendungsfall – verwendeten Harze für die chemische Beständigkeit. Aus diesem Grund wird die Schicht auf der dem Medium zugewandten Seite als Chemieschutzschicht (CSS) ausgeführt. Die Dicke der CSS beträgt circa 2,5 mm. Charakteristisch ist der hohe Harzanteil und niedrige Glasgehalt (< 30 %). Die Basis der CSS bilden bis zu drei Wirrfaserlagen, die z. B. im Faserspritzverfahren aufgebaut werden. Darüber befindet sich auf der Mediumseite eine hochbeständige Reinharzschicht. Auf die CSS folgt das Traglaminat mit einem deutlich höheren Glasanteil von etwa 45–60 %. So wird die mechanische Belastbarkeit des Verbundwerkstoffs und damit des Behälters in Gänze erreicht. Das Traglaminat wird in der Regel als Wickellaminat hergestellt.
Visuelle Prüfung und Werkstoffanalyse bringen Gewissheit
Die Begutachtung von GFK-Behältern erfordert die innere und äußere visuelle Prüfung. So lassen sich nicht nur Rissbildungen und Verformungen erkennen, sondern bspw. auch die durch eindringendes Medium ausgelöste, sogenannte osmotische Blasenbildung. Diese kann kritisch werden, da sie die Delamination des Werkstoffs in Gang setzt, unter Umständen Glasfasern freilegt, diese durch entstehende Säuren oder Laugen beschädigt und sogar unter Umständen zur vollständigen Auflösung der Glasfasern führt.
In der Prüfpraxis von TÜV Süd zeigt sich, dass nicht selten die Werkstoffanalyse im Labor notwendig ist, um eine belastbare Entscheidungsgrundlage zu erhalten. Dafür werden Proben mittels Kernlochbohrung vor Ort am Bauteil gewonnen und von den neutralen, unabhängigen Experten im Institut für Kunststoffe analysiert. Die Labore sind für die Kunststoffprüfung nach DIN EN ISO/IEC 17025 akkreditiert.
Zum Leistungsportfolio gehören unter anderem Untersuchungen mit dem Rasterelektronenmikroskop gekoppelt mit energiedispersivem Röntgenanalysator (REM-EDX), mit dem Ziel, verlässliche Aussagen zum Zustand der Glasfasern im Werkstoff zu erhalten. Neben der hohen optischen und aufgrund des Röntgenanalysators auch analytischen Aussagekraft bietet REM-EDX einen weiteren Vorteil: Es wird nur eine sehr kleine Probe benötigt, so dass bei der Kernlochbohrung 20–30 mm Durchmesser völlig ausreichen. Ein so entstandenes Loch kann auch ohne großen Aufwand wieder verschlossen werden.
GFK-Bauteile im Müllheizkraftwerk geprüft
Wie die Prüfungen und die Werkstoffanalysen in der Praxis durchgeführt werden, zeigt das folgende Fallbespiel: TÜV Süd Industrie Service wurde von dem Betreiber eines Müllheizkraftwerks beauftragt, eine wiederkehrende Prüfung von GFK-Bauteilen in der Rauchgasreinigungsanlage während einer Revision vorzunehmen. Geprüft wurden verschiedene Behälter, der SO2- und der HCl-Absorber, diverse Rauchgaskanäle sowie die Beschichtung der Sole-Anlage.
Bei der äußeren und inneren visuellen Prüfung lagen die Bauteile im entleerten und im Wesentlichen gereinigten Zustand vor. An den Außenwandungen waren keine sichtbaren, den Bauteilzustand negativ beeinflussenden Veränderungen festzustellen. Anders im Innenbereich: In einem Eindampfbehälter wurden am Mannlochhals und am Mannlochdeckel eine Beschädigung der CSS festgestellt. Beide Bereiche waren zu sanieren. Die anderen Behälter der Rauchgasreinigung zeigten entweder keine oder geringe, aber unkritische Veränderungen an der Werkstoffoberfläche, so dass je nach Behälter und Zustand eine erneute Prüfung in einem Jahr oder in zwei Jahren empfohlen wurde.
Der SO2-Absorber war ein halbes Jahr zuvor komplett saniert worden. Am auflaminierten Schutzhemd im Bereich des Gaseintritts wurde eine größere Blase festgestellt. Da diese allerdings keinen Einfluss auf die Standsicherheit und gegenüber einem abrasiven Angriff hatte, war eine Sanierung nicht erforderlich. Im HCl-Absorber waren visuell verschiedene Schäden nachweisbar: Neben abrasiven Angriffen wurden an mehreren Stellen beginnende Rissbildungen in der Reinharzschicht der CSS festgestellt. Auf Betreiberwunsch wurden fünf Kernlochbohrungen für REM-EDX-Untersuchungen entnommen, um den möglichen Schädigungsgrad der Glasfasern zu analysieren. Die Rauchgaskanäle waren ohne Befund, so dass eine wiederkehrende Prüfung in zwei Jahren empfohlen wurde. Anders bei der Sole-Anlage: Die Bodenbeschichtung wies lokal Risse und Ablösungen auf. TÜV SÜD empfahl, diese Bereiche zu sanieren.
Ergebnisse der REM-EDX-Analysen
Im Rasterelektronenmikroskop waren in allen fünf Proben des HCl-Absorber visuell und per qualitativer EDX-Punktanalyse zum Teil erhebliche chemische Angriffe an den Glasfasern der ersten und zweiten Wirrfaserlage nachweisbar. Visuell macht sich dies durch das Auflösen der „Seele“ der Glasfasern bis hin zu der vollständigen Zerstörung der Glasfasern bemerkbar. In den EDX-Punktanalysen zeigt sich das im Nachweis der für Glasfasern typischen chemischen Elemente Silicium (Si), Calcium (Ca), Aluminium (Al) und Magnesium (Mg). In den Elementspektren sind diese Elemente dann entweder teils verarmt bzw. nicht mehr nachweisbar. Hiervon ist insbesondere das Element Magnesium betroffen. In allen fünf Proben waren zudem beginnende chemische Angriffe bis zum Übergang der CSS zum Traglaminat festzustellen.
Schlussfolgerungen aus der Begutachtung
Aufgrund der Ergebnisse der REM-EDX-Analysen war zum Zeitpunkt der Prüfung die Standsicherheit des HCl-Absorbers noch nicht akut gefährdet. Unter Berücksichtigung des Alters des Prozessbehälters empfahl TÜV Süd eine Sanierung in spätestens zwei Jahren. Wegen der dann erforderlichen sehr umfangreichen Sanierungsarbeiten wurde vorgeschlagen, dass die mit den Arbeiten beauftragte Fachfirma gemäß Wasserhaushaltsgesetz (WHG) ein Sanierungskonzept erstellt, das durch einen Kunststoffsachverständigen geprüft und freigegeben wird. Darüber hinaus wurde empfohlen, die Laminierarbeiten von einem nach der Richtlinie DVS 2220 geprüften Laminierer durchführen zu lassen.
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