Die Lebenswirklichkeit der Lebensmittelbranche

Um öffentliche Angriffe abzufedern, kann Risikokommunikation mit definierten Präventiv- und Reaktivmaßnahmen einen angemessenen Umgang mit der Öffentlichkeit sichern.

Abb. 1: Die Öffentlichkeit fordert eine transparente Kommunikation....
Abb. 1: Die Öffentlichkeit fordert eine transparente Kommunikation. Unternehmen die auf Anfragen von Medien und NGOs vorbereitet sind, verfügen über ein effizientes Lieferkettenmanagement und ein Risikofrühwarnsystem (Issue-Monitoring). | © kentoh - stock.adobe.com

Täglich berichten Medien und NGOs über Themen der Lebensmittelindustrie, die für das Handeln von Unternehmen kritisch werden könnten. Dabei geht es oft weniger um eine objektive, transparente Darstellung von Fakten als vielmehr um Konfrontation und Sensation.

Die drohenden Konsequenzen der medialen Aufmerksamkeit werden von den Unternehmen häufig unterschätzt. So reichen in Zeiten blitzschneller digitaler Verbreitung von Themen nur wenige negative Schlagzeilen aus, um die Glaubhaftigkeit und Vertrauenswürdigkeit von Unternehmen oder ganzen Branchen nachhaltig zu beeinflussen. 

Nicht zuletzt jüngste Vorfälle von Produktkontaminationen in mehreren großen Industrieunternehmen der Lebensmittelbranche zeigen, dass Kommunikationsmanagement und -strategie im Kontext kritischer Themen oftmals noch stiefmütterlich behandelt werden. Die Folgen einer verzögerten und intransparenten Kommunikation durch die Unternehmen waren in diesen Fällen hohe finanzielle Verluste und Reputationsschäden. Vor diesem Hintergrund ist eine zielgerichtete und strategische Risikokommunikation unabdingbar.
Mit immer häufiger auftretenden „Skandalen“ müssen sich Unternehmen zunehmend auf Risikoszenarien einstellen, die sowohl Anspruchsgruppen wie den verunsicherten Konsumenten und die sensationsgierigen Medienvertreter einbeziehen und gleichzeitig eine mögliche politische Einflussnahme nicht vernachlässigen. Denn: Krisen lassen sich kaum vermeiden, da die Ursache – ob gezielte Fremdeinwirkung oder nicht absehbare Ereignisse – auch außerhalb des unternehmerischen Einflussbereichs liegen können. Etablierte Managementsysteme wie Qualitätssicherungsstandards, Zertifikate für Produktprüfungen und Nachhaltigkeitssiegel reichen daher nur bedingt zur Risikoprävention aus.

Um eventuellen öffentlichen Angriffen vorwegzugreifen, sollte es daher Ziel der Risikokommunikation sein, durch definierte Präventiv- und Reaktivmaßnahmen einen angemessenen Umgang mit der Öffentlichkeit und deren Anspruchsgruppen zu gewährleisten. Gerade im Hinblick auf das bald in Kraft tretende Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz und die Branche aktuell beschäftigende Nachhaltigkeitsthemen wie Greenwashing und Klimaschäden, sollte präventiv statt reaktiv gehandelt werden. Für viele dieser und anderer brisante Themen in der Lebensmittelwirtschaft, wie „Massentierhaltung“ und „Tiergesundheit“ sowie „Produktkontaminationen“ lohnt sich eine aktive öffentliche Diskussion.

Im Rahmen eines umfassenden Risikomanagements ist es nunmehr erforderlich frühzeitig die gegebenen Bedrohungspotenziale innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu identifizieren und zu analysieren. Dadurch kann etwaigen Auslösern einer Krise für die Produkte, die Marke und letztlich das gesamte Unternehmen entgegengewirkt werden. Der zukünftige Unternehmenserfolg hängt schließlich zu einem Großteil von der Reputation und Vertrauenswürdigkeit der Marken ab. Für den drohenden Schadensfall müssen im Unternehmen dementsprechende Maßnahmen im Risikomanagement definiert sein, die ein zielgerichtetes Vorgehen in der Risikokommunikation ermöglichen. 

Ein unbedachter Umgang oder die fehlende Auseinandersetzung mit kritischen und potenziell kritischen Themen gleicht im Kontext des Risikomanagements und der Risikokommunikation einem Spiel mit dem Feuer. Unternehmen wagen den Schritt in die Öffentlichkeit mittels Stellungnahmen zu kritischen Themen häufig nur zaghaft oder gar nicht. Reaktive Äußerungen bei akuten Anschuldigungen, ohne sich vorher mit den relevanten Issues auseinandergesetzt zu haben, können durch oftmals ungeübte und unangemessene Kommunikation einen enormen Imageschaden nach sich ziehen. Ein systematisches und effektives Issue-Management ist demnach der Schlüssel zu einer erfolgreichen Risikokommunikation. Dabei gilt es, sowohl vor- und nachgelagerte Stufen der Lieferkette zu berücksichtigen als auch bereits bekannte Themenfelder weiterhin zu beobachten. Durch sich ändernde Rahmenbedingungen kann bereits Bekanntes in veränderter Form erneut in den Fokus geraten und abermals zu einem relevanten Thema werden. So stehen der Wunsch und die Forderung seitens NGOs, Politik und Verbrauchern nach mehr Informationen über die Herkunft von Produkten weiterhin im Fokus.

Für beteiligte Marktteilnehmer ist es essenziell, in der Öffentlichkeit geschlossen aufzutreten und gemeinsam einen transparenten Einblick in die „Lebenswirklichkeit der Lebensmittelbranche“ zu geben. Eine präventive Kommunikation zu kritischen Themen mittels geeigneter Instrumente und Kanäle hilft, Möglichkeiten populistischer Berichterstattung einzugrenzen und Verbrauchervertrauen zu erhalten oder sogar zu stärken. Eine angemessene Reaktion beinhaltet eine entsprechend stringente Argumentation und gezielte Öffentlichkeitsarbeit. Im Umgang mit NGOs und den Medien sollten die Betroffenen sich auf relevante Fakten und einschlägige Informationen konzentrieren. Emotional aufgeladene Aussagen wie „Die Vorwürfe sind ein Skandal“ oder „unser Vorgehen ist rechtlich tadellos“ sollten möglichst vermieden werden.

Fazit

Gezielte Risikokommunikation kann krisenhafte Ereignisse und mögliche daraus entstehende Skandale zwar nicht verhindern, aber die Folgen für Unternehmen der Land- und Ernährungswirtschaft deutlich mindern. Mit voranschreitender sozialer, digitaler Vernetzung ist es ein Leichtes für Medien und Verbraucherschützer, immer neue Themen aufzunehmen, um die Allgemeinheit über vermeintliche Unzulänglichkeiten zu informieren oder vor potenziellen Gefahren zu warnen. Der fortschreitende Wandel von der ausführlichen Information der Fachpresse in Richtung eines reißerischen Sensationsjournalismus verlangt von Unternehmen sich in der Unternehmenskommunikation frühzeitig und adäquat vorzubereiten und eigeninitiativ wirkungsvolle Maßnahmen zu entwickeln. Denn abzuwarten und damit externen Akteuren die öffentliche Analyse und Bewertung etwaiger Risiken zu überlassen, ist in diesem Zusammenhang sicherlich der falsche Weg. 


Autorin: Hannah Westerholz, Analystin, AFC Risk & Crisis Consult

Hannah Westerholz, 

AFC Risk & Crisis Consult
Hannah Westerholz, AFC Risk & Crisis Consult

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