Fachkräfte für die Chemieindustrie

Der demografische Wandel verändert auch die Altersstruktur in Unternehmen der Chemieindustrie. Es gilt, nicht nur junge Fachkräfte zu gewinnen, sondern auch Wissen und Erfahrung auf die nachfolgende Generation zu transferieren. CITplus fragt bei mittelständischen Chemieunternehmen nach, wie sie diesen Herausforderungen begegnen und welche Lösungen sie zum Wissensmanagement gefunden haben. Heidrun Hausen schildert im Interview die Personalsituation und Lösungen von Delo.

Heidrun Hausen, Personalleiterin bei Delo Industrie Klebstoffe © Delo
Heidrun Hausen, Personalleiterin bei Delo Industrie Klebstoffe © Delo

CITplus: Frau Hausen, wie ist Ihre Personal­situation derzeit mit Blick auf die verschiedenen Abteilungen und Aufgabenbereiche des Unternehmens? Beeinträchtigt ein Personalmangel die wirtschaftlichen Entwicklungschancen des Unternehmens?

Heidrun Hausen: Wir spüren natürlich die Auswirkungen des Fach- und Hilfskräftemangels, wie vermutlich jedes andere Unternehmen auch. Noch dazu wächst Delo im Vergleich zu anderen Mittelständlern besonders kräftig, was die Situation verschärft. Wir suchen in allen Bereichen, vor allem Fachkräfte in der Chemie und Physik sind bei uns gefragt. Aber nicht nur: Auch in der Produktion und Logistik ist – mal mehr, mal weniger – Platz für neue Kolleginnen und Kollegen. Perspektivisch kommen mit dem Bau des neuen Logistikzentrums an unserem Hauptstandort in Windach bei München sicherlich neue Herausforderungen auf uns zu.

Und doch: Unsere gute wirtschaftliche Entwicklung ist noch ungebrochen, unsere Auftragsbücher sind voll, wir halten unsere Fristen ein. Wie sich die Situation in den nächsten Jahren entwickelt, bleibt abzuwarten. In jedem Fall sind unsere Ziele ambitioniert: Mehr als 100 Stellen sind für dieses Geschäftsjahr noch nicht besetzt – und wir planen weitere, neue Stellen.  

Welche Maßnahmen ergreifen Sie aktuell und planen Sie in Ihrem Unternehmen und darüber hinaus, um einem Fachkräftemängel entgegenzuwirken?

H. Hausen: Delo ist ein solides, unabhängiges Familienunternehmen. Wir bedienen starke Branchen und bekannte, verlässliche Kunden. Damit bieten wir in diesen unruhigen Zeiten etwas, das gerade nicht alle können: Sicherheit. Wir merken, dass auch jüngere Generationen wieder mehr auf diesen Aspekt achten. Während andere Branchen und Unternehmen die HR-Abteilung verkleinern, stellen wir weiter ein, vor allem gut ausgebildete Recruiterinnen und Recruiter, die uns unterstützen. Uns ist es einfach wichtig, die richtigen Leute für Delo zu finden. Bei jeder Stelle integrieren wir deshalb das bestehende Team in den Auswahlprozess, das heißt, die potenziellen Kolleginnen und Kollegen lernen sich kennen – und können ein “Veto” einlegen, sollten die Persönlichkeiten nicht harmonieren. Dadurch ist unsere “Time to Hire” zwar länger, die Fluktuation jedoch geringer.  

Gerade weil unsere guten Leute durch die vielen Vakanzen stark belastet sind, pflegen wir sie. Erst vor kurzem haben wir beispielsweise ein “Employee Assistance Program”, kurz EAP, eingeführt. Bei dieser externen Beratung erhalten unsere Mitarbeitenden, genauso wie ihre Angehörigen, Hilfe von Experten aller Art – von Diplompsychologen bis hin zu Rechtsanwäl­tinnen. Sämtliche Kosten trägt Delo.

Welchen Stellenwert haben Bildung, Ausbildung, Weiterbildung in Ihrem Unternehmen?

H. Hausen: Bei uns wird jedes neue Teammitglied eingestellt nach dem Motto: Ankommen, bleiben, wachsen. Unsere Ausbildungsrate ist überdurchschnittlich hoch, im Moment beschäftigen wir rund 50 Azubis. Nahezu allen von ihnen können wir eine Zukunft bieten. Durch Kooperationen mit Bildungseinrichtungen versuchen wir, das MINT-Interesse bei Schülerinnen und Schülern schon früh zu wecken und potenzielle Bewerber auf Delo aufmerksam machen.

Dank unseres kontinuierlichen Wachstums steigen bei uns außerdem viele Berufsanfänger ein, was dazu führt, dass unser Altersdurchschnitt deutlich unter dem Durchschnitt liegt. Unsre Belegschaft will noch etwas erreichen im Berufsleben. Das heißt für uns als Arbeitgeber: Fördern, fördern, fördern, sei es durch (Online-) Weiterbildungen in unserer hauseigenen Delo Academy, „Karrierepfade“, die Transparenz in den eigenen Werdegang bringen, oder finanzielle Förderung. Sieben Prozent der direkten Personalkosten investieren wir in Weiterbildung. Auch externe Fortbildungen, zum Beispiel an Technikerschulen, unterstützen wir gerne. Mich persönlich freut es immer sehr zu beobachten, wie sich unsere Mitarbeitenden beispielsweise zu Teamleiterinnen und -leitern entwickeln.  

Welche Lösungen nutzen Sie, um Wissen und Erfahrungen sowie Änderungen zu kommunizieren, zu vermitteln und zu konservieren?

H. Hausen: Wir versuchen, möglichst viel Kommunikation zwischen den Abteilungen und (Führungs-) Ebenen zu ermöglichen. Das gelingt uns etwa durch den Austausch in Gremien. Unser „Beraterzirkel“ mit Mitgliedern des mittleren Managements trifft sich regelmäßig und die einzelnen Abteilungen laden regelmäßig zu “Poster Sessions”, um interdisziplinäre Diskussionen zu ermöglichen. In Austauschformaten, zum Beispiel unserem “Coffee Talk”, wiederum kommen durch einen Zufallsgenerator ausgewählte Mitarbeitende mit der Geschäftsleitung ins Gespräch. Abgesehen davon helfen unser Mentoringprogramm und natürlich digitale Lösungen wie unser unsere Labor- und Produktinformationsmangementsysteme, damit werden Kennwerte zu Klebstoffen, Messwerte und Kennzahlen dokumentiert und zentral verfügbar gemacht.

Welchen Beitrag kann die Digitalisierung gegen den Fachkräftemangel leisten und welche Maßnahmen zur Digitalisierung unterstützen Ihr Personal in der Bewältigung seiner Aufgaben?

H. Hausen: Viele einfache Jobs werden durch die Digitalisierung vielleicht keinen Sinn mehr ergeben. Dafür kann an anderer Stelle mehr Raum für Kreativität und Innovation entstehen. Natürlich arbeiten wir auch an der Digitalisierung, um unsere Kolleginnen und Kollegen zu entlasten. Hybride Meetings, 360°-Kameras in Meetingräumen, Microsoft Teams: All das hilft uns, geografische Grenzen aufzulösen, international enger zusammenzuarbeiten und wichtige Wissensträger, zum Beispiel Mütter, die aus der Elternzeit zurückkehren, früher wieder zu integrieren.
Was uns aktuell außerdem beschäftigt, ist der Umgang mit künstlicher Intelligenz. Ich bin überzeugt: Je mehr wir ChatGPT und noch besser, eigene KI nutzen, desto wichtiger wird Bildung. In Zukunft wird es weniger darauf ankommen, die richtigen Antworten zu kennen, als die richtigen Fragen zu stellen. Für uns bedeutet KI perspektivisch: Wir werden in Zukunft vielleicht weniger schnell Personal aufbauen müssen, aber dafür noch besser ausgebildetes Personal benötigen.

Stellen Sie repräsentative Unterschiede in den Erwartungen und in den Ausgangs­voraussetzungen Ihrer Bewerber und Arbeitnehmer verschiedener Generationen fest und wenn ja, welche?

H. Hausen: In Abhängigkeit von der jeweiligen Lebensphase gleichen sich die Herausforderungen, mit denen unsere Mitarbeitenden zu tun haben: Die richtige Balance zwischen Arbeit und Freizeit finden, Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen, kritische Lebensereignisse. Unser Ziel ist, dass die Leute lange bei uns bleiben. Was uns auffällt: Die Gehaltsvorstellungen unserer jüngeren Bewerberinnen und Bewerber sind teilweise sehr sportlich, sie sind offener in ihren Forderungen als ihre Vorgänger. Ältere Generationen sind da oft noch realistischer. Diese Diskrepanz zeigt sich auch nach der Einstellung. Gut qualifizierte Fachkräfte werden gebraucht – dessen sind sich gerade die Jüngeren bewusst. Sie fordern auch nach Vertragsunterschrift mehr. Wer gute Arbeitskräfte halten will, muss heutzutage einfach mehr bieten – von Events bis hin zu Sportangeboten. Ich sehe das positiv: Jede Generation bringt Vorteile mit sich. Wie immer gilt: Die Mischung macht’s.

Was erwarten Sie von der Politik, um dem demografischen Wandel und dem damit verbundenen Kompetenz- und Fachkräfteverlust zu begegnen?

H. Hausen: Was wir von der Politik fordern, pflegen wir auch bei uns: Entbürokratisierung. Viele Prozesse können erleichtert oder sogar abgeschafft werden. Im Alltag geht dafür gerne der Blick verloren. Es muss das Ziel sein, Arbeit zu reduzieren, vor allem wenn sie keine Wertschöpfung bringt. Außerdem erwarten wir eine aktivere, zukunftsorientiertere Auseinandersetzung mit dem demografischen Wandel und konkrete Maßnahmen. Es gibt einige Schlüsselbereiche, in denen Neuerungen dringend erforderlich sind, zum Beispiel eine kluge, effektive und unbürokratischere Fachkräfteeinwanderung. Es würde bereits helfen, wenn Berufserfahrung durch Unternehmen geprüft würde statt durch Behörden und behördliche Prozesse digitalisiert würden. Gerade in den Botschaften dauert die Bearbeitung bei sehr eindeutigen Bluecard-Fällen oft lange. So lange, dass wertvolle Bewerber in andere Staaten abwandern.

Was macht Sie als Unternehmen besonders attraktiv für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und welche Perspektiven eröffnen sich für sie in Ihrem Unternehmen?

H. Hausen: In sämtlichen HR-Umfragen betonen unsere Angestellten den engen Zusammenhalt unter den Mitarbeitenden. Das freut mich persönlich und ist sicher eine Besonderheit. Abgesehen davon sind wir ein klassischer “Hidden Champion”. Unsere Klebstoffe sind hochinnovativ und die Labore hervorragend ausgestattet – das begeistert unsere Tüftler natürlich. Unser starkes Wachstum birgt viele Chancen, bei Delo aktiv mitzuwirken und unsere Strukturen mitzugestalten. Wir bieten dafür gerne den Rahmen, setzen aber weiterhin auf das Prinzip Leistung: Wer weiterkommen will, sollte sich beweisen und Initiative zeigen, dann bieten sich regelmäßig tolle Chancen in allen Abteilungen. Zukünftig werden wir aber den Fokus stärker auf unsere Talente legen. Wir möchten konkrete Wege aufzeigen, die es für motivierte Mitarbeitende geben kann, sich zu entwickeln. Egal ob in einer Fach- oder Führungslaufbahn.

Das Interview führte Etwina Gandert, Chefredakteurin CITplus.

Anbieter

DELO Industrie Klebstoffe

DELO-Allee 1
86949 Windach
Deutschland

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