Vollautomatische pH-Validierung mit Audit Trail in der Pharmaproduktion

Kalibrierung und Verifikation von pH Sensoren in der Biopharmaproduktion erfolgen vor bzw. nach jedem Batch. Die Kalibrierung wird dabei meist manuell ausgeführt, was durch den Aus- und Einbau der Sensoren, Kalibrierung und Dokumentation einen erheblichen Zeit- und Personalaufwand mit entsprechend langem Anlagenstillstand bewirkt. Eine Automatisierung scheiterte bisher vor allem an den hygienischen Anforderungen. Die bewährte Sensorwartungslösung cCare pHarma, wurde nun für Upstream- und Downstream-Prozesse weiterentwickelt.

cCare System – cleaning, calibration, conservation: Das vollautomatische pH...
cCare System – cleaning, calibration, conservation: Das vollautomatische pH Sensor Wartungssystem kalibriert nach festgelegten Standards und sorgt für verlässliche Messungen. © Knick

„Ist Ihnen bewusst, dass die manuelle Kalibrierung von pH-Sensoren zu den größten Risiken für Chargenverluste zählt?“. Mit dieser Frage hat die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Knick und einem großen Pharmaunternehmen begonnen, die zur Weiterentwicklung des cCare Systems für die Anforderungen der Biopharmaproduktion geführt hat.

Bedeutung der pH Genauigkeit bei Zell­kulturen und Fermentationen

Der Upstream-Prozess von Zellkulturen ist komplex, teuer und langwierig. Die Parameter pH und gelöster Sauerstoff müssen streng kontrolliert und überwacht werden, damit optimale Wachstumsbedingungen für die Zellen eingehalten und maximale Produktqualität und -quantität erzielt werden können. Während des Prozesses kann von außen nicht eingegriffen werden, da die Gefahr einer Kontamination zu groß ist und den Verlust der Charge zur Folge hätte.

Umso wichtiger ist es deshalb, dass zu jeder Zeit verlässliche pH-Werte zur Verfügung stehen. Reinigung und Kalibrierung der Sensoren sind bei vielen Prozessen und Medien mehrmals am Tag erforderlich, um den Sensordrift minimieren und den gemessenen Werten vertrauen zu können.

Manuelles kalibrieren ist Standard

Der Vorgang ist sehr zeitaufwendig, denn ein Mitarbeiter muss sich zuerst in den Reinraum einschleusen, den Sensor ausbauen, reinigen, nacheinander in unterschiedliche Pufferlösungen halten und warten, bis der pH-Wert stabil ist. Hierbei besteht die Gefahr der mechanischen Beschädigung des Sensors sowie der Beeinflussung in Art und Weise der durchführenden Personen. Es ist z.B. entscheidend, ob der Sensor in der Puffer­lösung geschwenkt oder nur hineingestellt wird. Zum Schluss muss der Sensor wieder eingebaut und eine Reinigung, bzw. Sanitisierung der Anlage durchgeführt werden. Eine Risikoanalyse bei einem Anwender hat über 80 potenzielle Fehlerquellen bei manuellem Prozess aufgedeckt.

Wechselarmatur SensoGate WA130H mit gewinkeltem Clamp-Anschluss, um die...
Wechselarmatur SensoGate WA130H mit gewinkeltem Clamp-Anschluss, um die pH-Elektrode im optimalen Winkel auch an horizontale Stutzen in den Prozess einbringen zu können. © Knick

Automatische und standardisierte ­pH-Sensor-Kalibrierung

In der Chemie- und in Lebensmittelindustrie ist cCare, das automatische Reinigungs- und Kalibiersystem von Knick, seit 2003 im Einsatz. Die Komponenten wurden seitdem im Baukastenprinzip für unterschiedlichste Anforderungen ergänzt und weiterentwickelt.

Das Sensorwartungssystem besteht aus einer Wechselarmatur, der elek­tropneumatischen Steuerung, die die Wechselarmatur mit Druckluft verfährt, Reinigungsflüssigkeiten und Kalibrierpuffer dosiert, sowie dem Transmitter Protos II. Der Transmitter kommuniziert nicht nur die Messwerte und Vitaldaten an das Prozessleitsystem, sondern dient auch als Bedieneinheit für die Reinigungs- und Kalibrierprogramme.

Das System führt vollautomatisch eine standardisierte Kalibrierung durch und meldet alle Werte und das Kalibrierprotokoll an das Prozessleitsystem. Damit werden alle Chargendaten ohne Risiko eines manuellen Übertragungsfehlers digital durch den Audit Trail dokumentiert. Die gesamte Sensorwartung wird ohne manuelles Eingreifen durchgeführt und kann dabei sowohl vom Prozessleitsystem der Anlage als auch vor Ort am Transmitter ausgelöst werden. Der Sensor wird automatisch in die Kalibrierkammer der Wechselarmatur bewegt, dort gereinigt, kalibriert, sanitisiert und danach wieder in den Prozess gebracht.

Das automatische System führt somit die Sensorjustage immer nach dem exakt gleichen Ablauf durch. Dadurch verlängert cCare nicht nur die Sensorhaltbarkeit und senkt Personalkosten, sondern stellt aufgrund der vollautomatisierten Abläufe genauere pH-Messwerte sicher, die direkten Einfluss auf die Sicherheit und Ausbeute des Biopharma-Prozesses haben. Das System ist zudem das einzige Sensor-Wartungssystem am Markt, das mit allen Komponenten für den Einsatz in Ex Zone 1 zugelassen ist.

Wechselarmatur für hygienische Anforderungen

Mit vielen gängigen Armaturen ist es in den Batchproduktionsanlagen nicht möglich, während eines laufenden, bis zu einem Monat dauernden Prozesses, einen Sensor zu wechseln. Fällt ein Sensor während des Batches aus, besteht ein großes Risiko, den Prozess ohne redundantes Monitoring betreiben oder ihn abbrechen zu müssen.

Die Wechselarmatur SensoGate ist besonders für hygienische Anwendungen geeignet und dichtet aufgrund ihres patentierten Schleusensystem zu jeder Zeit den Prozess sicher ab, sodass ein Sensortausch ohne Prozessunterbrechung erfolgen kann.

Eine ausgeklügelte Zyklonspülung reinigt nicht nur den Sensor besonders gründlich, sondern auch die Dichtungen und die Kalibrierkammer. Entgegen den Wechselarmaturen anderer Hersteller hat die Wechselarmatur keine Toträume, die nicht durch Spülung, SIP und CIP gereinigt werden. Das hat der angesprochene Pharmakunde gemäß den entsprechenden Vorschriften validiert.

 

Anpassungsfähigkeit durch ­Baukastenprinzip

Dank ihres modularen Aufbaus ist die Wechselarmatur für viele Prozessanschlüsse wie Ingold, Tri-Clamp, Varivent, BioControl und Kest Lock, unterschiedliche Eintauchlängen und Materialien erhältlich. Das ermöglicht eine große Anpassungsfähigkeit an fast alle Anwendungen. Dennoch kommt es vor, dass bestimmte Einbausituationen nicht mit Standardprodukten ausgestattet werden können. So gab es auch bei dem Pharmakunden den Bedarf nach einem schrägen Tri-Clamp Anschluss, um die pH-Elektrode in dem erforderlichen Winkel einbauen zu können. Ebenfalls wurde der Anschluss für die Dampfsterilisation an der Armatur als Tri-Clamp-Anschluss ausgeführt und steht nun als Armaturenoption auch anderen Anwendern zur Verfügung.

FDA-Konformität und Sterilität

Alle medienberührenden Komponenten wurden für die Pharmavariante auf FDA-konforme Materialien umgerüstet. Es wurden alle Schläuche durch transparentes und glattes Material ersetzt. Grund hierfür war der Wunsch der Pharmakunden nach besserer Sichtbarkeit und Reinigungsfreundlichkeit. Aus gleichem Grund wurde für den Anschluss an die Armatur der neue Mediensammler entwickelt, der über einen Anschluss für Dampfsterilisation verfügt.

Der Mediensammler kann für sieben oder neun Anschlüsse gewählt werden, denn es können bei cCare pHarma bis zu sechs (statt der bisher drei) Medien sowie Luft, Wasser und Dampf für Reinigung und Kalibrierung verwendet werden.

Audit Trail und Remote-Login

Auch für den Transmitter gibt es neue Module für die Anforderungen der Pharmaindustrie, in der alle Eingriffe am Prozess gemäß 21 CFR Part 11 der FDA erfasst und unveränderbar dokumentiert werden müssen. Jede Änderung an der Messstelle muss mit Zeitstempel und Benutzerinformationen versehen sein. Transmitter in der Produktionsanlage sind üblicherweise gesperrt und müssen durch eine Passcodeeingabe freigegeben werden. Doch wird so nicht vom Prozessleitsystem erfasst, wer welche Änderung an der Messstelle vorgenommen hat.

Mit dem Transmitter Protos II lässt sich Audit Trail über Remote-Login direkt über das kundenseitige Prozessleitsystem realisieren. Nach erfolgter Authentifizierung (z.B. über RFID) kann der Transmitter einer bestimmten Messtelle durch eine Zwei-Faktor-Authentifizierung entsperrt werden, entweder durch einen erzeugten Code, der am Transmitter eingegeben werden muss, oder durch eine personenbezogene Freigabe. Diese Messstellenfreigabe erfolgt nur mit den Rechten, die für den jeweiligen Benutzer festgelegt sind.

Die An- und Abmeldung sowie alle Änderungen am Transmitter, z.B. in der Parametrierung, Konfiguration oder Austausch eines Sensors, werden direkt erfasst und im Audit Trail automatisch dokumentiert. Diese Daten werden lückenlos, unveränderbar und zugeordnet einer jeden Messstelle direkt an das Prozessleitsystem übertragen. Derzeit erfolgt die Audit Trail Funktionalität über Profibus PA, weitere Protokolle wie Profinet (auch in der Ex-tauglichen APL-Variante) werden folgen.

Mobile Messlösung

cCare ist ein System, dass für alle Anforderungen eine Automatisierungslösung bietet. Sogar ungewöhnliche: Für einen Anwender mit dem Wunsch nach einer mobilen Messlösung hat Knick das cCare pHarma System auf Räder gebracht. Wo eine Festinstallation des Messsystems nicht benötigt wird oder nicht durchführbar ist, für temporären Einsatz, z.B. in Batch-Reaktoren ohne kontinuierlichen Betrieb, oder für vergleichende Messungen kann auch diese flexible Sonderlösung mit voller Audit Trail Funktionalität inklusive Zugangskontrolle zum Einsatz kommen.

Ethernet-APL – zukunftssichere Kommunikation

Auf der Achema war das neue APL (Advanced Physical Layer) ein wichtiges Highlight in der Prozessindustrie. Auch das kann der Protos II über ein neues Modul, mit dem auch bestehende Messstellen zukunftssicher nachgerüstet werden können. Das Besondere ist hierbei, dass der Ex-zertifizierte 4-Leiter-Transmitter die Vitaldaten der Messstelle gemäß der Namur Open Architecture (NOA) über die 2-Draht-Technologie und Profinet an das Prozessleitsystem übermitteln kann. Verbreitet sind hier bislang Geräte mit der viel älteren und deutlich langsameren HART-Kommunikation.

Autor:

K. Georgy © Knick   Knut Georgy, Global Market Manager Process Analytics, Schwerpunkt Pharma­industrie, Knick

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Knick Elektronische Messgeräte GmbH & Co. KG

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