Dediziert für die Lebensmittelindustrie
Um schwierige Prozesse erfolgreich zu steuern, müssen Betreiber, Anlagebauer und Messgeräte-Spezialisten Hand in Hand zusammenarbeiten. Eine zentrale Rolle dabei spielen Technologien, die neue Messgrößen oder bislang nicht erreichte Genauigkeiten zur Verfügung stellen. Ein Beispiel ist die Durchfluss- und Dichtemessung für anspruchsvolle Anwendungen mit der „Multi-Frequency Technology“ bei Proline Promass Q von Endress+Hauser.
Die Chemikerin Dr. Jana Knall ist als Produktmanagerin für Coriolis-Durchflussmessgeräte erste Ansprechpartnerin bei Endress+Hauser für dieses Thema und erklärt im Interview den Nutzen der Technologie für die Prozessindustrie. Das Interview führte Frank Jablonski, freier Journalist, Würzburg.
Frau Knall, ein Coriolis-Messgerät ist doch in erster Linie ein Massedurchflussmessgerät. Sie stellen nun aber die Konzentrationsmessung mit diesen Geräten ins Rampenlicht. Ist das nicht nur eine Nischenanwendung?
Jana Knall: Im Gegenteil! Gerade die Kombination der Messgrößen Durchfluss und Konzentration ist für viele Anwender sehr attraktiv. Zwar ist es am Ende des Tages für viele Betreiber nicht die eigentliche Aufgabe, eine Konzentration zu messen. Was die meisten vielmehr interessiert, ist ihren Prozess zu steuern. Sie möchten bspw. wissen, wie viel eines Stoffes zu Beginn dosiert werden muss, um am Ende den gewünschten Output zu erhalten, also ein reproduzierbares Endprodukt zu erzeugen. Oder nehmen Sie eine Anwendung, in der teure Lösungsmittel oder Zuschlagstoffe dosiert werden. Da geht es nicht nur um ein zu erreichendes Mischungsverhältnis, sondern auch darum, wertvollen Rohstoff zu sparen.
Gibt es nicht besser geeignete Methoden, um die Stoffmenge zu definieren?
J. Knall: Welche Methode sich für die Konzentrationsmessung eignet, hängt stark von der Messaufgabe ab. In vielen Anwendungen genügt allerdings ein Summenparameter wie die Dichte. Es stellt sich auch die Frage, was der Anwender bereits kennt und wie einfach eine Methode in der Praxis zu bedienen ist. Der Transfergedanke vom Lab-to-Field ist hier besonders wichtig: Aus dem Labor bekannte Messgrößen im Prozess nutzen zu können, ist für viele Anwender sehr hilfreich. Die Dichte als Maß für die Konzentration bei bekannten Stoffgemischen ist ein sehr gängiger Summenparameter. Wir merken immer wieder, dass sehr viele Anwender umfangreiche Erfahrung mit der Messgröße haben, sich in der Laborumgebung daran gewöhnt haben und gern damit ihren Prozess steuern. Das kommt uns einerseits entgegen. Andererseits liegt hier häufig eine Schwierigkeit, mit bestimmten Erwartungshaltungen umgehen zu müssen.
Welche Erwartungshaltungen sind das? Wo genau liegt hier das Problem?
J. Knall: Nun, eine häufige Fehlerquelle ist es, die im Labor und im Feld gemessenen Werte 1:1 miteinander zu vergleichen. Im Labor existiert in der Regel eine sehr definierte Umgebung, im Feld ist meist das Gegenteil der Fall.
Können Sie hier ein Beispiel nennen?
J. Knall: Nehmen Sie eine traditionell häufig verwendete Maßeinheit bei der Konzentrationsmessung in Flüssigkeiten, Brix. Sie gibt die Konzentration von Saccharose, also Zucker, in Wasser an und findet somit Anwendung bei der Bestimmung des Zuckergehalts von Fruchtsäften oder Sirup. Die seit langer Zeit verwendeten Spindeln basieren auf dieser Skala und aufgrund von fehlenden Alternativen wurden diese dann auch für die Konzentrationsmessung ganz anderer Medien verwendet. Das hat in der Regel nur eine sehr eingeschränkte Aussagekraft, denn andere zuckerhaltige Lebensmittel haben nicht dieselben physikalischen Eigenschaften. Wenn noch Temperaturunterschiede zwischen Labor und Prozess dazu kommen, können die Messwerte schlicht nicht miteinander verglichen werden. Die thermische Ausdehnung von Zuckerwasser ist eben anders als die von Mandelmilch oder einem Haferdrink. Viele Anwender sprechen also von Brix, meinen aber nicht zwingend Zucker, obwohl das die Definition verlangt. In der Konsequenz vermuten sie dann, ein im Coriolis-Durchflussmessgerät gemessener korrekter Wert für die Dichte stimme nicht.
Wie gehen Sie damit um?
J. Knall: Eine Möglichkeit damit umzugehen, ist den Wert des Geräts auf die Laborwerte abzugleichen. Unter Wissenschaftlern ist das zwar verpönt, bildet jedoch die Praxis ab, womit Anwender in vielen Fällen durchaus erfolgreich ihren Prozess steuern. Dieses sogenannte „Finetuning“ kann ein finaler Schritt bei der Konzentrationsmessung sein. In vielen Anwendungen ist es gar nicht notwendig. Wir haben uns zudem intensiv mit der Anwenderfreundlichkeit auseinandergesetzt, die bei der Inbetriebnahme des Geräts beginnt. Der Startpunkt war der Launch unseres Durchflussmessgeräts Promass Q, das eine außergewöhnlich gute Dichteperformance hat. Im Zuge dieser Aufwertung der Messgröße Dichte war uns klar, dass wir auch die Bediensoftware aufwerten müssen. Zunächst haben wir ein dediziertes Anwendungspakete „Konzentration“ für die Lebensmittelindustrie bereitgestellt, neben dem Paket für den Öl- und Raffineriesektor. Ein wichtiger Schritt folgte, indem wir die jeweiligen Anwendungspakete benutzerfreundlicher gestalteten: Die Anwenderin oder der Anwender kann in der Software zwischen vielen verschiedenen Medien wählen. Am einfachsten geschieht die Parametrierung über den Webserver-Zugang von Promass.
Damit entfallen dann händische Eingriffe?
J. Knall: Nicht ganz. Bei kniffeligen Anwendungen oder bei der Messung von Exoten kann das nach wie vor wichtig und richtig sein. Aber auch hierzu gibt es bereits Ideen, um dem Nutzer das Leben zu erleichtern. Man darf also gespannt sein was da noch kommt.
Gibt es denn noch weitere Innovationen?
J. Knall: Ein großer Schritt wird sein, dass ab Mai dieses Jahres unsere Kunden das Durchflussmessgerät Promass Q in der Nennweite DN 25 mit der Premiumdichte-Option erwerben können, das üblicherweise im Bypass als reines Dichtemessgerät betrieben wird. Mit einer Dichtespezifikation von 0,1 kg/m3 verbessern wir die Genauigkeit ein weiteres Mal.
Sie haben bereits zwei Branchen genannt. In welchen industriellen Bereichen spielt das Thema Konzentrationsmessung derzeit aus Ihrer Erfahrung noch eine besonders wichtige Rolle?
J. Knall: Der weitaus größte Anwendungsbereich liegt in der Tat in der bereits erwähnten Lebensmittelindustrie. Wir haben auch viele Kunden aus der Chemie, dem Bergbau oder dem Bereich der Abwasserbehandlung. Hier werden z. B. Schlammkonzentrationen mit Coriolis-Durchflussmessgeräten überwacht.
Vielen Dank für das interessante Gespräch.
Chemikerin aus vollem Herzen
„Bei kniffeligen Fragestellungen unserer Kunden kommt nicht selten die Wissenschaftlerin bei mir durch“, sagt Jana Knall und lacht. Als Produktmanagerin Coriolis arbeitet sie seit mehr als sechs Jahren bei Endress+Hauser im Bereich der Durchflussmessung. Schon seit 2005 bringt sie ihre Expertise und ein tiefes Verständnis für chemische Prozesse und physikalisch/chemische Zustände und Eigenschaften von Stoffgemischen ein. Häufig ist sie gefragt, im Produktionsalltag Ungereimtheiten zwischen Labor- und Prozess-Messwerten zu klären. Durch die wechselnden Branchen und ihren Anforderungen sowie durch die Zusammenarbeit mit Anwendern und Anlagenbauern ist sie zu einer Expertin für Konzentrationsmessung für die unterschiedlichsten Applikationen geworden: Vom Speiseeis in der Lebensmittelproduktion bis hin zum Feststoffanteil bei Schlammmessungen.
Coriolis: Die Kraft, die auf bewegte Massen wirkt
Ein Coriolis-Messgerät wird von vielen Anwendern als Spezialist für schwierige Messaufgabe angesehen. Aufgrund der simultanen Nutzung von Schwingungsfrequenz und Phasenverschiebung der vibrierenden Messrohre können gleichzeitig die Dichte und der Massefluss ermittelt werden. Dabei basiert die Angabe einer Konzentration auf der Dichtemessung mit dem Coriolis-Massedurchflussmessgerät. Im Rahmen der Messung wird das vom Medium durchflossene Rohr in Schwingung versetzt. Aus der Schwingungsfrequenz wird die Dichte des Gesamtgemischs berechnet. Wenn die Komponenten des Gemisches bekannt sind, kann der Anwender so Rückschlüsse auf die Zusammensetzung ziehen. Die Dichte des Mediums gibt somit innerhalb der Prozesstechnik bspw. Auskunft darüber, ob ein Prozess innerhalb einer Spezifikation abläuft oder nicht.