07.08.2025 • PraxisberichteWikaWasserstoffMesstechnik

Druckmessung: Welche Herausforderungen stellt Wasserstoff an die Messtechnik

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Wasserstoff-Permeation war bisher ein teures Problem: Goldbeschichtungen schützten Drucksensoren vor Wasserstoffdiffusion. Wika hat eine Alternative entwickelt: Titannitrid-Schichten auf Elgiloy-Basis minimieren Signaldrift kostengünstiger und ohne Kratzempfindlichkeit. Mechanische Manometer benötigen austenitischen Stahl und Sicherheitsstufe S3.

Autor: Christian Wirl, Portfolio Manager Wasserstoff, Wika Alexander Wiegand

Wika ersetzt Gold: Titannitrid-Schicht schützt H2-Drucksensoren kosteneffizient

Bei der Herstellung, Speicherung, dem Transport und Einsatz von Wasserstoff spielen Druckmessgeräte eine wichtige Rolle: egal ob elektronische Sensoren oder mechanische Manometer. Wasserstoff hat als alternativer Energieträger ein bedeutendes Zukunftspotenzial, birgt für die Messtechnik allerdings gewisse Herausforderungen. Was bedeutet das für den Einsatz von Druckmessgeräten in Applikationen mit Wasserstoff?

Wasserstoff hat die Eigenschaft, viele Materialien schnell zu durchdringen. In elektronischen Drucksensoren bspw. diffundieren H-Atome in die Metallmembran. Diese sog. Permeation kann auf Dauer die Messgenauigkeit beeinträchtigen, insbesondere bei hohen Temperaturen. Um eine Signaldrift zu vermeiden, beschichten Hersteller ihre Sensoren bislang häufig mit Gold. Hierzu gibt es jetzt eine alternative Technologie, die nicht nur kosteneffizienter, sondern auch robuster ist.

Potenzielle Signaldrift durch H2-Diffusion

Das Messprinzip von Dünnfilm-Druckmesszellen beruht darauf, dass elektrische Widerstände auf einer Membrane angeordnet und zu einer Wheatstoneschen-Messbrücke zusammengeschaltet sind. Unter Druck verformt sich die Membran und die Widerstände werden je nach Position gestaucht oder gedehnt. So verändert sich proportional zum Druck der Widerstandswert. Dieser wird vom Sensor erfasst und in ein elektrisches Signal umgewandelt.

Das Medium Wasserstoff kann hier einen Signalversatz herbeiführen. Grund dafür ist, dass die H2-Moleküle zu atomarem Wasserstoff dissoziieren und die Atome in die Metallmembran eindringen. Sie diffundieren in die Widerstandselemente der Wheatstone-Brücke auf der anderen Seite der Membran. Dadurch verändern sich die Werte von einzelnen Widerständen. Da dies nicht gleichmäßig über alle Widerstände hinweg geschieht, ändert sich der Widerstandswert der Wheatstone-Brücke. Somit kommt es zu einer Signaldrift. Diese Problematik verstärkt sich bei hohen Temperaturen.

State of the Art: Beschichtung mit Gold

Eine weit verbreitete, wirksame Lösung, um die Signaldrift durch eindringenden Wasserstoff zu vermeiden, ist eine Beschichtung aus Gold: In frontbündigen, ölgefüllten Messsystemen werden die medienberührten Strukturen mit dem Edelmetall beschichtet. Gold hat im Vergleich zu Stahl einen deutlich geringeren Diffusionskoeffizienten. Wasserstoff durchdringt zwar auf Dauer jedes Metall – Gold jedoch um Potenzen langsamer als Stahl. Eine Signaldrift lässt sich somit über die gesamte Produktlebensdauer minimieren.

Diese Methode hat allerdings mehrere Nachteile. Die Beschichtung mit Gold ist kostspielig: sowohl der Werkstoff als auch der entsprechende Schritt in der Herstellung des Sensors. Außerdem bedarf es besonderer Sorgfalt beim Einbau des Sensors, denn die frontbündig aufgebrachte, sehr dünne Goldbeschichtung ist empfindlich. Jeder Kratzer verringert oder eliminiert gar die Wirkung des Goldes.

Neuartige Technologie als Alternative

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Wika hat jetzt eine Alternative zur Goldbeschichtung entwickelt und zum Patent angemeldet, welche die H2-Einwirkung ebenso effektiv minimiert und die genannten Nachteile eliminiert. Die Technologie kommt bei einem neuartigen Dünnfilm-Drucksensor zum Einsatz, den der Messtechnikhersteller vollständig inhouse fertigt. Das Unternehmen verwendet für den Sensorkörper den bewährten Werkstoff Elgiloy, eine Kobalt-Chrom-Nickel-Legierung. Das Material ist aufgrund seiner Elastizität und Festigkeit gut geeignet, um daraus Drucksensoren herzustellen. Darüber hinaus ist es unanfällig für Wasserstoffversprödung, sofern bestimmte Design­vorgaben berücksichtigt werden. Auf dem Elgiloy-Sensor wird eine zusätzliche Schicht aus Titannitrid (TiN) aufgebracht, die den Einfluss von H2 auf die sensiblen Strukturen minimiert. Sie befindet sich zwischen der Isolationsschicht des Sensors und der Widerstandsschicht und ist ebenso wie diese Schichten nur wenige Nanometer dick.

Mehrere Vorteile gegenüber der Goldbeschichtung

Die zusätzliche Schicht aus Titannitrid bietet im Vergleich zur frontbündigen Goldbeschichtung zahlreiche Vorteile. Ein Verkratzen bei der Montage ist ausgeschlossen, da die TiN-Schicht ohne direkten Kontakt mit dem Messmedium im Inneren des Geräts liegt. Sensoren mit einer zusätzlichen Schicht aus Titannitrid auszustatten, ist zudem deutlich kosteneffizienter. Zum einen ist der Werkstoff kostengünstiger als Gold und zum anderen ist die Herstellung weniger aufwendig, da bestehende Anlagen und Verfahren genutzt werden.

Ein Vorteil ist außerdem, dass Anwender die mit diesem Sensor aufgebauten Drucktransmitter einfach in ihre bestehenden Applikationen integrieren können. Während es für die goldbeschichteten Geräte frontbündige Prozessanschlüsse mit entsprechend bemaßten Gegenstücken braucht, können beim Einsatz des neuen Dünnfilm-Sensorelements Standard-Druckanschlüsse verwendet werden.

H2 und mechanische Manometer

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Dünnfilmsensor
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Im Gegensatz zu elektronischen Druckmessgeräten oder Druckmittlern beeinflusst die Diffusion von H2 bei mechanischen Manometern die Messgenauigkeit nicht. Diese Geräte übernehmen etwa die Drucküberwachung an Messstellen, die eine Vor-Ort-Anzeige erfordern, oder dienen als Back-up für elektronische Systeme. Für Wasserstoffapplikationen, insbesondere im hohen Druckbereich, werden vorwiegend CrNi-Stahl-Manometer mit messstoffberührten Teilen aus austenitischem Stahl eingesetzt. Denn bestimmte austenitische Stähle wie 316L sind gegen eine Versprödung durch H2 resistent.

Dennoch kann über einen langen Zeitraum hinweg Wasserstoff durch das Messelement in das Manometergehäuse austreten: Aufgrund der Bauform des Gehäuses – das unter anderem Kunststoffbauteile enthält – findet ein H2-Konzentrationsausgleich mit der Umgebung statt. Deshalb ist es immer empfehlenswert, das Manometer in einer belüfteten Umgebung einzusetzen.

In den meisten Applikationen tritt H2 gasförmig auf und ist dabei in der Regel Drücken zwischen 60 bar (Erstabfüllung) und 1.000 bar (Tankstelle) ausgesetzt. Die Anwender-Norm EN 837-2 für die Auswahl und den Einbau von Druckmessgeräten empfiehlt bei Gasen und Drücken > 25 bar Manometer in Sicherheitsausführung, mindestens Stufe S2. Bei CrNi-Stahl-Manometern sind jedoch die Sicherheitsausführungen S1 und S3 marktüblich.

Geräte mit der höchsten Sicherheitsstufe

Mechanische Manometer für Wasserstoff-Anwendungen sollten daher der höchsten Sicherheitsstufe S3 entsprechen. Die jeweiligen Geräte verfügen etwa über eine nichtsplitternde Sichtscheibe, eine bruchsichere Trennwand zwischen Messsystem und Zifferblatt sowie eine ausblasbare Rückwand. Letztere sorgt dafür, dass das Bedienpersonal an der Frontseite im Fehlerfall vor eventuell austretenden Bauteilen und Medium geschützt ist. Für jene Messstellen, an denen aufgrund der hohen Entzündlichkeit von bestimmten Wasserstoff-Gemischen Explosionsgefahr besteht, benötigen Manometer zudem eine ATEX-Zertifizierung.

Fazit

Druckmessgeräte für Wasserstoff-Applikationen müssen der Eigenschaft von H2 Rechnung tragen, Werkstoffe schnell zu durchdringen. Bislang war eine frontbündige Schutzschicht aus Gold das Mittel der Wahl, um in ölgefüllten Sensoren die H2-Permeation zu minimieren. Die neue Technologie von Wika, Dünnfilm-Drucksensoren aus Elgiloy mit einer zusätzlichen Schicht aus Titannitrid auszustatten, stellt eine kostengünstige, anwendungsfreundliche und ebenso effektive Option dar.

Bei mechanischen Manometern bieten medienberührte Teile aus austenitischem Stahl wirksamen Schutz vor Wasserstoffversprödung. Dennoch ist es empfehlenswert, dass die Geräte der höchsten Sicherheitsstufe S3 entsprechen, um Normvorgaben zu erfüllen.

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Christian Wirl

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