04.06.2024 • PraxisberichteCITplusAchemaAchema2024

e-Methanol – flexible Methanolsynthese durch Entkopplung der Prozesseinheiten

Die fluktuierende Bereitstellung von erneuerbarem Strom hat einen signifikanten Einfluss auf die Auslegung und den Betrieb von e-Methanol-Anlagen. Air Liquide hat techno-ökonomische Untersuchungen mit einem eigens dafür entwickelten Simulations-Framework durchgeführt, um den Bedarf und den Nutzen des flexiblen Betriebs der Methanolsynthese zu analysieren. Im Ergebnis ist ein flexibler Betrieb von enormem Vorteil, ab einem gewissen Grad ist jedoch kein Mehrwert mehr erkennbar.

© Dimitry Kovalchuk - stock.adobe.com
© Dimitry Kovalchuk - stock.adobe.com

e-Methanol, hergestellt aus CO2 und erneuerbarem H2, nimmt auf dem Gebiet der Carbon Capture and Utilisation (CCU) eine zen­trale Rolle ein. Das benötigte H2 wird mittels Elektrolyse unter Einsatz erneuerbarer Energien gewonnen und macht einen signifikanten Kostenanteil am e-Methanol aus. Im Unterschied zu konventionellen Methanolanlagen, welche i.d.R. auf maximale Produktion bei konstant hoher Verfügbarkeit der Einsatzstoffe ausgelegt sind, spielen die variierenden Stromkosten daher eine zentrale Rolle. Daher bietet ein flexibler Betrieb der e-Methanol-Anlage – mittels opportunistischer H2-Produktion und -Nutzung je nach Verfügbarkeit kostengünstigen erneuerbaren Stroms – attraktive Einsparpotenziale. Kann die Gesamtanlage dem fluktuierenden Stromangebot der Erneuerbaren nicht folgen, drohen Einbußen bei der Produktion oder es wird Methanol erzeugt, welches nicht mehr den durch Verordnungen vorgegebenen Kriterien entspricht und daher zu einem geringeren Preis verkauft werden muss.

Air Liquides flexible Methanoltechnologie zur CO2-Wertschöpfung

Als globaler Marktführer bei gasbasierten Methanolanlagen mit insgesamt mehr als 50 gebauten und in Betrieb genommenen Lurgi-­Methanol-Referenzanlagen zwischen 15 und 11.000 Tagestonnen verfügt Air Liquide über eine jahrzehntelange Innovationshistorie in den Methanoltechnologien. Anlagen mit besonders CO2-reichem Synthesegas wurden bereits seit den 70er-Jahren gebaut und in Betrieb genommen. In den 90er Jahren begann die gezielte Forschung und das Prozessdesign für ausschließlich CO2- und H2-basierte Methanolanlagen. Seitdem wurden anhand tausender Versuchsstunden in den Air Liquide-Pilotanlagen die proprietären kinetischen Modelle für die CO2- und H2-basierte Methanolsynthese weiterentwickelt und optimiert.

Das damit einhergehende und tiefgreifende Prozessverständnis vereint Air Liquide mit Engineering- und Designkompetenzen sowie der Inbetriebnahme- und Betriebserfahrung aus regelmäßig realisierten Methanolprojekten zu einer technologischen Expertise in der CO2-basierten Methanolproduktion. Diese wird durch die marktführende Rolle von Air Liquide auf den Gebieten der Gaserzeugung und -behandlung komplementiert, sodass Air Liquide das einzige Unternehmen ist, welches alle zentralen Bausteine für CO2-basiertes Me­­thanol aus einer Hand anbieten kann[1]:

  • Methanolsynthese und Methanoldestillation (Lurgi Methanol),
  • PEM-Elektrolyse aus eigener Produktion (im Joint Venture mit Siemens Energy),
  • CO2-Abscheidung (Cryocap, Rectisol, Recticap, Amine wash),
  • H2-Rückgewinnung (PSA, Membrantechnologien).

In der Air Liquide-Strategie für CO2-basiertes Methanol nehmen Energie- und Kosteneffizienz eine zentrale Stellung ein[2]. Dabei steht ein flexibler Betrieb der Methanolanlage immer dann im Mittelpunkt, wenn die H2- bzw. CO2-Versorgung zeitlichen Schwankungen unterliegt (z.B. infolge der Übersetzung von Schwankungen einer erneuerbaren Energiequelle oder des Strompreises in Fluktuationen der H2-Produktion in der Elektrolyse).

Flexibles Prozessdesign

Zentraler Baustein eines flexiblen Prozessdesigns ist die Entkopplung der Prozesseinheiten Elektrolyse, CO2-Abscheidung, Methanol­synthese und Methanoldestillation mittels entsprechender Speicherenheiten. Eine komplett flexible Power+CO2-to-Methanol-Anlage ist in Abb. 1 dargestellt. Dabei können die i.d.R. unvermeidlichen H2- bzw. CO2- sowie Methanolspeicher auch durch ein Flexibilitätskonzept aus elektrischem und thermischem Energiespeicher erweitert werden.

Im Folgenden wird die Gaszwischenspeicherung betrachtet, welche kritische Vorteile für den
flexiblen Betrieb bietet:

  1. Entkopplung der Methanolsynthese von den Fluktuationen der H2- und CO2-Quelle, z. B. infolge der schwankenden Verfügbarkeit erneuerbaren Stroms, oder eines veränderlichen CO2-Gehalts in einem Rauchgasstrom.
  2. Minimierung der LCOM (levelized cost of Methanol) mittels Optimierung der Anlagenauslastung unter Beachtung der schwankenden CO2- bzw. H2-Versorgung.

 

© Air Liquide

 

Modellbasierte Optimierung

Um eine e-Methanol-Anlage optimal für die projektspezifischen Rahmenbedingungen auszulegen, nutzt das Unternehmen ein selbst entwickeltes Simulations-Framework. Dieses Frame­work besteht aus Submodellen wie bspw. Elektrolyse, Synthese, H2/CO2-Speicher, etc., welche die jeweiligen funktionalen Eigenschaften wie Wirkungsgrade, Betriebsbereiche und Lastwechselraten beinhalten.

Das funktionale Modell ist in ein techno-ökonomisches Gesamtmodell eingebettet, welches in einem gegebenen Suchraum die optimale Konfiguration mit Blick auf die Methanolgestehungskosten ermittelt.

 

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Für den optimierten Betrieb jeder untersuchten Konfiguration kommt ein prädiktives Verfahren zum Einsatz, das unter Einbezug der prognostizierten Verfügbarkeit von (erneuerbarem) Strom und (biogenem) CO2, sowie unter Berücksichtigung des Anlagenzustands (z. B. aktuelle Anlagenlast, Füllstand des Wasserstoff-, CO2 und Rohme­thanol-Speichers) das optimale Betriebsprofil der Anlage ermittelt.
Kann die Methanolsynthese keinerlei Flexibilität zur Verfügung stellen, so muss der H2-Speicher alle kurz- und langfristigen Fluktuationen auffangen. Wie in Abb. unten gezeigt, führt dies zu Speichergrößen, die ohne Zugang zu einem Untergrundspeicher nicht mehr realistisch darstellbar sind. Der Abbildung liegt eine generische Fallstudie für einen Standort in Europa zu Grunde, deren Rahmenbedingungen in Tab. oben zusammengefasst sind. Das Anlagenkonzept wurde mittels des oben beschriebenen Simulationsframework hinsichtlich der Methanolgestehungskosten optimiert. Dabei wurde insbesondere das optimale Verhältnis zwischen Wind- und PV-Strom (65 % Onshore Wind und 35 % Photovoltaik), sowie die optimale Gesamtleistung der erneuerbaren Energieanlagen bestimmt.

 

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Ist eine höhere Flexibilität immer besser?

Der Anlagenbauer hat das Zusammenwirken von Vorhersagen (der erneuerbaren Energiequellen), H2-Zwischenspeicherung und Flexibilität in der Methanolsynthese intensiv untersucht. Die Flexibilität der Methanolsynthese wird in erster Näherung durch die minimale Teillast und die maximalen Laständerungsraten beschrieben. In Tab. unten werden die Auswirkungen verschiedener Werte für die minimale Teillast und die maximale Laständerungsrate auf die Jahresproduktion und die Methanolgestehungskosten einer e-Methanol-Anlage gezeigt.

 

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Eine gewisse Flexibilität der Methanolproduktion ist der Schlüssel zu signifikanten Kostensenkungen. Bereits mit einer Teillastfähigkeit von 50 % und einer Laständerungsrate von nur 10 %-Punkten pro Stunde kann der Kostenindex signifikant reduziert werden. Hierzu sei angemerkt, dass wahrscheinlich alle sich im Betrieb befindlichen Methanolanlagen grundsätzlich eine gewisse Flexibilität vorweisen können, jedoch wurden sie nie explizit darauf ausgelegt, diese auch kontinuierlich einzusetzen. Die hohen Kosten einer unflexiblen Lösung liegen zum einen in den Kosten für den großen H2-Speicher, zum anderen in der geringeren Produktionsmenge begründet.

Erhöht man die Flexibilität weiter, so entstehen kaum zusätzliche Einsparungen, solange ein prädiktiver Ansatz im Prozessleitsystem genutzt wird, der die Vorhersage der erneuerbaren Stromerzeugung in die Bestimmung des Betriebspunktes der Anlage mit einfließen lässt. In diesem Fall wurde ein Vorhersagehorizont von 6 Stunden angenommen.

Auf der Abb. unten ist zu sehen, weshalb sich ab einer gewissen Flexibilität keine signifikanten Verbesserungen mehr einstellen: Im Vergleich zwischen den Profilen des H2-Massenstroms (oben), sowie des H2-Speicherfüllstands (unten) für verschiedene Laständerungsgeschwindigkeiten wird deutlich, dass die intelligente Einbindung eines H2-Speichers kombiniert mit einem prädiktiven Betriebsführungsansatz dazu führt, dass schnelle Laständerungen in der Methanolsynthese keinen Mehrwert bringen. Der prädiktiven Betriebsoptimierung gelingt es weiterhin, die starken Fluktuationen im Wasserstoff-Massenstrom des Elektrolyseurs durch einen intelligenten Einsatz des zur Verfügung stehenden H2-Speichervolumens sehr effektiv zu dämpfen. Voreilige Änderungen des Betriebszustands der Methanolsynthese können dadurch weitgehend vermieden werden.

 

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Zusammenfassung

Die fluktuierende Bereitstellung des Einsatzstoffs “erneuerbarer Strom” hat einen signifikanten Einfluss auf die Auslegung, Betriebsweise und Kosteneffizienz von e-Methanol-Anlagen. Air Liquide‘s modellbasierte Untersuchungen unter Nutzung der jahrzehntelangen Erfahrung in der Entwicklung, Auslegung, Lieferung und Inbetriebnahme von Methanolanlagen haben gezeigt, dass eine flexible Fahrweise von e-Me­thanol-Anlagen wesentliche Vorteile bringt. Mit einem moderaten Maß an Flexibilität in Kombination mit einem vergleichsweise kleinen, intelligent und prädiktiv betriebenen H2-Speicher können Methanolproduktionsmenge gesteigert und Methanolgestehungskosten signifikant reduziert werden. Gegenüber einem moderat dynamischen Betrieb der Methanolsynthese bietet ein hochdynamischer Betrieb jedoch keinen erkennbaren zusätzlichen Vorteil.

Quellen:
[1] Air Liquide Engineering & Construction technology handbook: https://engineering.airliquide.com/sites/engineering/files/2022-09/technohandbook11oct.pdf
[2] CIT 2022 AL “New development in the synthesis of methanol by Air Liquide to minimize carbon footprint of large scale plants and to valorize unconventional feedstocks with small scale units” (2022, Haag et al.)

 

Autoren:

V. Pena © Air Liquide   Vincent Peña, Process Engineer, Syngas and Methanol Product Line Air Liquide Engineering & Construction

V. Gronemann © Air Liquide   Veronika Gronemann, Head of Methanol, Syngas and Methanol Product Line Air Liquide Engineering & Construction

© Air Liquide   Sebastian König, Director Sales Electrolysis, Air Liquide Engineering & Construction

S. Haag © Air Liquide   Stéphane Haag, Group Manager Analytics & Operations, Innovation Campus Frankfurt, Air Liquide Forschung & Entwicklung

 

 

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Air Liquide Deutschland GmbH

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