21.03.2025 • Praxisberichte

Wie sich Eternet-APL durchsetzen kann

Ethernet Advanced Physical Layer (Ethernet-APL) ermöglicht den Einsatz von Ethernet in anspruchsvollen Prozessindustrien. Durch die Konnektivität von Ethernet-APL können Feldgeräte auf Edge- und Cloud-Computing-Funktionen zugreifen und von neuen datenbasierten Anwendungsmöglichkeiten profitieren. Tilo Merlin, Manager Platforms, ABB Process Automation, legt im Interview dar, wie ABB die Technologie in seine Messgeräte integriert hat und welche Vorteile er darin sieht.

Das Interview führte Dr. Etwina Gandert, Chefredakteurin CITplus.

Ethernet-APL bietet eine hohe Datenrate und eine sichere, explosionsgeschützte Übertragung mit Vorteilen für die Instandhaltung und Wartung.

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ABBs FSS450 Swirl- und FSV450 Vortex-Durchflussmessgeräte sind mit Ethernet-APL-Konnektivität erhältlich.
© ABB

Ethernet ist die am weitesten verbreitete Kommunikationstechnologie. Sie wird bereits in industriellen Anwendungen als physikalische Ebene für die Erfassung von Daten und die Steuerung dezentraler E/A und elektrischer Geräte unter Verwendung von Protokollen wie Profinet und Modbus eingesetzt. In den meisten Prozessindustrien ist die Anwendung jedoch aufgrund von fehlender Eigensicherheit, Kosten und begrenzter Kabellänge, die den Aufbau von Kommunikationsnetzen in großen Industrieanlagen erschweren, minimal geblieben.  

Diese Probleme wurden durch Ethernet-APL gelöst. Ethernet-APL basiert auf der erfolgreichen Zusammenarbeit von 12 großen Industrieanbietern der Prozessautomatisierung, darunter ABB, und internationalen Standardorganisationen. Ethernet-APL bietet verbesserte Datenraten von bis zu 10 MBit/s über eine geschirmte Zweidrahtverbindung für die sichere Übertragung von Strom und Daten und Kabellängen von bis zu 1.000 m. Auch die Eigensicherheit einschließlich eines Profils zur Begrenzung der Versorgungsspannung und des Stroms ist vollständig integriert um das Risiko von Funkenbildung auszuschließen, sodass Ethernet-APL in explosionsgefährdeten Umgebungen eingesetzt werden kann.  

Nachgefragt

Kurz-Interview mit Tilo Merlin, ABB

„Die Erwartungen an
eine neue Technologie sind hierzulande sehr hoch.
Man will zwar Vorreiter sein, aber bitte nicht der erste.“

Tilo Merlin, ABB
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Tilo Merlin, Plattform Manager, ABB Process Automation
© ABB

CITplus: Welche Vorteile bietet Ethernet-APL im Vergleich zu herkömmlichen Feldbus-Technologien? Worin liegen für den Anwender die entscheidenden Unterschiede?

Tilo Merlin: Ethernet ist einfach zu installieren und zu konfigurieren. In der Industrie schätzt man die robuste Übertragung sowie die Geschwindigkeit und erreichbare Zykluszeiten für Steuerungen. Viele Protokolle setzen auf Ethernet auf und benutzen die gleiche Infrastruktur, darunter die für Automatisierung wichtigen Profinet und ModbusTCP. Ethernet hat sich als Kommunikationsstandard für LANs (Local Area Networks) weltweit durchgesetzt. All diese Vorteile sind mit APL auch nun auch für Anwendungen in der Prozessindustrie nutzbar.

Welche Rolle spielen die Ethernet-APL Field Switches bei der Implementierung eines Ethernet-APL-Netzwerks? Wie aufwendig oder einfach ist die Installation?

T. Merlin: Switches sind ein Standard-Element für den Aufbau von Ethernet-Netzwerken und steuern den Datenfluss intelligent. Das ist ein wesentlicher Unterschied zum klassischen Feldbus, bei dem grundsätzlich jede Nachricht den gesamten Bus blockiert. APL benötigt lediglich eine 2-Drahtleitung und ist über Schraub- bzw. Federzugklemmen anzuschließen, was es vom klassischen Ethernet unterscheidet. Das ist betriebsbewährte Technik und als Werkzeug genügt ein Schraubendreher. Kabeldurchführungen z. B. in Schutzart IP67 an Feldgeräten sind dabei kein Problem.

Für welche Messtechnik von ABB ist Ethernet-­APL bereits verfügbar – auch in explosions­gefährdeten Bereichen?

T. Merlin: Die Durchflussmesser der Serien VortexMaster und SwirlMaster sind seit 2024 verfügbar und bieten neben Profinet und ModbusTCP auch eine integrierte Weboberfläche (https) zur einfachen Inbetriebnahme und Diagnose. In 2025 wird APL auf das gesamte Portfolio der Durchflussmess­technik ausgerollt, d. h. Magnetisch induktive Durchflussmesser der Serie ProcessMaster, Massedurchflussmesser der Serien Coriolis­Master und SensyMaster. Alle Geräte sind für den Betrieb im explosionsgefährdeten Bereich geeignet und besitzen die entsprechenden Zertifikate für den amerikanischen, europäischen und asiatischen Markt.

Welche Möglichkeiten eröffnen das schnelle Erfassen und -Analyse von Prozess- und Diagnosedaten mit den neuen Durchflussmessern?

T. Merlin: Zum einen können vom selben Gerät gleich mehrere Messwerte geliefert werden, die bisher mehrere separate Messstellen erforderten, zum Beispiel Volumendurchfluss, Massedurchfluss, Energieberechnungen, Prozesstemperatur. Umfangreiche und klar verständliche Diagnosemeldungen sorgen für die Sicherheit im Betrieb und erlauben eine vorbeugende Wartung. Im Durchflussmesser werden Diagnosen netzausfallsicher gespeichert und es steht ein Datenlogger zur Aufzeichnung von Messwerten mit konfigurierbarer Abtastrate zur Verfügung.

Welche Vorteile bietet Ethernet-APL in der Instandhaltung und Wartung?

T. Merlin: Ethernet kommt ursprünglich aus der IT Welt. Datentransport über verschiedene Medien und große Entfernungen sind seit vielen Jahren Standard und spätestens seit der Coronapandemie sind  Remote-Zugriff auf Ressourcen und das Arbeiten aus der Ferne für jeden von uns – ob Experte oder nicht – ganz praktisch erlebbar geworden. Auf Ethernet-APL Geräte kann grundsätzlich aus dem lokalen Netzwerk zugegriffen werden unter Berücksichtigung einschlägiger Security-Richtlinien. Der Gang ins Feld, nur um Werte vom lokalen Display des Gerätes abzulesen, ist häufig nicht mehr notwendig. Das ist nicht nur bequemer, es erhöht die Effizienz und die Arbeitssicherheit! Unter Verwendung gesicherter Remote-Zugänge (VPN) können auch adhoc Experten weltweit in Fehleranalyse und Optimierung eingebunden werden.

Wie unterstützt ABB Unternehmen bei der Optimierung ihrer Bediener­arbeitsplätze und der Überwachung kritischer Prozesse?

T. Merlin: ABB ist seit 20 Jahren Weltmarktführer bei der Prozessleittechnik und bietet neben der entsprechenden Hard- und Software die Planung und Errichtung von Leitwarten, optimiert für den 24/7 Betrieb mit Fokus auf Ergonomie, Effizienz und Sicherheit – besonders in kritischen Situationen. Die ABB Ability Genix Plattform liefert KI gestützte Datenanalyse und hilft bei der Optimierung von Produktionsprozessen. Im Feld sorgen Produkte wie Field Information Manager und SmartMaster für die Überwachung der Anlage und der installierten Feldgeräte – rund um die Uhr.

Worin sehen Sie noch Hürden für die Implementierung von Ethernet-APL-Technologie in der Chemiebranche? Lässt sich der ROI beziffern?

T. Merlin: Bei vielen Kunden läuft die Digitalisierung in der Produktion gerade erst an, dem jahrelangen Streben nach Industrie 4.0 zum Trotz. Diese Kunden entdecken gerade erst den Feldbus und sehen sich nun schon wieder mit etwas neuem konfrontiert und hören, dass der Feldbus eher ein Auslaufmodell ist. Die Erwartungen an eine neue Technologie sind hierzulande sehr hoch. Man will zwar Vorreiter sein, aber bitte nicht der erste. Als Ingenieur macht es mich nicht glücklich, das bei uns in Zentraleuropa, einst Pionier bei Eisenbahn, Flugzeugbau, der Computertechnik, der Chemie heute die Skepsis überwiegt beim Blick auf Neues. Beispiele dafür sind 5G, E-Mobilität oder Wärmepumpen. Wir als Hersteller können aber auch einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung von APL leisten – und der heißt Einfachheit. Einfache Installation, Inbetriebnahme, Handhabung, Zugang.

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