Ein Leitfaden für die Kreislaufwirtschaft

Die Kreislaufwirtschaft braucht Leitlinien und einheitliche Standards, damit alle Partner der Rohstoff-, Produkt- und Recycling-Kette erfolgreich miteinander arbeiten können. Die Normungsroadmap Circular Economy bietet den Rahmen dafür. Der digitale Produktpass ist ein Teil davon und soll alle Produktinformationen bündeln.

Alexandra Engelt, Leiterin der Strategischen Themenentwicklung Circular Economy...
Alexandra Engelt, Leiterin der Strategischen Themenentwicklung Circular Economy bei DIN, und das Foto (Copyright: DIN).

Die Normungsroadmap Circular Economy ist ein strategisches Dokument, das von Normungsgremien und Experten entwickelt wurde, um den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zu unterstützen. Die Einführung einheitlicher Standards und Normen fördert die Konsistenz und Interoperabilität von Produkten und Dienstleistungen und unterstützt Unternehmen auf globaler Ebene wettbewerbsfähiger zu werden. Die Roadmap bietet eine klare Leitlinie und eine gemeinsame Basis für Unternehmen, Regierungen und andere Interessengruppen, um effektiv zur Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft beizutragen. Im Interview mit CITplus erläutert Alexandra Engelt, Leiterin der Strategischen Themenentwicklung Circular Economy bei DIN, die Motivation und die wesentlichen Inhalte der Roadmap.Das Interview führte Etwina Gandert, Chefredakteurin CITplus.

CITplus: Was war die Motivation für die Normungsroadmap Circular Economy und warum ist diese so wichtig?

Alexandra Engelt: Wichtig für eine Circular Economy ist, dass die Akteure der Wertschöpfungskette miteinander in Verbindung treten und kommunizieren. Nur wenn zum Beispiel die herstellenden Unternehmen wissen, wie das Entsorgungsunternehmen arbeitet und welche Materialien wie verarbeitet werden, kann eine Circular Economy entstehen. Motivation der Normungsroadmap von DIN, DKE und VDI war es, alle relevanten Akteure der Circular Economy zusammenzubringen, deren Herausforderungen zu diskutieren und zu schauen, welche Normen und Standards bei der Umsetzung zirkulärer Produkte und Geschäftsmodelle unterstützen können.

Welchen Stellenwert haben die Normungsvorhaben im internationalen Vergleich?

A. Engelt: Das ist keine Konkurrenz – wir erarbeiten die meisten Normen auf europäischer und internationaler Ebene. Die Roadmap ist ein nationales Meinungsbild von Vertretenden der Circular Economy Community und damit können wir nun frühzeitig auch auf europäischer und internationaler Ebene Ideen in Normungsprozesse einbringen

© Parradee – stock.adobe.com
© Parradee – stock.adobe.com

Wie ist der Status-quo der Normung in der Kreislaufwirtschaft für chemienahe Produkte wie Kunststoffe, Verpackungen und Batterien?

A. Engelt: Es existieren bereits zahlreiche Normen, die im engeren, aber auch weiteren Sinne die Circular Economy fördern. Dies wurde im Rahmen der Normungsroadmap untersucht. Die Normungsroadmap beschreibt aber auch zukünftige Bedarfe. Beim Thema Verpackungen thematisiert sie zum Beispiel unterschiedliche Ansätze: vom Verpackungsdesign über zirkuläre Infrastrukturen für Sortierung und Verwertung bis hin zur Konformität von Rezyklaten. Bei den Kunststoffen beschreibt die Normungsroadmap verschiedene Normungs- und Standardisierungsbedarfe mit Bezug auf die neun R-Strategien. Themen sind unter anderem: Nachhaltigkeitsbewertung, Inputströme, Traceability, digitaler Produktpass, Qualitätsanforderungen, Recyclingfähigkeit sowie chemisches und mechanisches Recycling.

Was wird in den zukünftigen Normen für diese Bereiche festgelegt und mit welchem Ziel?

A. Engelt: Vorschläge für zukünftige Normen wurden im Rahmen der Normungsroadmap Cicular Economy erarbeitet, die Normungsbedarfe finden Sie dort im Kapitel „Schwerpunktthemen“. Diese werden nun in den bestehenden Normungsgremien auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene diskutiert und mit weiteren Anforderungen der Akteure – wie zum Beispiel gesetzliche Vorgaben und Rahmenbedingungen –  abgeglichen. Ziel ist es, die Circular Economy durch einheitliche Sprache, Qualitätskriterien, Prüfanforderungen, und so weiter, einfacher, sicherer und dadurch akzeptierter im Markt zu machen.

Welche wesentlichen Fragen werden in der Roadmap beantwortet?

A. Engelt: Neben der Darstellung konkreter Normungsbedarfe für die sieben Schwerpunktthemen wurde im Rahmen der Roadmap auch der aktuelle Stand der Normung in den jeweiligen Themengebieten aufgeführt und vor allem auch Anforderungen und Herausforderungen diskutiert, vor denen die Akteure stehen, wenn sie ihre Produkte oder Geschäftsmodelle zirkulärer gestalten wollen.

Welchen Stellenwert hat die Digitalisierung für die Kreislaufwirtschaft?

A. Engelt: Ohne Digitalisierung ist keine Circular Economy möglich. Wenn alle Akteure miteinander vernetzt werden sollen, dann geht das nicht mit Papier und Stift.

Wie weit ist der digitale Produktpass gediehen und wann geht es in die Praxis?

A. Engelt: Am 11. Juli 2023 wurde der Gemeinschaftsausschuss „Digitaler Produktpass“ von DIN und DKE gegründet. Ziel des Ausschusses von Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, öffentlicher Hand und Zivilgesellschaft ist es, mit Normen und Standards die weitere Entwicklung des Digitalen Produktpasses und seines Ökosystems zu unterstützen und dabei die europäische und internationale Interoperabilität zu fördern. Wir schreiten also in großen Schritten in die Praxis.

 

 

© shutterstock/Eti Ammos
© shutterstock/Eti Ammos
Normen für den Digitalen Produktpass

DIN und DKE gründen Gemeinschaftsausschuss

DIN und DKE haben den Gemeinschaftsausschuss „Digitaler Produktpass“ gegründet. Ziel des Ausschusses von Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, öffentlicher Hand und Zivilgesellschaft ist es, mit Normen und Standards die weitere Entwicklung des Digitalen Produktpasses und seines Ökosystems zu unterstützen und dabei die europäische und internationale Interoperabilität zu fördern. Normen und Standards sind für die Umsetzung des Digitalen Produktpasses sowie für die europäische und internationale Anschlussfähigkeit zwingend erforderlich und sind so ein wesentlicher Faktor für den Erfolg der exportorientierten deutschen Wirtschaft und die Akzeptanz ihrer grünen Produkte auf dem Weltmarkt.

Der digitale Produktpass kommt

Nicht nur für Verbraucher, sondern für alle Akteure innerhalb der Wertschöpfungskette ist eine Transparenz der Produktdaten wichtig. Der Digitale Produktpass soll künftig Produktinformationen – von verwendeten Rohstoffen bis zu Recycling-Möglichkeiten, von Konformitätserklärungen bis zu Betriebsanleitungen – bündeln und über den gesamten Lebenszyklus transparent und abrufbar machen. Außer Produktname und -produzent, Eigenschaften und Herstellungsort können darin auch Angaben zu umweltbezogenen und sozialen Indikatoren, etwa zum CO2-Fußabdruck oder zur Einhaltung des Lieferkettengesetzes, enthalten sein. Seine Bedeutung für die Interaktion und den Informationsfluss zwischen den Markteilnehmern kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden und hat einen massiven Einfluss auf das gesamte ökonomische Handeln. So trägt der digitale Produktpass entscheidend zur Umsetzung der grünen und digitalen Transformation bei.

Konkretisierung des gesetzlichen Rahmens durch Normen

Der Gesetzgeber legt den Rahmen für den Produktpass fest. So ist er bereits zentraler Bestandteil der neuen europäischen Batterieverordnung und des neuen Entwurfs der europäischen Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte. Normen und Standards konkretisieren diesen gesetzlichen Rahmen. Erarbeitet werden Normen durch Vertreten aus Wirtschaft, Wissenschaft, öffentlicher Hand und Zivilgesellschaft – sie sorgen für eine praxisorientierte und flexible Ausgestaltung und Konkretisierung des gesetzlichen Rahmens. 

Europäische Normen gefragt

Die Europäische Kommission hat die europäischen Normungsorganisationen CEN und CENELEC aufgefordert, harmonisierte Europäische Normen zum System des digitalen Produktpasses zu entwickeln. Diese Normen können grundlegend für den Batteriepass und andere möglicherweise kommende Anwendungsfälle sein, wie zum Beispiel für Elektrogeräte, Textilien, Möbel, Stahl, Zement und Chemikalien. Zur Erarbeitung dieser Normen haben CEN und CENELEC ein „Joint Technical Committee Digital Product Passport“ vorgeschlagen. Der neue Gemeinschaftsausschuss von DIN und DKE wird die Arbeiten zum DPP und des Joint Technical Committees national spiegeln und die deutschen Interessen auf europäischer Ebene vertreten. Über 300 Experten aus unterschiedlichsten Branchen und Fachdisziplinen haben an der Gründungssitzung teilgenommen.  

Vorarbeiten für inhaltliche Arbeit

Als Basis für die weitere Normungsarbeit werden die Experten bereits auf wichtige Informationen zurückgreifen können, wie zum Beispiel auf den StandICT.eu Landscaping Report zum digitalen Produktpass oder auf die Ergebnisse der Cyberfrühstücksreihe zum Thema, einer Veranstaltungs- und Diskussionsreihe von DIN und DKE.

Mitarbeit erwünscht

DIN und DKE rufen interessierte Stakeholder aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft dazu auf, sich in der Normung zu engagieren – um auf diese Weise die Märkte der Zukunft mitzugestalten und gemeinsam die digitale und grüne Transformation umzusetzen.

Anbieter

Logo:

DIN e. V

Am DIN-Platz
10787 Berlin
Deutschland

Kontakt zum Anbieter







Meist gelesen

Photo
11.09.2024 • PraxisberichtePharma

Spritzen mit RFID-Chip

Wie kann die Sicherheit von Arzneimitteln noch gesteigert werden? Tracing, tracking, and packaging in der biopharmazeutischen Produktion ist ein Lösungsweg. Mit Hilfe von RFID-Sendern wird die individuelle Nachverfolgbarkeit einer jeden Spritze während des gesamten Produktionsprozesses gewährleistet.

Photo
05.11.2024 • PraxisberichteChemie

SIL-konforme Sicherheitseinrichtungen für maximalen Schutz in der Prozessindustrie

In der chemischen Industrie spielt die funktionale Sicherheit eine zentrale Rolle, um Risiken für Mensch und Umwelt effektiv zu reduzieren. Dieser Artikel beleuchtet die Prinzipien und Anforderungen von Safety Instrumented Systems (SIS) gemäß den Normen IEC 61508 und IEC 61511. Erfahren Sie, wie SIL-basierte Sicherheitslösungen konzipiert, gewartet und gegen Cyberangriffe geschützt werden, um einen langfristigen, sicheren Betrieb zu gewährleisten.