31.05.2022 • PraxisberichteAnalysetechnikAromaBakterien

Ein wichtiger Parameter in der Milchverarbeitung

Bei der Erzeugung und Verarbeitung von Milch und Milchprodukten hat die Einhaltung größtmöglicher Hygiene höchste Priorität. Während einige Mikroorganismen für die Erzeugung von Milchprodukten unerlässlich sind, sind andere Keime pathogen. Schimmelpilze, Bakterien und Listerien können schwerste Erkrankungen beim Verzehr kontaminierter Produkte hervorrufen. Ihre Vermehrung im Produkt und Ausbreitung im Betrieb durch Kreuzkontaminationen muss daher auf jeden Fall verhindert werden.
 
Die Kontrolle gesetzlich festgelegter Messpunkte ist für lebensmittelerzeugende Betriebe besonders wichtig und muss sorgfältig mittels moderner Methoden durchgeführt werden – insbesondere an kritischen Punkten im Lebensmittelzyklus. Gemessen werden dabei mitunter Parameter wie Temperatur, pH-Wert und Säuregehalt. Diese Parameter wirken sich ebenfalls auf Aroma, Konsistenz und Stabilität der Milchprodukte aus. 
Ihre genaue Überwachung ist daher ein Muss für die Produktion gleichbleibend hoher Qualität.
 
Der pH-Wert der Milch
 
Der pH-Wert gilt als fundamentaler Messwert für die Qualität und Lebensmittelsicherheit bei Milchprodukten. Frische Milch hat einen pH-Wert von etwa 6,5 bis 6,7. Die Kontrolle des pH-Werts beginnt bereits im landwirtschaftlichen Betrieb während des Melkens. Eine Erhöhung des Werts von mehr als 0,1 gegenüber der „gesunden“ Milch kann darauf hinweisen, dass beim Milchtier eine Mastitis vorliegt – ein frühzeitiges Warnzeichen [1]. 
 
Der pH-Wert von Milchprodukten
 
Bei der Produktion von Joghurt ist die Überwachung des pH-Werts wichtig für eine konsistente Qualität. Joghurt wird durch die Fermentation von Milch nach der Impfung mit lebenden Bakterienkulturen erzeugt [2]. Durch die Inkubation des Milch-Bakteriengemisches bei 38 bis 42 °C [2] setzt die Fermentation von Laktose zu Milchsäure ein. Dadurch fällt der pH-Wert der Mischung mit zunehmendem Milchsäuregehalt. 
 
Das Absinken des pH-Werts verursacht einen Koagulationsprozess des Milchproteins, es gerinnt und die bekannte Textur von Joghurt entsteht. Joghurt weist einen pH-Wert von 3,9 bis 4,4 auf. [2]. Der gewünschte pH-Endwert wird durch das Beenden der Fermentation durch schnelles Abkühlen eingestellt. Indem sie sicherstellen, dass die Fermentation stets bis zu einem vorbestimmten pH-Wert läuft, können Hersteller dafür sorgen, dass sie ein Produkt gleichbleibender Qualität in Bezug auf Textur, Geschmack und Aroma produzieren und der Entwicklung von unerwünschten Mikroorganismen entgegenwirken. Eine Abweichung vom festgelegten pH-Wert kann zu einem Produkt mit verringerter Haltbarkeit, schlechter Konsistenz, bitterem oder zu saurem Geschmack und zu einer Abtrennung der flüssigen Bestandteile führen.
 
Auch die Erzeugung von Käse beginnt mit dem Ansäuern der Milch durch Zugabe von Bakterienkulturen. Hierzu werden meist mesophile (Temperaturbereich von 22 bis 32 °C) oder thermophile (Temperaturbereich von 37 °C bis 45 °C) Kulturen oder ein Gemisch aus diesen beiden eingesetzt [3]. Auch diese Bakterien verbrauchen Laktose und erzeugen Milchsäure als Nebenprodukt der Fermentation. Die produzierte Säure sorgt über den gesamten Käseherstellungsprozess für eine Absenkung des pH-Werts [4]. Nach der ersten Ansäuerungsphase wird Lab, ein natürlicherweise im Kälbermagen vorkommendes oder mikrobiell hergestelltes Enzym, hinzugefügt. Die Milch gerinnt, sie wird „dickgelegt“ und der Käsebruch (Dickete) entsteht, bei dem sich Kasein-Proteine, Fett und andere Bestandteile von der Molke trennen.
 
Eine ausreichende und schnelle Säuerung ist für die Unterdrückung unerwünschter Mikroorganismen und damit für die hygienische Sicherheit erforderlich. Säuerung und Säuerungsgeschwindigkeit werden durch die Messung des pH-Werts überprüft, indem man den pH-Wert der austretenden Molke bei der Abfüllung und während der weiteren Entmolkung misst. Unterschreitet der pH-Wert dabei einen entsprechenden Richtwert, ist die Säuerung ausreichend. Die pH-Richtwerte liegen zwei Stunden nach der Abfüllung für Hartkäse bei 6,2, für Schnittkäse bei unter 6,0 und bei Weichkäse bei unter 5,8 [4].
 
Im letzten Schritt vor der Reifung wird der Käse bei 12 bis 15 °C in ein Salzbad gegeben, das je nach Käsesorte einen Salzgehalt von 16 bis 20 °Bé (Grad Baumé) aufweist [5]. Da Salzbäder längere Zeit verwendet werden und die eingelegten Käse der Lake kontinuierlich Salz entziehen, muss der Salzgehalt immer wieder neu eingestellt werden. Hierzu ist eine regelmäßige Kontrolle entweder mit einer Salzbadwaage, einer Salzspindel oder mit einem digitalen Refraktometer notwendig. Letzteres bestimmt den Salzgehalt über die Messung des Brechungsindex der Lake und verfügt neben einer größeren Präzision auch über die Möglichkeit der automatischen Temperaturkompensation.
 
Im Salzbad verliert der Käse nicht nur weiter an Wasser, es trägt auch erheblich zur Ausbildung eines guten und für den jeweiligen Käse typischen Aromas bei. Der pH-Wert der Salzlake sollte in etwa dem des Käses entsprechen, um einen Qualitätsverlust zu vermeiden. Für Schnittkäse liegt er z. B. bei pH 5 [5]. Bei größeren Abweichungen kann es später zu Defekten in der Käserinde, Schmierigkeit, Verfärbungen, einer Abweichung von der gewünschten Textur oder einer verkürzten Haltbarkeit kommen.
 
Auch beim Reifeprozess spielt der pH-Wert des Käses eine wichtige Rolle, um optimale Bedingungen für bakterielle und enzymatische Prozesse zu gewährleisten. Eine Abweichung vom idealen pH-Wert ist nicht nur nachteilig für die Biologie der Reifekulturen, sondern auch für den Geschmack und die Struktur des Käses.
 
pH-Messelektroden und -geräte
 
Die Kontrolle des pH-Werts von Milchprodukten übernehmen in einer modernen Molkerei automatisierte pH-Transmitter, welche den pH-Wert während des gesamten Produktionsprozesses überwachen und an Qualitätssicherungssysteme übertragen können [6]. Für Stichprobenkontrollen oder kleinere Betriebe bieten sich Handmessgeräte an. 
 
Die Messung ist komplex. Milch und Milchprodukte tendieren zu einem hohen Feststoffgehalt, was die empfindliche Glasmembran und / oder das Diaphragma einer Messelektrode verschmutzen und verstopfen kann. Die zuverlässige und schnelle pH-Wert-Messung steht und fällt daher mit der Auswahl der Messsonde. Es empfiehlt sich, speziell für Milch, Joghurt oder Käse entwickelte Elektroden zu verwenden. Diese verfügen meist über ein verstopfungssicheres Diaphragma, sind leicht zu reinigen und zu desinfizieren. Der Sondenkorpus besteht z. B. aus Edelstahl oder auch aus Kunststoff. Bewährt hat sich Polyvinylidenfluorid (PVDF), ein abriebfester, lebensmittelechter Kunststoff, der auch Lösungsmitteln und Desinfektionsmitteln widersteht. 
 
Die Verwendung einer Edelstahl- oder Kunststoffsonde schützt vor Glasbruch. Für die direkte Messung in festeren Produkten, wie z. B. Schnittkäse, sollte die Sonde leicht in das Messmedium einzustechen sein und keine großen Löcher darin hinterlassen. Schlanke, konische und spitze Sonden bieten hier einen Vorteil.
An das pH-Messgerät sind alle Ansprüche für eine HACCP-konforme Messung zu stellen. Genaue Kalibrierbarkeit an möglichst vielen Punkten, Temperaturkompensation, die Einhaltung „Guter Laborpraxis“ (GLP), die Aufzeichnung möglichst vieler Messwerte und -reihen sowie die Übertragbarkeit der Messdaten auf DV-Systeme zur weiteren Verarbeitung und Einhaltung von Compliance-Vorschriften sind unerlässlich. Darüber hinaus sollten die Messgeräte lebensmittelgeeignet, wasserdicht und intuitiv zu bedienen sein. Bei Handgeräten sollte außerdem auf Ergonomie, z. B. Gewicht oder leichte Bedienbarkeit mit einer Hand, geachtet werden.
 
Fazit
 
Die Kontrolle der Säuerung ist ein entscheidender Faktor bei der Herstellung hochwertiger Käsesorten. Die Messung des pH-Wertes ist dabei die Methode der Wahl. Sie gestattet, die Säuerung im Käse ohne nennenswerten Mehraufwand zu überwachen. Der Einsatz eines geeigneten Messgerätes in Verbindung mit einer spezialisierten Messsonde ist die Voraussetzung für genaue Ergebnisse. Eine regelmäßige Reinigung der Sonde mit dafür speziell entwickelten Reinigungslösungen und eine regelmäßige Kalibrierung mit standardisierten Kalibrierlösungen führen schließlich zu mehrjährig verlässlichen Messungen und in der Folge zu reproduzierbaren Käseprodukten.

Quellen

[1] Batavani, R.A. et al. (2007): The effect of subclinical mastitis on milk composition in dairy cows, Iranian Journal of Veterinary Research, University of Shiraz, Vol. 8, No. 3
[2] Molkerei Weihenstephan, www.molkerei-weihenstephan.de
[3] Petersen, I. (2017): Ein guter Start für Käse & Co., bioland 03/2017
[4] Zangerl, P. (2010): pH-Messung von Käse, Der Alm- und Bergbauer 6-7/10
[5] Almwirtschaft Österreich (Hrsg.) (2018): Milchgewinnung und Milchverarbeitung auf Almen, www.almwirtschaft.com
[6] Beilhammer, M.: pH-Wert-Transmitter: Einsatz in der Käseproduktion, www.industry-press.com
 
 

 

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