20.03.2025 • PraxisberichteR. StahlSchaltschrankEx-Schutz

Mobiles NIR-Spektrometer im Ex-geschützten-Steuerschrank für die Arzneimittelproduktion

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Spektrometer werden in der Arzneimittelproduktion immer häufiger zur Prozesskontrolle eingesetzt. Ein führender Pharmahersteller hat ein NIR-Spektrometer in einen speziell entwickelten, mobilen Steuerschrank integrieren lassen, der explosionsgeschützt ist. Diese Lösung ermöglicht es, das hochwertige Spektrometer flexibel an verschiedenen Orten einzusetzen und die Qualität der Medikamente in Echtzeit zu überwachen. Dies spart Zeit und Kosten und erhöht die Effizienz in der Produktion.

Autoren: Reinhild Klink, Vertrieb Automatisierungstechnik und Stephan Schmitt, Engineering, R. Stahl

Flexibler Einsatz von NIR-Spektrometern in explosionsgefährdeten Bereichen zur Prozesskontrolle

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Proben ziehen, ins Labor bringen, analysieren, Prozessbedingungen anpassen – in der Produktion von pharmazeutischen Wirkstoffen ist diese Vorgehensweise Standard. Doch bis das Ergebnis einer Laboranalyse vorliegt und das Produktionsteam darauf reagieren kann, vergeht viel Zeit – oft zu viel, um die ablaufende Reaktion tatsächlich noch steuern zu können und die Charge zu retten. Um Einblick in den Prozess zu erhalten, wünschen sich Hersteller in der chemischen und pharmazeutischen Industrie daher Analysengeräte, mit denen sich Reaktionsverlauf und die Produktqualität online im Produktionsprozess überwachen lassen. Doch das stellt ganz andere Anforderungen an die Geräte als deren Betrieb im Labor: Denn im Produktionsprozess herrschen nicht nur Umgebungsbedingungen, die die empfindlichen Analysengeräte stören können, sondern häufig sind die Produktionsbereiche aufgrund brennbarer Stäube oder des Einsatzes brennbarer Lösemittel als Ex-Zonen klassifiziert. Elektrische Geräte, die dort eingesetzt werden, müssen besonders konstruiert sein, damit sie nicht zur Zündquelle werden. Entsprechend selten und meist auch teuer sind Prozessanalysengeräte, die für solche Bedingungen ausgelegt und gebaut sind.

Echtzeitüberwachung in explosions­gefährdeten Bereichen

Beim Pharmakunden von R. Stahl war bereits ein NIR-Spektrometer im Labor vorhanden. Der Pharmaproduzent wollte das teure Gerät aber nicht nur im Labor, sondern auch flexibel im Produktionsprozess einsetzen. Schließlich ging es darum, mit der schnellen und präzisen NIR-Spektrometrie den Produktionsprozess zu optimieren und die Qualität der Medikamente zu sichern. Das Kürzel NIR steht dabei für Nah-In­frarot – ein spektroskopisches Analyseverfahren, das mit Hilfe von Infrarotstrahlung die chemische Zusammensetzung von Materialien analysiert. Dabei wird Infrarotlicht im Wellenlängenbereich von 780 bis 3.000 nm auf eine Probe gestrahlt, und die Art und Weise, wie die Moleküle des Materials dieses Licht absorbieren oder reflektieren, gibt Aufschluss über dessen Struktur. Das Verfahren ist nicht invasiv, schnell und ermöglicht präzise Qualitätskontrollen, z. B. zur Überprüfung der Inhaltsstoffe von Lebensmitteln oder Medikamenten, ohne die Proben zu beschädigen.

Die bessere Alternative war die Integration des gesamten Spektrometers in den explosionsgefährdeten Bereich

Die Spezialisten für Automation und Explosionsschutz aus Waldenburg schlugen als technisch und wirtschaftlich beste Lösung die Unterbringung des Spektrometers in einem Steuerschrank in Ex p-Ausführung vor. „Ex p“ steht für Überdruckkapselung und ist eine Schutzmethode für elektrische Betriebsmittel, die in explosionsgefährdeten Bereichen eingesetzt werden. Bei Ex p herrscht im Steuerschrank ein konstanter Überdruck gegenüber der umgebenden Atmosphäre. Dadurch wird verhindert, dass explosionsfähige Gase oder Stäube in das Gehäuse eindringen und Zündquellen erreichen. Vor der Inbetriebnahme wird das Gehäuse zunächst mit Instrumentenluft oder Inertgas gespült, um alle gefährlichen Stoffe zu entfernen. Die Spülluftmenge beträgt dabei mindestens das Fünffache des Gehäusevolumens – im vorliegenden Anwendungsfall wird dazu 30 Minuten gespült. Fällt im Betrieb der Überdruck ab, schaltet ein Überwachungssystem das eingebaute Gerät ab und löst einen Alarm aus. Für das NIR-Spektrometer des Pharmaherstellers ist diese Schutzart ideal, da sie nicht nur den Explosionsschutz gewährleistet, sondern das empfindliche Gerät auch vor Staub und aggressiven Medien schützt, die in der Produktionsumgebung vorkommen können.

Mobilität und Flexibilität: ein Gerät, mehrere Einsatzorte

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R. Stahl entwickelte einen mobilen Ex-p-Steuer­schrank, der es einem Pharmaunternehmen ermöglicht, ein teures und empfindliches NIR-Spektrometer sicher und flexibel in Ex-Bereichen der Produktion einzusetzen.
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Eine der Hauptanforderungen des Projekts war die Mobilität des Steuerschranks. Der Pharmahersteller benötigte eine Lösung, die den flexiblen Einsatz des Spektrometers an verschiedenen Orten innerhalb der Produktion ermöglicht. R. Stahl entwickelte hierfür einen mobilen Steuerschrank auf leitfähigen Rollen, die elek­trostatische Aufladungen zuverlässig vermeiden. Durch diese mobile Lösung kann das teure Spektrometer in mehreren Produktionsprozessen eingesetzt werden, was erhebliche Kosten spart. Damit die empfindlichen Sensoren und Kabel bei Nichtgebrauch des Spektrometers sicher aufbewahrt werden können, wurde eine mechanische Aufhängung integriert, an der die Kabel sicher verstaut werden können.


Technische Lösungen: HMI und Kabelmanagement

Ein weiteres Highlight des Projekts war die Integration eines modernen HMI (Human Machine Interface), das an einem Schwenkarm auf dem Steuerschrank montiert wurde. Mit der neuen Orca-Serie haben die Automatisierungsexperten ein eigenes Bediengerät im Programm, das nicht nur die hohen Anforderungen des Explosionsschutzes erfüllt, sondern auch über ein pharmagerechtes Design verfügt. Damit kann der Bediener das Spektrometer direkt vor Ort überwachen und steuern, ohne auf externe Systeme angewiesen zu sein. Auch die Auswertesoftware des Spektrometers ist so direkt im Gerät integriert und kann vom Anlagenbediener komfortabel genutzt werden. Das HMI ist mit Sicherheitsglas ausgestattet und bietet eine benutzerfreundliche Oberfläche für die Analyse und Parametrierung des Gerätes. Der eigens für diese Steuerschrank-Lösung konstruierte Schwenkarm nimmt auch die Anschlusskabel für das HMI auf. Durch die Montage des Monitors auf dem Schwenkarm ist die mobile Lösung im Gegensatz zu einer Schranklösung mit Einbaumonitor nicht kopflastig.

Auch das Kabelmanagement stellte eine Herausforderung dar, da die Standard-Kabeldurchführungen für die groß dimensionierten faseroptischen Sensoren des Spektrometers nicht ausreichten. R. Stahl löste dieses Problem durch den Einsatz eines flexiblen Multi-­Kabel-Durchführungssystems (MCT), das eine sichere und gasdichte Abdichtung gewährleistet. Für die Stromversorgung wurde ein eigener Ex-Steckverbinder verwendet. Zusätzlich wurden Trompetenverschraubungen eingesetzt, um die beweglichen Kabel zu schützen. Eine weitere Besonderheit ist die Schubladenkon­struktion im Inneren des Steuerschranks. Diese erleichtert den Zugang zum Spektrometer bei geöffnetem Steuerschrank.

Die Einhaltung einer stabilen Temperatur im Inneren des Steuerschranks war ein weiterer kritischer Punkt, der berücksichtigt werden musste. In der Produktionsumgebung können die Temperaturen schnell ansteigen, insbesondere im Sommer oder in warmen Klimazonen. Um sicherzustellen, dass das Spektrometer unter optimalen Bedingungen arbeitet, wurde ein geregeltes Kühlsystem integriert, das bei Bedarf die Spülluft dazu verwendet, die Innentemperatur stabil zu halten.

Explosionsschutz und Werkstoffe

Der Steuerschrank wurde aus korrosionsbeständigem Edelstahl gefertigt, um den hohen hygienischen Anforderungen in der Pharmaindustrie gerecht zu werden. Alle Oberflächen wurden so bearbeitet, dass sie leicht zu reinigen sind und keine Rückstände oder Verunreinigungen haften bleiben. Dies ist besonders wichtig, da der Steuerschrank regelmäßig in einer Umgebung eingesetzt wird, in der verschiedene Chemikalien und Substanzen verarbeitet werden.

Um den Explosionsschutz zu gewährleisten, wurde der Schrank nicht nur nach den Vorgaben der Zündschutzart Ex p gebaut, sondern es wurden gleichzeitig auch die Konstruktionsmerkmale für die Zündschutzart Ex e beachtet. Dadurch konnten neben dem Ex p-System – bestehend aus Steuergerät, Druckwächter und Lufteingangsbaugruppe – auch zusätzlich benötigte Sicherheitskomponenten wie ein Ex e-Leitungsschutzschalter und ein Ex e-Freigabeschütz als offene Baugruppe im Inneren des Steuerschranks verwendet werden.

Fazit

Das Projekt zeigt, wie wichtig maßgeschneiderte Lösungen im explosionsgeschützten Bereich sind. Der mobile Ex p-Steuerschrank ermöglicht es dem Pharmaunternehmen, ein teures und empfindliches NIR-Spektrometer sicher und flexibel in der Produktion einzusetzen. Durch die Kombination von Mobilität, explosionsgeschützter Ausführung und benutzerfreundlicher Bedienung konnte R. Stahl nicht nur die hohen Sicherheitsanforderungen erfüllen, sondern dem Pharmahersteller auch dabei helfen, die Effizienz in der Produktion zu steigern.

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Am Bahnhof 30
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