„Handwerk“ vom Roboter – Lösungen für die Lebensmittelindustrie
Die Idee der mechanischen Maschine faszinierte schon griechische Philosophen wie Archytas von Tarent, der einen mechanischen Vogel, die nach ihm benannte Taube, entwickelte.
Die Idee der mechanischen Maschine faszinierte schon griechische Philosophen wie Archytas von Tarent, der einen mechanischen Vogel, die nach ihm benannte Taube, entwickelte. Der russisch-amerikanische Science-Fiction Autor Isaac Asimov schreibt in der Kurzgeschichte „Runaround“ erstmals von „Robotik“. Heute melken Roboter Kühe, schneiden Käse, sortieren Backwaren, verpacken Salatköpfe und steigern die Produktivität moderner Betriebe der Lebensmittelbranche. Die Automatica vom 3. bis 6. Juni auf dem Messegelände München setzt „food“ in den Fokus und zeigt den „State of the Art“ moderner Roboter-Technik. LVT LEBENSMITTEL Industrie befragte Manfred Hübschmann, Geschäftsführer von Stäubli Robotics, zu Potentialen, Leistung und Trends in der Robotik.
LVT LEBENSMITTEL Industrie: Herr Hübschmann, welche Besonderheiten kennzeichnen die Robotik-Absatzbranche der Lebensmittelindustrie?
M. Hübschmann: Für Automatisierungslösungen in der Lebensmittelindustrie gelten sowohl technologisch wie wirtschaftlich eigene Gesetzmäßigkeiten. Technologisch ist zwischen Aufgaben in der Sekundärverpackung, die sich zumeist mit Standardrobotern bewerkstelligen lassen, und der Primärverpackung zu unterscheiden. Bei Letzterem geht es um Einsätze an offenen Lebensmitteln, die höchste Anforderungen an die Robotik stellen. Für diese anspruchsvollen Einsätze haben wir spezielle Roboter im Programm, die den strengen Hygieneanforderungen der Lebensmittelbranche entsprechen. Aus kaufmännischer Sicht müssen Automatisierungslösungen im Bereich Food für eine hohe Ausbringung sorgen, trotzdem flexibel sein und aufgrund verketteter Herstellprozesse absolut prozesssicher arbeiten. Darüber hinaus müssen sich die Anlagen aufgrund der geringen Margen im Lebensmittelhandel schnell amortisieren. Stäubli hat sich frühzeitig der Entwicklung von Robotern für die Lebensmittelindustrie verschrieben, kennt die branchenspezifischen Anforderungen sehr genau und hat für jede Applikation die passende Lösung im Programm.
Erkennen Sie unter den Sub-Branchen der Lebensmittelindustrie, wie z.B. die Fleischwaren-, Backwaren-, Molkerei-, Süßwaren- oder Getränkeindustrie bis hin zu Obst, Gemüse, Gewürzen und Feinkost, Branchen mit einem besonders hohen Nachholbedarf für moderne Robotik-Lösungen?
M. Hübschmann: Wir erkennen eigentlich in all den von Ihnen genannten Sub-Branchen noch ein erhebliches Potential für die Roboterautomation. Eine Ausnahme bildet der Bereich Sekundärverpackung, bei dem Standardlösungen zum Einsatz kommen können. Entsprechend hoch ist die Anzahl realisierter Projekte. Anders sieht es in der Lebensmittelherstellung oder in der Primärverpackung aus. Hier gelten höchste Hygienevorschriften, die Roboter müssen reinraumtauglich und den harten Reinigungsprozessen gewachsen sein. Nur wenige Roboterhersteller wie Stäubli können geeignete Maschinen für diese Einsätze bieten. Und: Die Realisierung solcher Anlagen erfordert viel Know-how seitens des Systemintegrators.
War unter den bisherigen Projekten von Stäubli-Robotics eine technisch besonders ungewöhnliche Aufgabenstellung für die Robotik dabei?
M. Hübschmann: Ich erinnere mich an die Automatica 2010 und an einen Besucher unseres Messestandes, der auf der Suche nach einem geeigneten Roboter für die Abfüllung von Speiseeis war. Die Herausforderung dabei: Die Eiscreme sollte nicht nach industrieller Herstellung aussehen, sondern wie Handmade vom Italiener. Mit unserem Stäubli TX90HE, der die höchsten Hygienestandards erfüllt, hatten wir genau den passenden Spezialroboter auf dem Messestand. Heute kommt der Roboter in Anlagen namens Robot Filler zum Einsatz, die Eiscreme so dosieren, als wäre sie von Hand abgefüllt. Unterschiedliche Abfüllprogramme sorgen dafür, dass der Inhalt von Verpackung zu Verpackung leicht variiert und der Handmade- Charakter verstärkt wird. Handmade vom Roboter wohlgemerkt!
Was setzt der Einsatzfähigkeit heutiger Robotik-Lösungen noch Grenzen und wie wird sie sich künftig verändern?
M. Hübschmann: Stäubli hat in den letzten Jahren wegweisende Entwicklungen in der Robotik insbesondere für Einsätze in der Life Science und in der Lebensmittelindustrie auf den Weg gebracht. In Bezug auf die reine Robotermechanik sehe ich deshalb kaum noch Grenzen, was den Einsatz unserer Sechsachser selbst unter anspruchsvollsten Hygieneanforderungen anbelangt. Barrieren sind derzeit eher noch in der Kooperation von Mensch und Maschine auszumachen. Hier wird es in Zukunft sicherlich zu weiteren Entwicklungen im Bereich Mensch- Maschine-Schnittstelle kommen. Verbesserte Safetyfunktionen und leistungsfähige Kollisionsvermeidungstools werden der Robotik neue Einsatzmöglichkeiten in direkter Zusammenarbeit mit Menschen erschließen. Wie solche Lösungen aussehen können, zeigen wir bereits auf der kommenden Automatica.
Welche Entwicklungen hat Stäubli Robotics in jüngster Zeit forciert, die den Produktionsaufgaben in der Lebensmittelindustrie zu Gute kommen?
M. Hübschmann: Einer der Meilensteine für die Automation in der Lebensmittelindustrie war die Entwicklung der HE-Baureihen. Die Zusatzbezeichnung HE steht für Humid Environment und kennzeichnet die Stäubli-Sechsachser, die für den Einsatz in Feuchträumen oder unter Spritzwasserbeaufschlagung speziell modifiziert sind. Den HE-Robotern können selbst die härtesten Reinigungsprozesse in der Lebensmittelindustrie nichts anhaben. Diese innovativen Maschinen haben die Automation von Applikationen unter höchsten Hygieneanforderungen überhaupt erst möglich gemacht. Aber auch alle anderen Sechsachser der TX und RX-Baureihen kommen aufgrund ihrer einzigartigen, voll gekapselten Bauweise mit innen liegender Verkabelung und integrierter Antriebstechnik bevorzugt im Bereich Food zum Einsatz. Natürlich ist für nahezu das komplette Stäubli-Produktspektrum an Vier- und Sechsachs-Robotern lebensmittelverträgliches Öl der Klasse NSF H1 verfügbar.
Welche Neuheiten zeigt Stäubli Robotics seinen Besuchern zur Automatica in München? Zeigen Sie spezielle Robotik-Lösungen für die Lebensmittelindustrie?
M. Hübschmann: Noch nie hatte Stäubli so viele Neuheiten zu präsentieren wie in diesem Jahr in München. Obgleich die Sechsachser der TX-Generation als Benchmark in der Robotik gelten, werden wir auf der Automatica eine Nachfolgegeneration mit überragender Performance präsentieren. Die Maschinen sind leichter, sicherer, noch energieeffizienter und noch schneller und damit wie geschaffen für anspruchsvolle Einsätze in der Lebensmittelindustrie. Natürlich stellt Stäubli den Sechsachsern auch eine neu entwickelte Steuerung zur Seite, die eine Vielzahl integrierter Funktionen aufweist, sehr einfach zu programmieren ist und mit bahnbrechenden Safetyfunktionen neue Möglichkeiten erschließen wird. Fachbesucher aus dem Foodsektor werden am Stäubli-Messestand also sicherlich jede Menge zu erkunden haben.
Herr Hübschmann, vielen Dank für das interessante Gespräch.