Kraft-Wärme-Kopplung für Hybridspeicher
Der Ausbau erneuerbarer Energien erfordert zukünftig große Kapazitäten von Energiespeichern. Alternativen zur Lithium-Ionen-Technologie sind Flüssigbatterie bzw. Flow-Batterie. Im Projekt BiFlow hat das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Chemische Technologie ICT und der 1st Flow Energy Solutions ein neuartiges Hybridspeichersystem entwickelt, welches die spezifischen Vorteile der Lithium-Ionen-Batterie und der Flow-Batterie kombinier und dabei die Abwärme nutzt.
Lithium-Ionen-Batterien (LIB) zeigen hohe Leistungsfähigkeit und Effizienz (75 bis 90 %), Nachteilig sind jedoch die potenzielle Brennbarkeit und begrenzte Lebensdauer. Vanadium-Flow-Batterien (VFB) sind nicht brennbar, versprechen höhere Lebensdauer und einen guten Skaleneffekt, so dass sie trotz der höheren Investmentkosten und einer geringeren Effizienz (60 bis 75 %) für bestimmte Anwendungen schon jetzt attraktiv sind. Eine VFB hat ihre höchste Effizienz in einem spezifischen definierten Leistungsfenster. Außerhalb dieses Betriebsfensters fällt die Effizienz ab. Im Projekt BiFlow werden Lade- und Entladebedarfe durch ein intelligentes Energiemanagementsystem optimiert verteilt, so dass die Effizienz im Vergleich zum isolierten Betrieb beider Batterien steigt.
Nutzung der Abwärme
Zusätzlich soll ein Wärmerückgewinnungssystem, im Projekt thermisches Koppelmodul genannt, den Wirkungsgrad der Flow-Batterie weiter steigern. Gegenwärtig wird bei Flow-Batterien die Abwärme ungenutzt in die Umgebung abgegeben. Im Projekt BiFlow wird diese Abwärme für den Warmwasserbedarf des Gebäudes genutzt. Nach den Erfahrungen aus der Kraft-Wärme-Kopplung im Bereich der konventionellen Stromproduktion ist zu erwarten, dass die Gesamteffizienz beim Laden und Entladen der Batterie auf rund 85% steigt. Darüber hinaus soll es über das thermische Koppelmodul mit integriertem Heizelement auch möglich sein, zusätzlich Wärme in den Tanks der VFB zu speichern. Diese Einspeisemöglichkeit bietet gleich zwei Vorteile: die speicherbare Energiemenge wird je nach Betriebszustand mehr als verdoppelt. Des Weiteren können mittels des Heizelements auch deutlich höhere Ladeleistungen verwirklicht werden. Je nach Auslegung kann somit das zwei- oder gar dreifache an lokal produzierter Leistung (z.B. eigene PV-Anlagen) aufgenommen werden, als in einem vergleichbaren VFB-System ohne thermisches Koppelmodul.
„Die Erhöhung des Gesamtwirkungsgrads mittels Nutzung der Abwärme und insbesondere die Doppelnutzung der Tanks als elektrischer und thermischer Speicher ist in dieser Form eine Weltpremiere“, erklärt Nina Munzke vom Batterietechnikum des KIT, Projektleiterin im Forschungsprojekt BiFlow. Für das Projekt wurde vom Projektpartner 1st Flow Energy Solutions eine Vanadium-Flow-Batterie im Studierenden- und Auszubildenenwohnhaus Stage76 in Bruchsal installiert und für die Wärmespeicherung ertüchtigt. „Die eingesetzten Stacks besitzen eine hohe Leistungsdichte, zusätzlich können zu den 120 kWh elektrischer Speichermöglichkeit bis zu 240 kWh thermischer Speichermöglichkeit hinzukommen. Somit bietet das Gesamtsystem eine gute Energie- und Leistungsdichte für die stationäre Anwendung“, so BiFlow Projektmanager Christian Kupper vom KIT.
Der gegenwärtige Stand der Technik würde bei Vanadium-Flow-Batterien nur einen Temperaturhub von rund 20 °C (ca. 14 bis 34 °C) erlauben. Der Betrieb unterhalb dieses Temperaturbereichs ist möglich, jedoch mit niedriger Effizienz verbunden; bei einem längeren Betrieb oberhalb dieses Bereichs ist mit einer Degradation der Kapazität zu rechnen. „Mit Hilfe der neuen Zusammensetzung des Elektrolyten werden Temperaturen während eines typischen Heiz-/Kühlzyklus bis max. 50 °C möglich sein, womit sich die maximal speicherbare thermische Energiemenge nahezu verdoppelt“, sagt Nataliya Roznyatovskaya vom Fraunhofer ICT. Darüber hinaus hat der Einsatz von neuen angepassten Elektrolyten in der Batterieanlage zu einer vorteilhaften Reduzierung des ohmschen Widerstands geführt. Daraus folgt eine bessere Effizienz des Speichers. Das Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT hat die optimierte Elektrolytzusammensetzung für die Flow-Batterie erarbeitet und zum Patent angemeldet.
Prüfung der Machbarkeit im Praxisprojekt
Das KIT übernimmt die Gesamtintegration und die intelligente Reglung des kompletten Speichersystems. Ziel des Projekts ist die Untersuchung der Machbarkeit einer kostengünstigen Speicherlösung für den Gebäudebereich. Das Erreichen einer vollständigen Autarkie bzw. ein Inselnetzbetrieb liegt hierbei nicht im Fokus, auch wenn die vorgestellte technische Lösung dafür gute Voraussetzungen besitzt. Vielmehr soll bei dem Projekt demonstriert werden, wie eine hohe Eigenverbrauchsquote des Gebäudes unter geringen Kosten erreicht werden kann. Der hohe Anteil des Eigenverbrauchs in Kombination mit den vergleichsweise hohen möglichen Ladeleistungen des Speichersystems besitzen das Potenzial, sehr netzdienlich zu wirken. Diese Netzdienlichkeit wird in naher Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen, in einer Stromversorgung die von volatiler erneuerbarer Energie dominiert wird. Die Bundesregierung plant mit einer Verdreifachung des jährlichen Zubaus an Photovoltaik und mit einer installierten Gesamtleistung von 215 GW PV im Jahr 2030. Die Konsequenz wird ein großer Überschuss an PV-Leistung im Netz zu bestimmten Mittagsstunden sein. Das in BiFlow entwickelte thermische Koppelmodul bietet mit dem integrierten Heizelement eine kostengünstige Möglichkeit, diese Überschlussleistung als Wärme zu speichern und nutzbar zu machen, sollten die elektrischen Speichermöglichkeiten erschöpft sein.
In das Energiesystem integriert wird zudem eine Ladeinfrastruktur für Elektroautos mit drei Ladepunkten à 22 kW Leistung. Diese Ladepunkte werden ebenfalls in die Eigenverbrauchsoptimierung eingebunden und auf Grundlage des Nutzungsverhaltens optimal gesteuert: „Um das Ziel eines möglichst ökonomischen Gesamtsystems zu erreichen, entwickeln wir ein übergeordnetes intelligentes Energiemanagementsystem. Das Energiesystem in BiFlow ist ein Paradebeispiel für die Sektorenkopplung, da hier Strom, Wärme und Mobilität zu einem Gesamtsystem mit hoher Komplexität und optimierten Energieflüssen verschmelzen“, so MSc. Lakshimi Narayanan Palaniswamy, Doktorand am KIT. Das Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Klimaschutz (BMWK) fördert das Projekt mit über 1,3 Mio. EUR. Ein großflächiger Einsatz von Messtechnik garantiert eine fundierte Analyse und Visualisierung des Anlagenbetriebs. Seit Mai 2022 ist der Hybridspeicher aus VFB und LIB in Betrieb, seit Oktober 2023 auch inklusive thermischen Koppelmoduls. Einzig das Heizelement ist aufgrund Lieferengpässen erst im Januar 2024 installiert. Der Demonstrator wird somit in 2024 nicht nur die technische Machbarkeit unter Beweis stellen, sondern auch wichtige Datengrundlagen für die kommerzielle Machbarkeit sammeln.
Autor: Christian Kupper, Gruppenleiter Batteriesystemtechnik, Elektrotechnisches Institut (ETI), Karlsruher Institut für Technologie