07.01.2020 • PraxisberichteReinraumCleanroomsclean room

Macht es Sinn, vorgetränkte Tücher im Reinraum einzusetzen?

Getränkte Tücher werden zur Reinigung und Desinfektion in Reinräumen verwendet.

Eine wiederkehrende Thematik, die mehr und mehr Diskussionspunkt bei Reinraumbetreibern ist. Zurecht, wie ich finde. An dieser Stelle werden die beiden Varianten (in einer aktualisierten Ausführung) verglichen.

Getränkte Tücher werden zur Reinigung und Desinfektion in Reinräumen verwendet. Den größten Anteil bilden hier sicherlich Tücher mit Isopropanol 70/30, neben weiteren Mitteln. Die Qualität der verwendeten Flüssigkeit (z. B. DI- oder WFI-Qualität, ggf. Keimfiltration oder Sterilität, Endotoxinbelastung etc.) sollte berücksichtigt werden. Ebenso ist die Konformität zur EU Biozidrichtlinie ein wichtiges Merkmal.

Anforderungen an die Tuchqualität und Leistungsfähigkeit
Eine erste Anforderung an das Tuchmaterial ist daher schon offensichtlich, wenn es zur Desinfektion eingesetzt wird: Es soll Flüssigkeit gut abgeben und die Oberfläche gleichmäßig benetzen. Wesentliche qualitätsrelevante Merkmale sind zu beachten – insbesondere das Tuchmaterial und die -verarbeitung, ggf. die Vorbehandlung (Dekontamination), extrahierbare Rückstände, Kantenverarbeitung, die Reinraumklasse, in der die Tücher abgepackt bzw. abgefüllt werden, die Verpackung und Sterilität.
Folgende Materialien sind häufig anzutreffen:

  • Polypropylen meltblown (nicht gestrickt, „non-woven“)
  • Polyester/Zellulose (nicht gestrickt, „non-woven“)
  • Polyester/Polyamid Mikrofaservlies (nicht gestrickt, „non-woven)
  • Polyester, auch tlw. mit weiteren Materialanteilen wie z. B. Polyamid (Gestrick)

Wichtig ist, dass der Anwender seine prozessabhängigen Anforderungen an die Tuchqualität und Reinheit je nach Einsatzbereich selbst definiert und ggf. überprüft. Es empfiehlt sich hier die Erstellung eines Lastenheftes. Angaben und Empfehlungen der Hersteller / Lieferanten können als Grundlage dienen, jedoch sollte durch den Reinraumbetreiber eine individuelle Validierung durchgeführt werden. Nicht zuletzt bietet die VDI Richtlinie 2083 Blatt 9.2 eine gute Orientierung, welche Anforderungen an den Einsatz von Reinraumtüchern gestellt werden. Da Verbrauchsartikel verschiedene Reinheits-/Qualitätseigenschaften aufweisen, jedoch nicht direkt einer Luftreinheitsklasse (wie in DIN EN 14644-1 beschrieben) zugeordnet werden können, wird auch klar, warum es nicht bspw. „das ISO 7 Tuch“ geben kann.

Korrekte Befeuchtung
Bei der manuellen Befeuchtung durch Sprühen ist es offensichtlich, dass nicht jedes Tuch gleich feucht bzw. getränkt sein kann (gleichmäßig feucht innerhalb des Tuchs, sowie gleiche Flüssigkeitsmenge von Tuch zu Tuch). Der Anwender stellt in diesem Fall eine große Variable dar. Die Beurteilung, wann ein Tuch „feucht genug“ ist, erfolgt immer subjektiv und ist nicht reproduzierbar. Dagegen bieten vorgetränkte Tücher eine gleichmäßige und korrekte Flüssigkeitsbenetzung, die auch für den Einsatz bei der Desinfektion wichtig ist zur Erreichung der gewünschten Keimreduktion.

Wisch- vor Sprühdesinfektion
Sprühen von Desinfektionsmittel alleine reicht nicht für eine effiziente Abtötung von Mikroorganismen aus. Selbst wenn diese abgetötet werden, haften deren Rückstände wie z.  B. totes Zellmaterial, Proteine, Pyrogene, Endotoxine, aber auch partikuläre Verunreinigungen und ggf. Produktionsrückstände weiter auf der Fläche an. Es muss also mit einem geeigneten Tuch gewischt werden, um Verunreinigungen zu lösen und zu entfernen. Vorteile hinsichtlich Reinigungsleistung bieten vor allem Mikrofasertücher.

Schützen Sie Ihr Personal
Beim Sprühen von Mitteln werden zwangsläufig feinste Aerosolpartikel freigesetzt. Je wirksamer das Mittel gegen Bakterien, Pilze und/oder Sporen sein soll, umso „wirksamer“ (also aggressiver und gesundheitsschädlicher) ist die Chemikalie i. d. R. auch für den Anwender. In den Sicherheitsdatenblättern werden dazu deutliche Angaben gemacht, auch umfangreiche Schutzbekleidungen werden empfohlen. Beispiele aus verschiedenen Sicherheitsdatenblättern von marktüblichen Reinraum-Desinfektionsmitteln (bei Inhalation):

  • „Kann Schläfrigkeit und Benommenheit verursachen“.
  • „Kann Husten und Halsschmerzen verursachen“
  • „Die Einatmung von Dämpfen/Aerosolen kann zu einer Reizung des Atemtrakts führen und eine Entzündung des Atemtrakts und ein Lungenödem verursachen“

Gerade wenn jedoch gesprüht wird, ist der Anwender den Aerosolen dauerhaft, Tag für Tag, deutlich stärker ausgesetzt als bei der Verwendung von vorgetränkten Tüchern.

Handling / Einschleusen
Bei getrennter Anwendung müssen trockene Tücher und Desinfektionsmittel (z. B. in der Sprühflasche) separat eingeschleust werden. Für jedes Produkt ist der Prozess zu definieren, die Packung muss ggf. vorgereinigt oder abgewischt werden. Da mit vorgetränkten Tüchern nur ein Produkt eingeschleust werden muss, ist auch dieser Aspekt vorteilhaft. Ebenso sind keine leeren Sprühflaschen vorhanden, die entsorgt werden müssen, was sich vor allem bei hohem Verbrauch positiv darstellt.
Außerhalb der Einsatzbereiche im Reinraum lassen sich ebenfalls Prozess­optimierungen erzielen. Es muss nur ein Produkt beschafft und qualifiziert werden, gleichzeitig ist die Lagerüberwachung nur für das getränkte Tuch notwendig (statt für trockenes Tuch und Mittel).

Machen Sie es einfach!
Einer der wesentlichen Vorteile von Ready-2-use Tüchern ist die Einsparung von Arbeitszeit und -aufwand. Als Rechtshänder würde man das trockene Tuch falten, in die linke Hand nehmen und mit der rechten Hand das Tuch besprühen. Nachdem die Flasche weggestellt wurde, nimmt man das Tuch in die rechte Hand, wischt die Fläche und faltet das Tuch erneut, um es dann in die linke Hand zu nehmen, die Sprühflasche zu nehmen usw.
Fertig getränkte Tücher werden aus der Packung entnommen, gefaltet und können direkt angewendet werden. Je Tuch bedeutet das bis zu 50 % Zeitersparnis. Beispielhaft wurden in praktischen Anwendungen folgende Zeitbedarfe (von Entnahme aus der Packung bis das Tuch anwendungsbereit war) gemessen:
Vorgetränkte Tücher beinhalten oft deutlich mehr Flüssigkeit, als in kurzer Zeit auf trockene Tücher aufgesprüht wird kann. Somit können die Reinigungs-/Desinfektionsvorgänge insgesamt schneller, effizienter und gleichmäßiger ausgeführt werden.

Verpackung
Bei vorgetränkten Tüchern bieten sich diverse Möglichkeiten zur Verpackung, die auch so auf dem Markt bei unterschiedlichen Anbietern erhältlich sind. Die meisten Vorteile für Anwender bieten gefaltete Tücher, die einfach und schnell entnommen werden können. Mit einer starken Klebelasche wird eine leichte Wiederverschließbarkeit erreicht und Austrocknung vorgebeugt, sodass die übrigen Tücher auch länger eingesetzt werden können. Eine zusätzliche Aluminiumbeschichtung der Innenseite des Beutels sorgt für Diffusionsdichtigkeit (kann z. B. bei IPA oder H2O2 wichtig sein).

Kosten
These: Getränkte Tücher sind zwar komfortabel und bieten eine höhere Sicherheit, aber für die Zeitersparnis bei der Anwendung zahle ich doch einen viel höheren Preis für das Produkt. Nehme ich ein trockenes Reinraumtuch und sprühe mein Desinfektionsmittel darauf, spare ich sicherlich viel Geld ein.

Aber ist das so?
An dieser Stelle ist ein kurzer Kostenvergleich unter marktüblichen Bedingungen hilfreich. Nehmen wir ein handelsübliches, trockenes Reinraumtuch (Polyester/Zellulose), 23x23 cm, ca. 68 g/m², nicht steril. Marktüblicher Preis 0,08 EUR je Tuch.
Zu vergleichbaren Kosten sind viele vorgetränkte Tücher in dieser Qualität (Vliestuch, nicht steril) auf dem Reinraummarkt erhältlich – inklusive aller o.g. Vorteile in Bezug auf Handling und Sicherheit. Ein entsprechender Kostenvergleich für sterile, getränkte Tücher führt zu einem ähnlichen Ergebnis: Die Einzelkosten für trockene sterile Tücher, steriles Desinfektionsmittel und zusätzlichem Arbeitsaufwand sind mit den Beschaffungskosten für fertig vorgetränkte Tücher (oft in höherer Qualität und Reinheit) vergleichbar.
Dennoch kann es Situationen geben, in denen die Verwendung eines getränkten Tuchs im Vergleich zur Sprühflasche im Nachteil ist, nämlich bei schwer erreichbaren Stellen – auch wenn diese im Reinraum nicht existieren sollten. Dort kann ein Sprühen ergänzend eingesetzt werden, um eine Desinfektion (Abtötung von Mikroorganismen) zu erreichen – ein Reinigungserfolg (Aufnehmen und Entfernen der Verunreinigung) ist damit jedoch nicht zu erzielen.

Zusammenfassung
Vor dem Einsatz von vorgetränkten Tüchern in Reinräumen sollten die Anforderungen definiert sein. Im Wesentlichen sind das:

  • Tuchqualität bzw. Materialreinheit hinsichtlich Restpartikelgehalt und Abrieb­festigkeit
  • Mittel und Wasserqualität (DI- oder WFI-Wasser?)
  • Gewünschte Verpackungsart und -einheit
  • Ggf. Sterilität (für A/B-Bereiche gefordert)
  • Konformität zur EU-Biozidrichtlinie (bei bestimmten Mitteln wie z. B. IPA)

Vorgetränkte Tücher bieten also eine Reihe von Vorteilen gegenüber dem manuellen Besprühen, insbesondere, wenn sie zur Desinfektion in Reinräumen eingesetzt werden.

  • Validiertes Produkt, sichere Prozesse durch gleichmäßige Tränkung, mit voll­ständiger Dokumentation
  • Einfaches Einschleusen, kaum Vorbereitungszeit
  • Ergonomisches Arbeiten mit Ready-2-use Produkten
  • Einfachste Anwendung, keine Vorpräparation, kein Sprühnebel (keine Aerosol­bildung für mehr Anwenderschutz)
  • Beutel kann i. d. R. nach Entnahme einfach wieder verschlossen werden
  • Gute Wirtschaftlichkeit, Kosten in vergleichbarem Rahmen wie bei manueller Tränkung

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Kiesacker 19
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