Molkereiindustrie: Keimzahlbestimmung mit Durchflusszytometrie

Für Trinkmilch produzierende Betriebe wie die Bauernmeierei Hamfelder Hof sind mikrobiologische Untersuchungen Routine und die Ergebnisse bedeutsam für die Qualität.

Für Trinkmilch produzierende Betriebe wie die Bauernmeierei Hamfelder Hof sind mikrobiologische Untersuchungen Routine und die Ergebnisse bedeutsam für die Qualität. Deshalb wird neben der verwendeten Rohmilch auch die daraus erhitzte Trinkmilch routinemäßig auf die bakterielle Keimzahl überprüft. Hierfür wird das übliche, etablierte Referenzverfahren gemäß § 64 LFGB eingesetzt. Die Ergebnisse liegen jedoch erst zwei Tage nach Probenahme vor. Somit kann insbesondere pasteurisierte Milch aufgrund ihrer kürzeren Haltbarkeit in der Regel nicht bis zur mikrobiologischen Freigabe im Lager der Meiereien verbleiben. Stünden die Ergebnisse allerdings schneller zur Verfügung, könnten eventuelle teure Rückrufaktionen verhindert werden.

Die Biomeierei der Bauerngemeinschaft Hamfelder Hof lässt ihre Trinkmilch daher vom Lebensmittellabor der LADR seit August 2015 mittels Durchflusszytometrie untersuchen. Das Verfahren bietet bei Molkereierzeugnissen den wesentlichen Vorteil einer kurzen Analysedauer: Das Ergebnis steht fest - wenige Minuten nach Eingang der Probe im Labor und damit zwei Tage vor dem Ergebnis der Referenzmethode. So kann die Freigabe von Milch und Milchprodukten deutlich früher als bisher erfolgen, bei pasteurisierter Milch noch vor Auslieferung in die Märkte. Da sich bereits in der Testphase zeigte, dass die durchflusszytometrischen Messungen nahezu identische Werte zum Referenzverfahren liefern, plant der Hamfelder Hof ganz auf das neue Verfahren umzustellen. Die Durchflusszytometrie eignet sich für alle Milchsorten im Handel, von der pasteurisierten bis hin zur sogenannten länger haltbaren (ESL-)Milch.

„Seit dem 1. August 2015 lassen wir die gesamte mikrobiologische Qualitätssicherung unserer traditionell pasteurisierten sowie länger haltbaren Milchprodukte bei LADR durchführen“, erklärt Janosch Raymann, Geschäftsführer der Hamfelder Hof Bauernmeierei in Mühlenrade nahe Hamburg, die pasteurisierte Milch sowie ESL-Milch produziert. Zum einen werden Untersuchungen aus der Originaltüte der abgefüllten Milch sofort durgeführt und zum anderen wird die abgefüllte Milch in der Tüte „gestresst“. Bei diesem Stresstest werden die Original-Milchtüten 24 h in der Wärme inkubiert und danach analysiert. Beide Untersuchungen geben wichtige Hinweise auf die Haltbarkeit der Milch sowie für die Prozesshygiene. Je schneller die Ergebnisse vorliegen, desto früher können eventuelle Probleme erkannt werden. Die Analysedauer ist dabei ein kritischer Faktor: „Normalerweise bleibt die Ware bei uns im Lager, bis uns die Untersuchungsergebnisse und die mikrobiologische Freigabe vorliegen. Es gibt aber eine Ausnahme: die traditionell pasteurisierte Frischmilch“, so Raymann. „Hier erwarten Handel und Kunden, dass die Milch schnell bei ihnen ist.“

Zeitaufwendige Keimzahlbestimmung

Die klassischen kulturellen mikrobiologischen Untersuchungen gemäß § 64 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB), die als Referenzverfahren zur Ermittlung der Keimzahl gelten, nehmen vergleichsweise viel Zeit in Anspruch. Dies hängt mit der Untersuchungsmethodik zusammen: Das Probenmaterial wird aus definierten Verdünnungen des Lebensmittels auf Nährböden pipettiert und muss bei festgelegter Temperatur und Zeit im Brutschrank inkubieren. „Zur Ermittlung der aeroben, mesophilen Keimzahl in Milch wird eine dekadische Verdünnungsreihe erstellt und dann werden Petrischalen im Plattengussverfahren angesetzt“, erläutert Dr. Burkhard Schütze, Leiter des Bereichs Lebensmittelanalytik bei  LADR in Geesthacht bei Hamburg. „Anschließend werden die Agarplatten für 48 h bei 30 °C inkubiert.“ Nach Ablauf dieser Zeitspanne werden die sichtbaren Kolonien auf den Nährböden ausgezählt und so das Ergebnis ermittelt. „Die Inkubationszeit ist im Verfahren festgelegt. Die Analytik gemäß DIN 10192-5, § 64 LFGB L 01.00 – 57 dauert dementsprechend in jedem Labor zwei Tage und ist somit von Labor zu Labor vergleichbar“, so der Experte.

Aufgrund dieser vergleichsweise langen Analysedauer und der bei traditioneller Frischmilch geringeren Mindesthaltbarkeit kann die Molkerei nicht alle Frischmilchprodukte bis zur mikrobiologischen Freigabe im Lager behalten. „Unser Ziel war es daher von Anfang an, dass wir die Milch bei auffälligen mikrobiologischen Ergebnissen zumindest nicht mehr aus den einzelnen Läden zurückrufen müssen, sondern maximal vom Großhändler“, so Raymann. „Der Idealfall ist natürlich, sie im eigenen Lager sperren zu können, wenn mikrobiologische Kriterien nicht erfüllt werden. Erst die Durchflusszytometrie eröffnet uns diese Möglichkeit.“

Milchanalyse in wenigen Minuten

Bei der Durchflusszytometrie handelt es sich um ein technisch etabliertes Verfahren, das im Lebensmittelbereich aufgrund der hohen Anschaffungskosten für das Analysegerät jedoch hauptsächlich von Herstellern mit großen Betriebslaboren für die Qualitätskontrolle eingesetzt wird. „Der wesentliche Vorteil der Zytometrie ist die kurze Analysedauer“, erklärt Schütze. Seit kurzem bietet LADR dieses schnelle Alternativverfahren als erstes akkreditiertes Auftragslabor in Deutschland für die Analyse von Lebensmitteln an. Dazu wird das Durchflusszytometer Chemunex D-Count von Biomérieux mit integriertem Pipettierroboter eingesetzt. 48 Proben können gleichzeitig bearbeitet werden.

Rohmilch enthält natürlicherweise Keime und muss dementsprechend präanalytisch besonders behandelt werden. Sollten bspw. die Kühlbedingungen nach Probenahme und auf dem Transport ins Labor nicht konsequent eingehalten werden, könnten sich die Keime gegebenenfalls vermehren und die Ergebnisse wären dann fälschlicherweise zu hoch. LADR setzt daher ein Probenröhrchen mit bakteriostatischem Mittel ein, so dass der Status quo der Probe bis zur Analyse erhalten bleibt.  

„Für zytometrische Untersuchungen werden die Milchproben nach Ankunft im Labor aufgeschüttelt und mit immunchemischen Reagenzien versetzt, die ermöglichen, dass ausschließlich lebende Bakterien nachgewiesen werden“, so Schütze. „Die anschließende Inkubation bei definierter Temperatur beträgt lediglich 20 Minuten.“ Die darauf sofort folgende Messung im Analysegerät dauert pro Probe nur wenige Minuten. Durch enzymatische Reaktionen mit den immunchemischen Färbereagenzien emittieren die Bakterien Fluoreszenzsignale, die gemessen werden. Diese Signale entsprechen der Anzahl der Bakterien in der Milchprobe. „Der präanalytische Aufwand vor der eigentlichen Messung ist verhältnismäßig gering, das Ergebnis liegt zügig, das heißt, zwei Tage vor dem Ergebnis der Referenzmethode, vor“, erklärt Schütze. „Denn die vorgeschriebene Inkubationszeit der Referenzmethoden von zwei Tagen auf PCM-Agarplatten ist hier nicht nötig.“ Sind „gestresste Milchproben zu analysieren, können diese unmittelbar nach der Stressphase gemessen werden. Durch den Einsatz der Durchflusszytometrie ist also in jedem Fall eine taggleiche Bestimmung der Keimzahl von Proben im Labor möglich. „Unsere Kunden nutzen außerdem unseren Laborkurier, dadurch sind die Proben zügig im Labor. Die Ergebnisse können dann schnellstens ermittelt und mitgeteilt werden“, erläutert der Experte.

Sicherheit bei Frischmilch

Die neu gegründete Hamfelder Hof Bauernmeierei nutzt dieses Verfahren von Beginn an: „Nur in den ersten Tagen seit unserer Inbetriebnahme am 1. August 2015 haben wir die Analysen ausschließlich nach der klassischen Methode durchführen lassen“, so Raymann. „Danach, in der zweiten Augustwoche, startete bei LADR der Testbetrieb für das D-Count und seither werden beide Verfahren parallel ausgeführt.“ So können die Ergebnisse der Durchflusszytometrie mit den etablierten Referenzverfahren verglichen werden. „Die Datenlage bei den Validierungsstudien zeigte schon früh, dass die durchflusszytometrischen Messungen nahezu dieselben Ergebnisse liefern wie die kulturellen Koloniezählungen, deren Resultate  erst nach zwei Tagen vorliegen“, erklärt Schütze. „Auch im unteren Messbereich sind die Ergebnisse im Rahmen der Messunsicherheiten, die für mikrobiologische Methoden üblich sind,  reproduzierbar. Festgelegte Spezifikationsüberschreitungen der Produkte können sicher und schnell ermittelt und sofort mitgeteilt werden.“

Damit liegen der Bauernmeierei auch bei Frischmilchproben die Analyseergebnisse vor, wenn sich die Ware noch im Betrieb befindet:

Fazit

„Mit dem zytometrischen Verfahren wissen wir also selbst bei Produkten, die sofort in den Handel gehen, direkt nach dem Abfüllen, dass alles in Ordnung ist“, erläutert Raymann. „Generell können wir durch den analytischen Zeitgewinn Auffälligkeiten bei der Prozesshygiene früher erkennen und somit schneller reagieren.“ Besonders bei Inbetriebnahme von neu installierten Anlagen sind Rückmeldungen zu qualitätssichernden Maßnahmen und zur weiteren Optimierung der Anlagentechnik sehr wichtig. Eine taggleiche Analytik und schnelle Informationen dazu, ob Änderungen in den Einstellungen und den Reinigungsprozessen die Produktqualität verbessern, sind wesentliche Bausteine, um optimale Prozesse zu erzielen. „Nachdem sich die Durchflusszytometrie schon während der Inbetriebnahme so gut bewährt hat, planen wir, vor allem bei den Stresstests nur noch dieses Verfahren für die Bestimmung der Gesamtkeimzahl einzusetzen“, resümiert Raymann.

 


Keimbelastung und Haltbarkeit

Durch Erhitzungsprozeduren wie bspw. Pasteurisieren wird Milch haltbar gemacht. Zur Kontrolle der erhitzten Milch werden in den Betriebslaboren von Meiereien unterschiedliche Qualitätsparameter regelmäßig überprüft. Neben chemisch-physikalischen Parametern spielen die Untersuchungen auf Bakterien – diese können mittels Referenzverfahren oder der schnelleren Durchflusszytometrie durchgeführt werden – eine bedeutende Rolle für die Freigabe der Produkte.

Rohmilch enthält natürlicherweise Bakterien und ist für diese zudem ein ideales Wachstumsmedium. Rohmilch gelangt in der Regel nicht zum Verbraucher, höchstens als so genannte Vorzugsmilch, die maximal 96 Stunden im Handel sein darf und unter besonderer Kontrolle hergestellt wird. So genannte UHT-Milch hat eine lange Haltbarkeitsdauer, weil sie so gut wie steril ist: Werden die Erhitzungsprozesse und die Maßnahmen bei der Abfüllung eingehalten, finden sich in UHT-Milch keine lebenden Bakterien. Allerdings hat die Erhitzungsprozedur auch Einfluss auf den Geschmack. Viele Milchtrinker bevorzugen den Geschmack einer pasteurisierten Milch, denn hier wird die Milch schonender erhitzt. Pasteurisierte und länger haltbare Milch können auch Bakterien enthalten, krankmachende Keime werden durch die Verfahren allerdings sicher abgetötet.


Hamfelder Hof

Die Bauerngemeinschaft Hamfelder Hof besteht aus 27 norddeutschen Familienbetrieben, die dem Bioland-Verband angehören. Die Marke Hamfelder Hof besteht seit fast 20 Jahren und geht auf den gleichnamigen bäuerlichen Betrieb zurück, der 1996 in Zusammenarbeit mit einer regionalen Molkerei die erste länger haltbare Biomilch auf den Markt brachte. In der Folge entstand eine Liefer- und schließlich 2013 die heutige Bauerngemeinschaft. Diese nahm am 1. August 2015 eine eigene Molkerei in Mühlenrade bei Hamburg in Betrieb, die ausschließlich die Bioland-Milch der Mitgliedshöfe verarbeitet. Aktuell wird in der Hamfelder Hof Bauernmeierei neben länger haltbarer, homogenisierter sowie nicht-homogenisierter Milch auch Sauerrahmbutter für den regionalen Markt hergestellt. Im Laufe des nächsten Jahres sollen eine Joghurtproduktion sowie verschiedene Sahneprodukte hinzukommen.


 

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