Nachhaltige Pasta-Produktion aus einem regionalen Netzwerk für Energieeffizienz REGINEE

Wasser rein, Wasser raus: Damit Pasta haltbar wird, muss der Teigmasse die Feuchtigkeit wieder entzogen werden.

Wasser rein, Wasser raus: Damit Pasta haltbar wird, muss der Teigmasse die Feuchtigkeit wieder entzogen werden. Dieser Vorgang stellt den familiengeführten Nudelhersteller Josef Bernbacher & Sohn jedoch vor Herausforderungen. 85 % des Strombedarfs fließen dadurch allein in die Nudelproduktion. Um den Energieverbrauch zu senken, hat sich das Unternehmen dem Energieeffizienz-Netzwerk REGINEE angeschlossen – mit Erfolg.

In die Debatte, woher die Nudel kommt, ist Ruhe eingekehrt. Forscher haben sich offensichtlich mit der These arrangiert, dass die Erfindung der Teigspeise unabhängig voneinander an verschiedenen Orten der Welt stattfand. Unbestritten ist die Beliebtheit der Nudel: In allen Ländern wird sie zubereitet, mit Soßen übergossen oder Käse bestreut. Dass Pasta heute in aller Munde ist, dazu hat vor allem die Haltbarmachung beigetragen. Durch Trocknen der geformten Teigmasse aus Hartweizengrieß und Wasser ist sie über mehrere Jahre hinweg genießbar.
Was früher nur mühsam möglich war, ist heute Routine. Statt Wäscheleinen nutzen Nudelhersteller heute große Maschinen zum Trocknen. In der Nudelfabrik Bernbacher, mit Sitz in Hohenbrunn in der Nähe von München, werden so am Tag rund 140 t Teigware in knapp 60 Ausformungen haltbar gemacht. Aber dabei lauern Tücken: 85 % des Strom- und 75 % des Wärmebedarfs fließen in die Produktion. „Grund dafür ist die Zusammensetzung des Teiges. Auf jedes Kilogramm Hartweizen kommen 30 % Wasser, die aber schließlich wieder ausgetrieben werden müssen“, erklärt Katrin Bernbacher, Geschäftsführerin des 1898 gegründeten Unternehmens Josef Bernbacher & Sohn. Auf einem Bandtrockner werden die zuvor durch eine Matrize gepressten Nudeln über mehrere Etagen langsam getrocknet, um ihnen gleichmäßig die Feuchtigkeit zu entziehen. „So entstehen keine Risse. Nach dem Trocknen haben die Nudeln dann noch einen Wassergehalt von 13 %“, sagt Katrin Bernbacher. „Somit ist das Trocknen der Teigware der energieintensivste Prozess in unserem Unternehmen.“
Bis zu drei Stunden brauchen die Nudelhersteller dafür. Am Ende des Prozesses können nicht nur Spaghetti und Spiralnudeln verpackt werden. „Bei der Trocknung fällt auch viel Abwärme an“, sagt die Geschäftsführerin. Da diese aber sehr feucht und mehlig ist, kommt eine Wärmerückgewinnung – bei der die anfallende Wärme aufgefangen, gespeichert und etwa für die Beheizung von Büroräumen genutzt wird – nicht in Frage. „Unser hoher Energieverbrauch und die sich daraus ergebenden Einsparpotenziale sind Themen mit höchster Priorität für uns. Deshalb ist der Austausch mit anderen Unternehmen an dieser Stelle mehr als sinnvoll“, schildert Katrin Bernbacher.
Die Möglichkeit dafür haben Bernbachers drei Mal im Jahr. Denn dann finden die Treffen des Netzwerkes statt, dem sich das Familienunternehmen vor drei Jahren angeschlossen hat: Im regionalen Netzwerk für Energieeffizienz, kurz REGINEE, haben sich neben dem Nudelhersteller acht weitere Unternehmen im Münchner Umkreis organisiert, um einem zu hohen Energieverbrauch gegenzusteuern. Initiiert vom VEA (Bundesverband der Energie-Abnehmer e.V.) hilft ein solches Netzwerk Betrieben dabei, sich zu Themen rund um Energiesparen und Klimaschutz auszutauschen. Das Projekt erfolgt im Rahmen der Initiative Energieeffizienz-Netzwerke und ist damit Teil des Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz (NAPE) und des Aktionsprogramms Klimaschutz der Bundesregierung. Verschiedene Verbände und Initiativen unterstützen die Gründung der bundesweiten Netzwerke.
Bereits seit über 65 Jahren berät und vertritt der VEA Unternehmen aus der mittelständischen Wirtschaft und des öffentlichen Sektors in allen Fragen der Energiekostenreduzierung und des Energiemanagements. Mehr als 4.500 Mitglieder unterstützt der Verband mit Sitz in Hannover etwa beim Prüfen von Rechnungen und Verträgen, bei der Strom- und Gasbeschaffung sowie der Energieeffizienz, z. B. mit ­REGINEE. Neben dem Netzwerk in München, in dem Josef Bernbacher & Sohn daran arbeitet, Emissionen und Energiekosten zu reduzieren, existieren 15 weitere REGINEE in der gesamten Bundesrepublik. Ein Netzwerk besteht dabei aus acht bis zwölf Unternehmen einer Region, die über einen Zeitraum von vier Jahren auf ein gemeinsames Energieeffizienz-Ziel hinarbeiten. 
Die auf diese Weise identifizierten Einsparpotenziale und die geeigneten Maßnahmen dafür besprechen die Vertreter aller teilnehmenden Unternehmen schließlich in der Produktionsstätte eines Betriebes. „Die Netzwerkarbeit bringt uns enorm viel. Wir sprechen und diskutieren offen miteinander über Einsparlösungen, werden von anderen positiven Beispielen inspiriert und tragen so auch noch zum Klimaschutz bei“, sagt Katrin Bernbacher, die nicht nur im ersten REGINEE Deutschlands Mitglied ist, sondern 2015 auch das allererste Netzwerktreffen des VEA in der Bundesrepublik ausgerichtet hat. Nützlich findet sie vor allem, wenn bei Firmenrundgängen neue Systeme und Geräte vorgestellt werden. „Ob eine ganz moderne Gebäudeleittechnik oder ein Blockheizkraftwerk – so lernen wir potenzielle Anschaffungen kennen.“
Mittlerweile, sagt die Geschäftsführerin, kontaktieren sich Elektromeister oder Energiebeauftragte der teilnehmenden Unternehmen auch unabhängig von den geplanten Treffen, um Neuigkeiten auszutauschen. Etwa wenn es um das Erreichen eines der gesteckten Ziele geht: So haben die Betriebe des REGINEE München nach zwei Jahren insgesamt bereits 2 % weniger Energie verbraucht – vereinbart sind 4 % in vier Jahren. Aber es wird nicht nur über Erfolge geredet. „Wir lernen auch von gescheiterten Maßnahmen – nämlich wie wir unser Vorhaben neugestalten oder vielleicht sogar einen ganz anderen Ansatz finden“, erklärt die Geschäftsführerin. Neben dem regelmäßigen Austausch gehört auch die kontinuierliche Beratung durch den VEA zur Netzwerkarbeit, wie etwa ein Energieaudit, dass der Verband bei teilnehmenden Unternehmen nach REGINEE-Betritt vor Ort durchführt. „Dabei wird ganz genau ermittelt, wo im Unternehmen viel Energie verbraucht wird, um Einsparpotenziale zu identifizieren. Danach erarbeitet der VEA-Berater gezielte Maßnahmen für den Betrieb“, erklärt Katrin Bernbacher. Für die Nudelfabrik bot sich etwa die Reduzierung des Betriebsdrucks sowie die Optimierung allgemeiner Lüftungs- und Kälteanlagen an. „Das haben wir umgesetzt und so ist unser Energieverbrauch seit 2015 um 4 % gesunken.“
Das Problem der feucht-mehligen Abwärme, die sich bisher nicht weiterverwenden lässt, hat Katrin Bernbacher allerdings noch nicht gelöst. „Nach einer Lösung für eine ideale Wärmerückgewinnung suchen nicht nur wir: Auch wenn alle Unternehmen im REGINEE ganz unterschiedlich sind, so eint die meisten das Abwärme-Problem. Deshalb werden wir eine Lösung finden“, sagt sie. Nicht zuletzt deshalb setzen an dieser Stelle auch die Anlagenhersteller an. „Die Maschinen werden ständig weiterentwickelt. In den vergangenen Jahren konnten bereits deutliche Erfolge erzielt werden.“
Mehr Effizienz, geringerer Verbrauch und niedrigere Kosten: Immer besser zu werden, ist Katrin Bernbachers selbstgesetztes Ziel. „Wir haben als Unternehmen mit 120 Mitarbeitern natürlich auch eine gewisse Vorbildfunktion. Die kontinuierliche Verbesserung ist unsere größte Herausforderung. Auch die Einstellung teilen wir gern.“

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