„Breast is best“ empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation den meisten Müttern. Ein neuer Mix aus fünf humanen Milch-Oligosacchariden in ihrer natürlichen Konzentration kann nicht stillende Mütter entlasten. Schließlich werden der Muttermilch viele gute Eigenschaften zugeschrieben. Sie enthält Proteine und wichtige Fettsäuren, die das Immunsystem der Neugeborenen stärken und sorgt nach der Geburt maßgeblich für die Ausbildung der Darmflora. Außerdem enthält sie neben Lactose, Vitaminen und anderen Inhaltsstoffen auch humane Milch-Oligosaccharide, das sind komplexe Zuckermoleküle, die, wie wissenschaftlich erwiesen, gesundheitsfördernde Wirkungen haben. Nach Fetten und Lactose bilden sie den drittgrößten festen Bestandteil der Muttermilch.
Es gibt ungefähr 200 Arten von humanen Milch-Oligosacchariden, die sich in ihrer chemischen Struktur unterscheiden und somit auch verschiedene Funktionen bei der positiven gesundheitlichen Entwicklung von Säuglingen ausüben. In der Muttermilch kommen sie in Mengen zwischen 10 bis 25 g pro Liter vor, wobei die höchsten Konzentrationen im Kolostrum, also der Erstmilch nachgewiesen werden können.
Wie wissenschaftliche Studien gezeigt haben sind ihre Auswirkungen vielfältig: Sie sind präbiotisch, was bedeutet, dass sie das Wachstum von vorteilhaften Mikroorganismen befördern und können den Organismus vor viralen oder bakteriellen Infektionskrankheiten schützen, indem sie die Krankheitserreger daran hindern, in den Körper einzudringen. Des Weiteren wirken sie sich stabilisierend auf das Immunsystem aus, unterstützen die neuronale Entwicklung der Babys, senken das Risiko von allergischen Reaktionen und können Frühgeborene vor lebensbedrohlichen Krankheiten wie der nekrotisierenden Enterokolitis schützen [1].
Das am häufigsten vorkommende HMO ist 2‘-Fucosyllactose, welches in fast 80 % aller humanen Milchproben in einer Konzentration von ca. 3 g/l vorkommt. 2‘-Fucosyllactose ist ein Trisaccharid, das in erster Linie die Eigenschaft hat, vor Infektionen zu schützen und zum Aufbau eines natürlichen Darmmikrobioms beizutragen [2]. Seit 2015 wird 2‘-Fucosyllactose, neben anderen HMOs, von den Biotechnologen der in Rheinbreitbach ansässigen Firma
Jennewein Biotechnologie im industriellen Tonnenmaßstab produziert; seit 2016 wird es als Nahrungsergänzungsmittel an namhafte Babynahrungshersteller in den USA und seit 2017 in Europa geliefert. Das hat zur Folge, dass jetzt auch Säuglinge, die nicht gestillt werden, von ihren gesundheitlichen Vorteilen profitieren können. Die biotechnologisch hergestellten HMOs und somit auch 2‘-Fucosyllactose entsprechen in ihrer Struktur und Funktion den natürlichen Vorbildern in der menschlichen Muttermilch und sind mit diesen chemisch identisch.
Nachhaltiger Fermentationsprozess
Hergestellt wird das Portfolio der humanen Milch-Oligosaccharide und Monosaccharide der Jennewein Biotechnologie mittels eines eigens entwickelten fermentativen Prozesses, der sich auf wissenschaftliche
Forschung und Ergebnisse stützt. Dieser Prozess ist umweltfreundlich, nachhaltig und kosteneffizient. Ausgangspunkt dieser
Fermentation ist der Bakterienstamm E. coli BL21, der gentechnisch von den Biotechnologen so umgerüstet wird, so dass die Bakterien die Enzyme herstellen können, die notwendig sind, um HMOs zu bilden [3].
Optimierung von Säuglings- und Kleinkindernahrung
Nach der erfolgreichen Produktion und dem weltweiten Vertrieb von 2‘-Fucosyllactose in der Säuglingsnahrung hat das Unternehmen nun eine neue Produktgeneration eingeleitet und einen 5-HMO-Mix entwickelt, der sich noch mehr an die natürliche Situation in der menschlichen Muttermilch annähert. Dieser setzt sich aus den fünf am häufigsten vorkommenden HMOs in natürlicher Konzentration zusammen, die das Jennewein-Portfolio anbietet: Dies sind 2‘-Fucosyllactose, 3-Fucosyllactose, Lacto-N-tetraose, 3‘-Sialyllactose und 6‘-Sialyllactose. Somit enthält dieser neue HMO-Mix als erstes Produkt, das ebenfalls weltweit gelauncht wird, sowohl neutrale als auch saure HMOs. „Hier werden die am meisten in der Muttermilch vorkommenden HMOs kombiniert und in einer Konzentration angeboten, wie man sie im Mittel in humaner Milch findet. Mit dem 5-HMO-Mix versuchen wir die wichtigsten HMOs in der Muttermilch abzubilden, die verschiedene positive Eigenschaften zum Gedeihen von Säuglingen mitbringen wie die Unterstützung der Gehirnentwicklung, den Schutz vor infektiösen Krankheiten oder die Grundlage zur Entwicklung eines gesunden Darmmikrobioms“ erläutert Dr. Katja Parschat, stellvertretende Leiterin F & E bei Jennewein Biotechnologie die Besonderheiten dieses Mixes. Damit solle vor allem auch der nächste Schritt in der Optimierung von Säuglings- und Kleinkindernahrung vorangebracht werden, so fährt sie fort. Der Mix umfasst in seiner Zusammensetzung alle positiven gesundheitlichen Effekte, die für diese Zuckermoleküle im Einzelnen nachgewiesen wurden, wobei die hierin enthaltenen HMOs u. a. gegen Pathogene wie z. B. Noroviren oder bakterielle Durchfallerreger schützen [4].
Klinische Studie in Italien, Spanien und Deutschland
Um die Verträglichkeit des 5-HMO-Mixes für Säuglinge zu testen und die Sicherheit des Produktes für die Zulassung in der Europäischen Union gemäß den EU-Richtlinien als Nahrungsmittelzusatz (Novel Food) zu gewährleisten, hat das Unternehmen im Dezember 2018 eine klinische Studie gestartet, die an Krankenhäusern in Deutschland, Spanien und Italien durchgeführt wird. „Es handelt sich um eine „Growth and Tolerance“ Studie in der primär gezeigt wird, dass eine Babynahrung, die den HMO-Mix enthält zu genauso gutem Gedeihen der Probanden führt, wie eine Referenznahrung, die keine HMOs enthält. In unserem Fall handelt es sich um dieselbe Formula, die auch keine weiteren Präbiotika enthält. In einem zweiten Aspekt der Studie wird die Entwicklung des Darmmikrobioms der Probanden in den verschiedenen Gruppen sowie das HMO-Profil in der Milch der stillenden Mütter untersucht“, beschreibt Dr. Katja Parschat, die bei Jennewein Biotechnologie für diese Studie verantwortlich ist, deren Zielsetzung. Getestet wird die Verträglichkeit des neuen Produktes an 324 Babys, die in drei Gruppen unterteilt sind: Die erste Gruppe erhält Babynahrung mit dem HMO-Mix, die zweite Gruppe bekommt eine Referenzformula und die dritte Gruppe wird über einen Zeitraum von vier Monaten gestillt. Das Prüfpräparat basiert auf einer Säuglingsnahrung, die in Deutschland kommerziell erhältlich ist, und enthält die fünf in der Muttermilch am häufigsten vorkommenden HMOs in natürlicher Konzentration. Die Rekrutierung lief in allen drei Ländern dank des Engagements der beteiligten Ärzte, die die Eltern der Säuglinge von den Vorteilen der humanen Milch-Oligosaccharide überzeugen konnten, bisher erfolgreich. Zur Zeit befindet sich die Studie noch in der klinischen Phase; die letzten Probanden werden voraussichtlich im Juni 2020 getestet. Der Abschluss der Studie, d. h. die statistische Auswertung der Ergebnisse, wird für diesen Herbst erwartet und damit auch der baldige Produktlaunch auf dem europäischen Markt. „Bislang konnten wir eine gute Verträglichkeit der HMO-Mix enthaltenen Nahrung beobachten. Durch die Analyse der Korrelation von HMOs in der Muttermilch und des Darmmikrobioms sowie die gesundheitliche Beobachtung der Probanden kann sich unter Umständen auch eine Möglichkeit ergeben, Verbrauchern eine personalisierte Nahrung anzubieten, die zur Profilaxe, Gesunderhaltung oder Therapie eingesetzt werden kann“, fasst die Wissenschaftlerin die ersten Ergebnisse und den Blick in die Zukunft zusammen.
[1] Bode,Lars, Human milk oligosaccharides: every baby needs a sugar mama. In: Glycobiology, Band 22, Nummer 9, September 2012, S. 1147-1162
[2] Thurl S. et al. Systematic review of the concentrations of oligosaccharides in human milk. Nutr. Rev. 2017, 75:920-933
[3] Claudia Hüther-Franken, Babys Best Sweets: Süß und überaus gesund, LVT Lebensmittelindustrie 7-8, 2019, S.27
[4] Triantis V et al. Immunological Effects of Human Milk Oligosaccharides. Front Pediatr 2018; 6:190