Retrofit-Strategien für Brownfield-Anlagen in Chemie und Pharma
Betreiber von Brownfield-Anlagen müssen mit bestehenden Produktionsanlagen ebenso effizient produzieren wie Wettbewerber mit Neuanlagen. Durchdachte Retrofit-Strategien basieren auf vier Säulen: Konnektivität ermöglicht nachträgliche Digitalisierung und Vernetzung. Predictive Maintenance nutzt Big-Data-Analysen zur Ausfallvorhersage. Moderne Automatisierungssoftware erhöht die Cybersecurity und erfüllt EU-Richtlinien. Echtzeit-Energiedatenerfassung treibt die Dekarbonisierung voran. Standardisierte Lösungen sichern Wettbewerbsvorteile bei geringerem Investitionsaufwand.
Dr. Etwina Gandert
Frank Hägele, Sales Director, Copa-Data Deutschland, stellt im Interview dar, wie eine Retrofit-Strategie für Brownfield-Anlagen zum Erfolg führen kann und welches die Schlüsselfaktoren sind.
Wie Digitalisierung, Predictive Maintenance und Cybersecurity Bestandsanlagen zukunftsfähig machen
CITplus: Herr Hägele, wo stehen Brownfield-Anlagen in Chemie und Pharma heute unter Druck? Worin liegt der strategische Kern der Modernisierung, wenn Budgets knapp sind?

Frank Hägele: Betreiber sehen sich gleichzeitig technischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Herausforderungen gegenüber, vom Effizienzvergleich mit Neuanlagen bis zu IT-Sicherheit und Nachhaltigkeitsvorgaben – das verlangt eine durchdachte Retrofit-Strategie statt punktueller Upgrades. Bei geringerem Invest als ein Neubau sichert Retrofit die Wettbewerbsfähigkeit, wenn ganzheitlich entlang der vier Säulen Konnektivität, vorausschauende Wartung, Sicherheit und Nachhaltigkeit geplant wird.
Sie setzen stark auf Konnektivität – was heißt das im Brownfield konkret?
F. Hägele: Vernetzung und interdisziplinäre Zusammenarbeit steigern die Wertschöpfung, weil Digitalisierungs- und Modularisierungsansätze bestehende Anlagen effizienter nutzbar machen, statt sie zwangsläufig zu ersetzen. Doch ältere Anlagen sind schwerer integrierbar und oft weniger flexibel. Durch eine gezielte Nach-Digitalisierung lassen sich Schnittstellen und Datenflüsse erschließen, die wiederum Steuerung, Analyse und Optimierung ermöglichen.
Welche Rolle spielt Predictive Maintenance im Retrofit?
F. Hägele: Sie löst den Zielkonflikt zwischen zu später und zu früher Wartung, indem Big-Data-Analysen und Machine Learning Ausfälle früh erkennen und Wartung planbar machen. Selbst mehrstufige Reaktions- und Trennprozesse lassen sich datenbasiert bewerten, um Stillstände zu minimieren, Sicherheit zu erhöhen und die OEE nachhaltig zu verbessern.
Warum ist Cybersecurity bei Bestandsanlagen besonders kritisch geworden?
F. Hägele: Mit zunehmender Vernetzung wachsen auch die potenziellen Angriffsflächen. Viele ältere Anlagen verfügen zudem nicht über aktuelle Sicherheits-Updates, was sie besonders anfällig macht. Hinzu kommt: Verschärfte EU-Vorgaben erhöhen den Handlungsdruck und erfordern häufig Migrationsmaßnahmen. Moderne Automatisierungssoftware wie Zenon lässt sich nahtlos in bestehende IT/OT-Sicherheitsarchitekturen integrieren und ermöglicht es, Schutzanforderungen schnell und ohne großen Aufwand umzusetzen.
Wie zahlt Retrofit auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz ein?

F. Hägele: Ältere Anlagen sind oft weniger energieeffizient, aber Lebensdauerverlängerung plus gezielte Energieoptimierung reduzieren den CO2-Fußabdruck bei richtiger Auslegung. Eine lückenlose, echtzeitnahe Datenerfassung zu Energieströmen ist zwingend, denn nur so lassen sich Verbräuche analysieren, steuern und flexibel anpassen – Digitalisierung und Automatisierung sind der Schlüssel.
Kontinuierliche kleine Schritte oder große Updates – wie entscheiden Betreiber?
F. Hägele: Beide Wege sind valide, die Wahl hängt von Rahmenbedingungen ab, aber längere Intervalle erhöhen Cyber- und Ausfallrisiken, während häufigere Schritte Validierungsaufwand reduzieren können.
Warum ist Standardisierung ein Hebel im Brownfield?
F. Hägele: Standardisierte Lösungen gewährleisten Aufwärtskompatibilität und stabile Schnittstellen zu Drittsystemen – auch dann, wenn neue Softwareversionen eingeführt werden. Dadurch sinkt das Risiko von Integrationsbrüchen, Updates können schneller umgesetzt werden und der Validierungsaufwand reduziert sich. Insgesamt erhöht das die Zeit- und Kosteneffizienz bei der Modernisierung bestehender Anlagen.
Retrofit versus Neuinvestition – wie lautet Ihr Fazit?
F. Hägele: Intelligente Retrofit-Strategien bieten echten Wettbewerbsvorteil bei deutlich geringerem Investitionsaufwand als neue Maschinen und schaffen moderne, nachhaltige und sichere Produktionsstandards.
Ihr pragmatischer Startpunkt für Betreiber?
F. Hägele: Daten- und Schnittstellenlage erfassen, Sicherheitslücken priorisieren, Energiedaten in Echtzeit verfügbar machen und Predictive-Maintenance-Piloten mit standardisierter Architektur aufsetzen.
Das Interview führte Dr. Etwina Gandert, Chefredakteurin CITplus.












