17.03.2022 • PraxisberichteAnalysetechnikAnalytikAvio 550

Titandioxid (E171) auf der Spur

Süßigkeiten, Kosmetik, Medikamente: In den meisten dieser Produkte sind chemische Zusatzstoffe enthalten. Auch Titandioxid (TiO2) war bisher als Lebensmittelzusatzstoff E171 zugelassen. Zum 1. Januar 2022 hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Titandioxid allerdings verboten. Der Grund: TiO2 steht im Verdacht, als Lebensmittelzusatzstoff E171 eine erbgutschädigende Wirkung zu haben, die auch durch eine neue Bewertung durch die EFSA nicht entkräftet werden konnte.

Titandioxid (TiO2) entsteht, wenn Titan, eines der am häufigsten vorkommenden Metalle der Erde, mit Sauerstoff in der Luft reagiert. TiO2 besteht aus einem Titanatom und zwei Sauerstoffatomen, daher ist es ein Dioxid und wird als chemisch inert angesehen, d. h. es reagiert nicht mit anderen Chemikalien. Es wird als Pigment oder Nanomaterial produziert und ist in beiden Formen geschmacksneutral, geruchlos und nicht löslich. TiO2-Pigmentpartikel sind ca. 200–350 nm groß, weiß und stellen ungefähr 98 % der Gesamtproduktion dar. Als Nanopartikel besteht TiO2 aus primären Partikeln, die kleiner als 100 nm sind. In dieser Form ist Titandioxid farblos und weist verbesserte UV-Brechungs- und -Absorptionseigenschaften auf. Neben der UV-Beständigkeit und der Eigenschaft, Licht zu streuen, ist Titandioxid das weißeste und hellste bekannte Pigment und wird daher in zahlreichen Produkten des Alltags eingesetzt.

Glänzende Lebensmittel

In der Lebensmittelindustrie war Titandioxid bisher als E171 zugelassen und wurde z. B. in Süßigkeiten, Zuckerstreuseln, dragierten Kaugummis, Nahrungsergänzungsmitteln und auch in einzelnen Käsesorten eingesetzt. TiO2 diente dort zur Konsistenzoptimierung und als Weißmacher bzw. Aufheller. In einigen Schokolinsen wurde es bspw. unter dem Farbüberzug eingesetzt und sorgte dafür, dass die Farben der Linsen schön und bunt strahlen. Auch bei Zuckerstreuseln, Liebesperlen und anderen drageeartigen Überzügen führte TiO2 zu hellen, leuchtenden Farben. Dies ist nun nicht mehr möglich und muss durch andere Produkte ersetzt werden. Bei Schokolinsen ist E171 nun durch Calciumcarbonat ausgetauscht worden, dadurch leuchten die Farben nun nicht mehr so wie früher.

Laut „ärzteblatt.de“ hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bislang die tägliche Aufnahme von TiO2 auf 1,28 mg/kg Körpergewicht geschätzt. Es wird davon ausgegangen, dass die größte Menge vom Körper unverändert wieder ausgeschieden wird. Bisher sind keine geeigneten Studien verfügbar, die Hinweise auf schädliche Effekte bzw. krebserzeugendes Potenzial nach oraler Exposition liefern. Trotzdem konnte der Verdacht auf eine erbgutschädigende Wirkung von Titandioxid nicht entkräftet werden.

In Form von Nanopartikeln kann Titandioxid allerdings von der Darmschleimhaut aufgenommen und in der Milz abgelagert werden. Bei Menschen, die eine gestörte Schleimhautbarriere haben, bspw. durch eine entzündliche Darmerkrankung wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, wurden erhöhte TiO2-Blutwerte festgestellt. Die Befunde lassen vermuten, dass TiO2 einen Krankheitsschub verstärken kann, weshalb Mediziner allen Patienten mit einer Störung der Darmbarriere raten, vorsorglich auf Nahrungsmittel mit E171 zu verzichten.

In Zahnpasta und Kosmetikartikeln weiterhin erlaubt

Titandioxid ist außerdem in Zahnpasta, Sonnenschutzmitteln und anderen Kosmetika wie Rouge, Lidschatten oder Make Up enthalten, wovon bislang keine gesundheitsschädlichen Auffälligkeiten bekannt sind. In Kosmetik und Hautpflege-Produkten wird TiO2 sowohl als Pigment als auch als Verdickungsmittel bspw. für Cremes verwendet. Aufgrund seiner Transparenz und UV-absorbierenden Eigenschaften wird TiO2 als Sonnenschutzmittel eingesetzt. Die Aufnahme über die Haut hat das Scientific Committee on Consumer Safety (SCCS) sowohl auf intakter als auch Sonnenbrand-geschädigter Haut als unbedenklich angesehen. In Zahnpasta ist Titandioxid als Pigment mit Namen CI 77891 zu finden. Zu Gehalten und Spezifikationen liegen dem BfR derzeit allerdings keine Daten vor. Tatsächlich wird TiO2 schon lange und vor allem in Zahnpasta und Sonnencreme eingesetzt.

Messbarkeit von Titandioxid

Nanopartikel von Titandioxid werden in einer Vielzahl von Verbraucherprodukten verwendet. Im Jahr 2013 gab es schätzungsweise über 1.300 verschiedene Produkte, die Nanopartikel enthielten. Dies steigerte nicht nur die Besorgnis über Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt, sondern auch den Wunsch, die Konzentration von Titandioxid genau ermitteln zu können.

Traditionell werden die Größenmerkmale von Nanopartikeln mit verschiedenen Methoden bestimmt, u. a. durch dynamische Lichtstreuung, Mikroskopie und andere Technologien. Eine weitere Analysetechnik ist die induktiv gekoppelte Plasmamassenspektrometrie (ICP-MS), eine sehr empfindliche, elementspezifische Technik zur Untersuchung von Elementen in umweltrelevanten Konzentrationen. Zuletzt wurden die Möglichkeiten dieser Technik auf die Einzelpartikelanalyse (SP-ICP-MS) erweitert. Das Technik-Unternehmen Perkinelmer führt diese Analyse mit dem Nexion ICP-MS unter Verwendung des Syngistix Nano Application Software Module an Nahrungsergänzungs- und Sonnenschutzmitteln sowie in Trinkwassersystemen durch.

Bei der Einzelpartikel ICP-MS handelt es sich um eine einzigartige Betriebsart, welche die Unterscheidung zwischen ionischen und partikulären Formen der vorgeschriebenen Elementzusammensetzung ermöglicht, die in die Plasmaquelle gelangen. Zudem hat die SP-ICP-MS die Fähigkeit, schnelle, empfindliche und elementspezifische Analysen durchzuführen. Mit den daraus resultierenden Daten lassen sich in einer einzigen Analyse sowohl die Partikelzusammensetzung und Konzentration als auch die Größe und Größenverteilung direkt bestimmen. Sowohl in Nahrungsergänzungsmitteln als auch in Sonnenschutzmitteln und Trinkwassersystemen können so TiO2-Nanopartikel nachgewiesen werden. Zusätzlich lässt sich der TiO2-Gehalt in verschiedenen Proben deutlich unterscheiden.

Eine weitere Möglichkeit TiO2 zu testen ist die optische Emissionsspektrometrie (ICP-OES). ICP/OES ist sehr nachweisstark und kann dank seiner Robustheit eine Vielzahl von verschiedenen Probentypen analysieren und bietet ein gutes Nachweisvermögen im Bereich von bis zu 1 µg/L (bei Trinkwasser). Titan weist viele spektrale Interferenzen auf und erfordert bei der Analyse eine ausgefeilte Zelltechnologie. Da TiO2 chemisch inert ist, ist es schwer aufschließbar. Wegen der hohen Salzfracht ist bei einem alkalischen Schmelzaufschluss daher die Analyse mit der ICP-OES Methode sinnvoller. Hier setzt Perkinelmer seinen Avio 550 ein. Der Vorteil hier ist auch eine echte Simultananlyse.

Diese kompensiert Flimmern und Probeneinführungsrauschen, somit können RSDs von < 0,1 % erreicht werden. Messverfahren mit dieser Genauigkeit tragen immens dazu bei, dass Forscher und Labors die für den Menschen schädlichen Einflüsse besser einschätzen und den Behörden ihre Empfehlungen geben können.

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