06.10.2021 • PraxisberichtePumpenCITplusCITplus 10/2021

Trendbericht: Pumpentechnologie im Industrie 4.0-Umfeld

Total Cost of Ownership, kurz, TOC, sind der Dreh- und Angelpunkt, wenn es um die Frage geht, ob in digitale Technik für Pumpenanlagen investiert wird.

Sowohl die Anlagenverfügbarkeit und Leistung als auch die Sicherheit wirken sich direkt auf die Betreiberkosten aus. Eine Optimierung dieser Faktoren durch digitale Services kann daher die Kosten mittel- und langfristig senken. Zu überwindende Hürden sind dabei einerseits die Verfügbarkeit sowie Umsetzbarkeit der technischen Lösung und andererseits die Überzeugung zur Investition.

Eine intelligente und kontinuierliche Überwachung von Pumpen kann den Wirkungsgrad der Anlagen ermitteln, den Zustand und notwendige Wartung vorausschauend erkennen und auch für einen sicheren und zuverlässigen Betrieb sorgen. Daher gehen viele Anbieter von Pumpentechnik voran und entwickeln ihre Services weiter, auch wenn die Nachfrage und Nutzung der Services zum Teil noch verhalten ist.

Technische Lösungen zur digitalen Anbindung

Tekneyan  Mikael Tekneyan, Netzsch Pumpen & Systeme

An vielen Stellschrauben der Pumpentechnologie wurde bereits gedreht und aus Sicht von Mikael Tekneyan, Netzsch Pumpen & Systeme, ist eine Optimierungen z.B. hinsichtlich Energieeffizienz an einzelnen Komponenten meist ausgeschöpft. „Daher kann oft nur noch auf systemischer Ebene für eine Optimierung gesorgt werden. Dazu müssen aber die einzelnen Komponenten zur „Kommunikation“ fähig sein, damit eine Einschätzung des aktuellen Betriebs­zustandes der einzelnen Komponenten erfolgen und darauf basierend eine Optimierung stattfinden kann“, führt Tekneyan aus.

Bei neuen Anlagen „wird die digitale Vernetzung von Seiten der Anlagenbauer oder der Betreiber als permanente Überwachung und Überprüfung der gesamten Prozesskette mitgedacht und von ihrer Seite übernommen“, erläutert Frank Bungartz, geschäftsführender Gesellschafter von Bungatrz, Anbieter von Spezialkreiselpumpen. „Kern unseres Konzeptes ist die ausführliche Beratung von Anfang an. Wir begleiten den Kunden durch den gesamten Prozess. Das Know-how des Teams, unsere erfahrenen Ingenieure, langjährige Mitarbeiter und Mitstreiter sind allesamt versierte Spezialisten, die in die Planungsprozesse von Anlagen oder Umrüstungen von Anfang an mit einbezogen werden. Das wirkt sich bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt kostensparend aus.“

Industrie 4.0 – zwischen Neuanlagen und Bestand

Garnich  Dr. Florian Garnich, Entwicklungsspeziallist bei Viscotec Pumpen- u. Dosiertechnik

Wenn es jedoch um Nachrüstung oder Ersatz geht, ist die Anbindung an das Prozessleitsystem eine komplexe Aufgabe. „Trotz Standardisierungsbemühungen auf der Hardwareseite ist die softwareseitige Integration heterogener Sensoren für den Endanwender bislang noch nicht trivial. Plug-and-Play-Lösungen existieren in der Regel noch nicht“, berichtet Florian Garnich, Entwicklungsspeziallist bei Viscotec Pumpen- u. Dosiertechnik. Als Systemanbieter übernimmt Viscotec die notwendige Integration der Sensorik und Aktorik. „Wir führen beides sowohl hinsichtlich der Auswertung als auch der Benutzerführung funktional zusammen“, erläutert der Experte. „Auf Wunsch können wir über einen Remotezugriff Ferndiagnosen durchführen. Allerdings spüren wir eine deutlich geringere Nachfrage als oft in den Medien im Sinne von Industrie 4.0 dargestellt wird.“

Auf die Sensoren und die Auswertelogik kommt es an

Bonafede Claudio Bonafede, Managing Director Maag Italy

Sinn und Zweck der Investitionen muss sein, „dass wir durch die Überwachung des Wirkungsgrads die Leistung der Anlagen stets unter Kontrolle habe“, erklärt Claudio Bonafede, Managing Director Maag Italy. Das autonome Überwachungssystem Maag Brain kontrolliert die Leistungsfähigkeit der Pumpen und aller wichtigen Parameter. „Somit kann ein allfälliger Verschleiß der Pumpe festgestellt werden“, führt Bonafede aus. Das System kann aus der Ferne überwacht werden. Dies ermögliche dem Anwender und dem Hersteller, im Falle von Problemen präventiv einzugreifen, um Ausfallzeiten und übermäßige Kosten zu vermeiden.

Denn „verschleißbedingte Ausfälle korrelieren häufig nicht eindeutig mit der Betriebsdauer“, wie Garnich berichtet. „Daher arbeiten wir daran, über eine entsprechende Sensorik Symptome, welche auf einen baldigen Ausfall oder eine Qualitätseinbuße hindeuten, vorzeitig zu erfassen. Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten besser planbar zu machen, senkt die „Total Cost of Ownership“, fasst er zusammen.

Personalmangel als Digitalisierungstreiber

Ein weiterer Aspekt, der gleichzeitig Treiber und Stolperstein bei der Investition darstellt, ist das fehlende qualifizierte Personal in den Anlagen. So konnte man auf der Praktikerkonferenz in Graz im September vernehmen, dass neue Mitarbeiter einfach nicht die nötige Zeit haben, um eine Anlage kennenzulernen und alle Details zu erfassen, wie es vor einigen Jahren noch selbstverständlich war. Daher kann auch hier die digitale Anbindung zur Überwachung sehr hilfreich sein. „Mit zunehmend komplexeren Produktionssystemen steigen Anforderungen an das spezifische Know-how beim Bedienpersonal. Deshalb ist die Unterstützung durch vernetzte, digitale Assistenzsysteme zur Überwachung und Betriebsoptimierung von Pumpen notwendig, um auch in Zukunft im Sinne einer Smart Factory wettbewerbsfähig zu sein“, meint Moritz Pastow, Program Manager Digital Services & IoT bei Lewa. „Mit Lewa Smart Monitoring bieten wir ein System aus Sensorik, IoT-Controller und Datenanalysesoftware für Neu- und Bestandspumpen an. Mit dem System überwachen unsere Kunden ihre Pumpen in Echtzeit. Außerdem ermitteln sie Betriebskennzahlen und erkennen unerwünschte Betriebszustände vorausschauend. Auch die Gesamtleistung und Robustheit des Pumpen- und Rohrleitungssystems lässt sich so optimieren. Durch lokale und cloudbasierte Vernetzung ist die Integration in Prozessleitsysteme und Leitstellen einfach zu realisieren. Damit trägt unsere Industrie-4.0-Lösung zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der gesamten Produktionsanlage bei.“

Digitale Dokumentation

Auch beim Anbieter KSB kann die Überwachung zentral über eine Cloudfunktion erfolgen: „Bei KSB Guard sind die Anlagendaten zentral über die KSB-Cloud abrufbar und als digitale Lebenslaufakte jederzeit und überall verfügbar. Zudem erleichtern fertig aufbereitete Nutzerplattformen die Digitalisierung und Vernetzung der einzelnen Maschinen, sodass nur noch wenige Daten von Nutzern eingegeben werden müssen“, erläutert Miriam Rischer, Projektleiterin in der Abteilung Corporate Function Digital und Produktmanagerin der IoT-Überwachungslösung KSB Guard.

Die digitale Dokumentation der Anlagen ist ein zentraler Faktor in der Transparenz des Gesamtsystems. Lewa bietet dafür in seinem Portal von jeder Pumpe einen digitalen Zwilling. „Dort sind Dokumente hinterlegt sowie – wenn der Kunde eine Cloud-Verbindung zulässt – eine Anbindung zum Smart Monitoring. Im Service setzen wir außerdem auf eine Augmented Reality-Lösung mit einer Datenbrille. So können wir die Pumpe quasi „durch die Augen des Kunden“ sehen“, führt Pastow aus.

Frank Bungartz  Frank Bungartz, Geschäftsführender Gesellschafter, Bungartz

Auch Bungartz sieht in der Digitalisierung der Dokumentation eine Chance: „Mit einem lesbaren digitalen Chip an der Pumpe und einem internetfähigen Handy wäre eine Schnittstelle unserer Dokumentationen direkt an der Anlage – auch wie gewohnt in der jeweiligen Muttersprache / Fremdsprache – denkbar. Auch hier würden wir nicht selber entwickeln, sondern den Weg über Kooperationen mit namhaften Herstellern wählen, wie wir das seit Jahren auf anderen Gebieten bereits praktizieren,“ erläutert der Geschäftsführer.

Digitalisierung mobiler Pumpen

Rabenseifner   Jürgen Rabenseifner, General Sales Manager und Mitglied der Geschäftsleitung von Flux

Bei mobilen Pumpen wie solche des Anbieters Flux entstehen für eine digitale Anbindung besondere Herausforderungen. „Da ja sowohl die Pumpen wie auch die Behälter und Gebinde beweglich sind, muss die digitale Vernetzung sinnvollerweise drahtlos erfolgen. Auch der Invest dafür ist im Vergleich zum Kernprodukt, der Pumpe, vergleichsweise hoch. In diesem Bereich wird die Vernetzung der Pumpen daher nicht ganz so schnell und sicher auch mit anderen Service-Schwerpunkten Einzug halten“, prognostiziert der Jürgen Rabenseifner, General Sales Manager und Mitglied der Geschäftsleitung von Flux. Doch auch Flux bietet entsprechende Dienstleistungen an. „Ersatzteilservices, Inhouse-Reparaturen, Technischen Support in Form von Auslegungshilfen und natürlich Trouble-Shooting per Telefon und inzwischen auch mittels Web-Tools nehmen noch immer den größten Raum ein“, erläutert Rabenseifner. „In Zusammenhang mit unserem mobilen Fassentleerungs-System oder unserem Abfüllsystem bieten wir auch Inbetriebnahme-Unterstützung und Anwenderschulungen an. Parallel sind wir dabei, unser Angebot an Servicevideos auszubauen.“

Ein Blick nach vorn

Miriam Rischer   Miriam Rischer, Projektleiterin in der Abteilung ­Corporate Function Digital und Produktmanagerin der IoT-Überwachungslösung KSB Guard

Die Projektleiterin in der Abteilung Corporate Function Digital und Produktmanagerin der IoT-Überwachungslösung KSB Guard, Miriam Rischer, erlaubt einen Blick in die Zukunft: „Zu den technischen Herausforderungen gehören weiterhin kostengünstige, sichere Datenübertragungswege mit hoher Bandbreite und die zugehörige Infrastruktur, z.B. mit Blick auf Narrowband IoT. Eine weitere Herausforderung sind die aktuell steigenden Materialkosten, welche die Entwicklung kostengünstiger Hardwarelösungen derzeit erschweren.“


Autorin
Dr. Etwina Gandert, Chefredakteurin CITplus

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