Trends im Containment
Die Anforderungen an Containment-Lösungen in der Pharmaindustrie steigen kontinuierlich. Neue hochwirksame Therapien, besonders in der Onkologie und Präzisionsmedizin, erfordern immer ausgereiftere Technologien zum Schutz von Bedienern und Umwelt – bei gleichzeitig höchster Produktionseffizienz. Wie die Branche diese Herausforderungen meistert und welche innovativen Ansätze sich durchsetzen: ein Überblick über aktuelle Entwicklungen im Pharma-Containment.
Autoren: Dr. Martin Schöler, Vice President Technology bei Fette Compacting Dr. Rainer Nicolai, Product Owner Engineering Consulting bei F. Hoffmann – La Roche
Zwischen steigenden Anforderungen und innovativen Lösungen

Die pharmazeutische Industrie befindet sich in einem Wandel, der die Anforderungen an Containment-Lösungen grundlegend verändert. Ein Blick auf die Zulassungsstatistik der FDA macht die Dimension dieser Entwicklung deutlich: Über 57 % der zwischen 2011 und 2020 neu zugelassenen Wirkstoffe liegen im Occupational Exposure Band (OEB-Level) 3 oder höher – ein klares Signal für den steigenden Bedarf an Containment-Technologien. Marktanalysen bestätigen diesen Trend: Allein der Markt für hochaktive pharmazeutische Wirkstoffe (HPAPIs) soll von aktuell etwa 27 Mrd. auf über 41 Mrd. USD im Jahr 2028 wachsen, getrieben vor allem durch Fortschritte in der Präzisionsmedizin und neue onkologische Therapien.
Diese Entwicklung stellt die Industrie vor komplexe Herausforderungen: Einerseits erfordern neue hochaktive Wirkstoffe und regulatorische Vorgaben immer ausgereiftere Schutzkonzepte für Bediener und Umwelt. Andererseits müssen moderne Containment-Lösungen höchste Effizienzstandards erfüllen und sich flexibel in bestehende Produktionsprozesse integrieren lassen. Gefragt sind daher ganzheitliche Systemlösungen, die neben technischen Aspekten auch organisatorische Faktoren wie Bedienerqualifikation und Prozessabläufe berücksichtigen.
Neue regulatorische Anforderungen

Wie stark der Wandel die Branche prägt, zeigt sich besonders an regulatorischen Entwicklungen: Die seit Dezember 2024 geltende aktualisierte Gefahrstoffverordnung führt wichtige Neuerungen für die Pharmaindustrie ein. Zentral ist die Übernahme des risikobezogenen Maßnahmenkonzepts aus der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS), das Akzeptanz- und Toleranzkonzentrationen für kritische Stoffe in der Arbeitsumgebung definiert. Darin wird auch die Verwendung geschlossener Systeme für Gefahrstoffe der KMR-Kategorien Ia und Ib (krebserzeugende, keimzellmutagene oder reproduktionstoxische Stoffe) explizit empfohlen. Zudem müssen pharmazeutische Produzenten neue Regelungen zu Zugangsbedingungen, Schulungen und erweiterte Meldepflichten beachten. Letztere sind nun an klar definierte Bedingungen geknüpft.
Parallel dazu wurde der Praxisleitfaden SMEPAC (Standardized Methodology for the Evaluation of Pharmaceutical Ergonomic Particle Emission from Containment Systems) der ISPE grundlegend überarbeitet. Statt einzelner Geräte und Unit Operations fokussiert sie nun verstärkt auch auf komplexe Systeme mit vielen Einzelkomponenten, was besonders im Bereich des Continuous Manufacturing zur Anwendung kommt. Neu ist zudem die erweiterte Betrachtung des Anlagen-Lebenszyklus: Der Bedienerschutz muss nicht nur während der Produktion, sondern auch bei Reinigung, Wartung und Außerbetriebnahme gewährleistet sein. Der Praxisleitfaden empfiehlt zwar weiterhin den Produktionszustand als primären Messfokus, gibt aber nun auch konkrete Beispiele für die Bewertung anderer Betriebszustände.
Continuous Manufacturing als Treiber
Die Erwähnung von Continuous Manufacturing im SMEPAC-Leitfaden ist kein Zufall: Die kontinuierliche Herstellung entwickelt sich zu einem wichtigen Treiber moderner Containment-Lösungen. Dabei geht es nicht nur um die oft zitierten Vorteile wie höhere Effizienz und bessere Produktqualität. Aus Sicht des Containments bietet die kontinuierliche Produktion einen entscheidenden Vorteil: Sie reduziert die Anzahl kritischer Transferschnittstellen zwischen einzelnen Prozessschritten deutlich. Jeder Materialtransfer zwischen Gebinden, jedes Umfüllen und jeder Raumwechsel stellt ein potenzielles Kontaminationsrisiko dar. Ein kontinuierlich laufender Prozess in einer geschlossenen Anlage ist dagegen deutlich weniger kritisch als der Transfer von hochpotenten Stoffen zwischen verschiedenen Unit Operations.
Die Kombination aus Containment und Continuous Manufacturing ermöglicht so nicht nur effizientere, sondern auch sicherere Produktionsprozesse. Diese Synergie gewinnt in der Branche an Bedeutung, wie auch die wachsende Zahl entsprechender Marktanfragen zeigt.
Testlabore und Validierung gewinnen an Bedeutung

Ein weiterer wichtiger Trend ist die Einrichtung spezialisierter Testlabore bei den Anlagenherstellern. Die sichere Handhabung hochpotenter Wirkstoffe erfordert umfangreiche Tests vor der Installation beim Kunden. So empfiehlt der neue Good Practice Guide SMEPAC ausdrücklich erste Containment-Messungen bereits während des Factory Acceptance Tests (FAT). Diese frühzeitige Validierung minimiert Risiken bei der späteren Inbetriebnahme, wobei standardisierte Testverfahren sowohl mit Ersatzstoffen (Surrogaten) als auch mit aktiven Produkten zum Einsatz kommen.
Zentral ist dabei die systematische Überprüfung der Containment-Performance. Messverfahren wie der Containment Guard prüfen die Rückhalteleistung in sieben definierten Szenarien: von der normalen Produktion über Werkzeugwechsel bis zu simulierten Störfällen wie Stromausfällen. Die nach SMEPAC-Richtlinie durchgeführten Messungen liefern reproduzierbare Ergebnisse als verlässliche Basis für die Anlagenauslegung entsprechend dem Aktivitäts- und Toxizitätsgrad der Wirkstoffe.
Innovative Systemlösungen
Die Industrie reagiert auf diese Entwicklungen mit durchdachten Containment-Konzepten. Moderne Tablettenpressen sind bereits in der Standardausführung staubdicht konstruiert, mit einem konstanten Unterdruck im Maschineninneren zur Vermeidung von Staubemissionen. Optionale Containment-Pakete mit Handschuheingriffen (Gloveports) und Rapid Transfer Ports (RTP) ermöglichen sichere Eingriffe ohne Unterbrechung des Containments. Für höchste Anforderungen stehen High-Containment-Lösungen mit Isolatortechnologie und Wash-in-Place (WiP) zur Verfügung.
Ein besonderer Fokus liegt auf der Integration aller Systemkomponenten. Die Erfahrung zeigt, dass Transferprozesse maßgeblich über die Rückhalteleistung einer Anlage entscheiden. Je weniger Schnittstellen zwischen den einzelnen Prozessschritten existieren, desto geringer ist das Risiko einer Wirkstofffreisetzung. Moderne Containment-Systeme bspw. bei der OSD-Herstellung umfassen neben der eigentlichen Tablettenpresse auch das komplette Prozess-Equipment wie Entstauber, Metalldetektoren und Einheiten zur Inprozesskontrolle.
Zusammenfassung und Ausblick

Die Entwicklung im Pharma-Containment wird künftig wesentlich von zwei Faktoren bestimmt: der steigenden Nachfrage nach Lösungen für hochaktive Wirkstoffe und der zunehmenden technischen Komplexität der Systeme. Besonders bei kritischen und zielgerichteten Therapien wächst der Bedarf an sicheren Containment-Lösungen weiter. Die Verbindung von Containment und Continuous Manufacturing zeigt exemplarisch, wie Innovation zu mehr Sicherheit bei höherer Effizienz führen kann.
Entscheidend wird die noch engere Integration aller Systemkomponenten sein: von der Anlagentechnik über Reinigungskonzepte bis zur digitalen Prozessüberwachung. Die frühzeitige Zusammenarbeit zwischen Anlagenherstellern und Pharmaproduzenten gewinnt dabei weiter an Bedeutung, um Lösungen zu entwickeln, die sowohl Sicherheitsanforderungen als auch wirtschaftliche Ziele erfüllen. Die neuen regulatorischen Rahmenbedingungen und erweiterten Testmöglichkeiten bieten dafür eine solide Grundlage.

Dr. Martin Schöler
Vice President Technology bei Fette Compacting
© Fette Compacting

Dr. Rainer Nicolai
Product Owner Engineering Consulting bei F. Hoffmann – La Roche
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