Eine internationale Umfrage unter Produktionsmitarbeitern belegt, dass Zugang zu modernen Technologien entscheidenden Einfluss auf die Arbeitgeberwahl hat. Die Corona-Pandemie hinterlässt immer deutlichere Spuren am Arbeitsmarkt: Zum einen gingen speziell im Niedriglohnsektor viele Jobs verloren. Zum anderen denken in zahlreichen Branchen auch gut ausgebildete Fachkräfte zunehmend über einen Wechsel oder eine Neuorientierung nach. Die USA verzeichnen aktuell sogar eine regelrechte Kündigungswelle unter dem Namen „The Great Resignation“. Aber auch in vielen anderen Ländern bangen Unternehmen, dass es sie ebenfalls treffen könnte.
Vor diesem Hintergrund zeigt eine neue internationale Studie von Parsable, dass dringend mehr getan werden muss, um Nachwuchskräfte für den Industriesektor zu gewinnen und zu halten.
Der Report „The State of the Connected Frontline Manufacturing Worker, 2021” beleuchtet die Sicht von Beschäftigten in den Bereichen Produktion, Wartung und Arbeitsschutz hinsichtlich ihres beruflichen Umfelds und der Nutzung von Technologien am Arbeitsplatz. Auch die Auswirkungen der anhaltenden Pandemie wurde von Parsable untersucht.
Die Studienergebnisse unterstreichen, wie sehr die Attraktivität einer Arbeitsstelle von der technischen Ausstattung abhängt: 45 % der in Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien und USA befragten Produktionsmitarbeitenden gaben an, dass sie sich vorstellen können, ihren Arbeitgeber für ein moderneres, digitales Umfeld zu wechseln. Zu einem solchen Umfeld zählen die Befragten auch die Bereitstellung mobiler Technologien, wie z. B. eines Smartphones oder Tablets, um ihre Aufgaben besser zu erledigen. Derzeit geben im internationalen Durchschnitt weniger als die Hälfte (41 %) der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer an, dass ihr Unternehmen solche digitalen Hilfsmittel zur Verfügung stellt.
Raus aus Arbeitskräftemangel und Qualifikationslücke
Der Wunsch nach mehr digitaler Unterstützung trifft die Unternehmen in einer Zeit massiver Umwälzungen: In Deutschland, der größten europäischen Volkswirtschaft, wird die Zahl der Arbeitskräfte laut Prognosen bis 2030 um etwa 4 Millionen sinken, wenn die Generation der Babyboomer in den Ruhestand geht. In den USA schätzt man, dass zeitgleich bis zu 2,1 Millionen Stellen im verarbeitenden Gewerbe unbesetzt bleiben. Jüngere Generationen davon zu überzeugen, dass ein Industriearbeitsplatz eine zukunftsorientierte, technologisch fortschrittliche Berufswahl ist, gewinnt somit zunehmend an Bedeutung, in Deutschland wie auch international.
Wie wichtig dabei die Ausstattung am Arbeitsplatz auch in Deutschland ist, belegt auch die Studie von Parsable. So geben die Hälfte (50 %) der Befragten im Alter von 18 bis 24 Jahren und 60 % der 25- bis 34-Jährigen an, dass Zugang zu Technologie für sie bei einem Jobwechsel eine Rolle spielt. Gleichzeitig binden sich vor allem jüngere Arbeitnehmer nicht so stark an ihr Unternehmen: In allen Ländern planen 29 % der Befragten im Alter von 18 bis 24 Jahren, weniger als zwei Jahre in ihrer derzeitigen Position in der Produktion zu bleiben; in Deutschland ist es sogar jeder Dritte (33 %).
Mitarbeitende ab 55 auf dem Sprung
Selbst in der höchsten Altersgruppe ab 55 Jahren ist eine attraktive technische Ausstattung für 41 % Grund zum Arbeitgeberwechsel. Damit ist das Thema in Deutschland noch wichtiger für die Arbeitgeberattraktivität als in anderen Ländern. Und auch die ältere Generation klebt hierzulande weniger am Job als ihre Kolleginnen und Kollegen in USA oder anderen Ländern Europas: Während im internationalen Durchschnitt 65 % der Befragten im Alter ab 55 Jahren seit zehn Jahren oder länger in ihrem derzeitigen Beschäftigungsverhältnis sind, trifft das in Deutschland nur auf 45 % der ältesten Mitarbeitenden-Gruppe zu.
„Es ist eindeutig: Beschäftigte in der Fertigung wollen digitale Technologien, die ihnen dabei helfen, ihre Arbeit besser zu erledigen. Das gilt über alle Altersgruppen hinweg, trifft aber auf die Digital Natives besonders zu. Gerade sie sind von entscheidender Bedeutung, um die drohende Arbeitskräftelücke in der verarbeitenden Industrie zu schließen“, erklärt Lawrence Whittle, CEO von Parsable. „Wenn Hersteller Nachwuchskräfte für die wichtigen Aufgaben in der Produktion gewinnen und halten wollen, müssen sie mobile, digitale Tools und Trainingsmöglichkeiten ‚on the job‘ bereitstellen – und zwar in den Formaten, die Millennials und die Generation Z zu nutzen gewohnt sind.“
Wunschliste deutscher Produktionsfachkräfte
Laut der Befragung haben viele Unternehmen infolge der Pandemie neue Technologien eingeführt, die ihren Mitarbeitenden die Arbeit erleichtern: Über alle Länder hinweg liegt die Quote hier bei 42 %, ebenso wie in Deutschland. Zu den in hierzulande eingeführten Tools zählen insbesondere digitale Werkzeuge zur Zusammenarbeit (44 %), mit großem Abstand dahinter folgen digitale Arbeitsanleitungen (25 %) und mobile Geräte (22 %).
Es gibt also noch einiges zu tun für die Industrieunternehmen. Gefragt, welches Tool die Mitarbeitenden vorzögen, wenn sie ihr Unternehmen davon überzeugen könnten, eines einzuführen, entscheidet sich knapp die Hälfte (49 %) für digitale Arbeitsanleitungen, gefolgt von mobilen Geräten (46 %) und digitalen Tools für eine bessere Zusammenarbeit (46 %). Dagegen sprachen sich nur 22 % für mehr Robotik aus und nur 14 % der deutschen Studienteilnehmer wünschten sich mehr Wearables wie z. B. Datenbrillen.
Nicht-digitale Arbeitsprozesse
Nicht-digitale Arbeitsprozesse dominieren nach wie vor die Arbeitswelt zulasten der Transparenz.
Obwohl die heutigen Produktionsanlagen technologisch weitaus fortschrittlicher sind, hat sich die Art und Weise, wie Werker, Techniker und Maschinenführer Arbeitsabläufe befolgen und miteinander zusammenarbeiten, kaum verändert.
Die überwiegende Mehrheit (81 %) der Befragten in allen Ländern arbeitet immer noch ganz oder teilweise mit Papier, um Anweisungen zu befolgen und den Überblick über ihre Arbeit zu behalten. Wenn es um die Kommunikation mit anderen Teammitgliedern geht, verlässt sich die Mehrheit der weltweit Befragten auf mündlichen, persönlichen Austausch (76 %) und das Telefon (43 %). Beides bietet jedoch nicht dieselbe Transparenz und Nachvollziehbarkeit wie digitale Kanäle. Und all das, obwohl 80 % der Studienteilnehmer nach eigenen Angaben keine Bedenken gegenüber dem Einsatz digitaler Tools haben. In Deutschland zeigen sich sogar 86 % dafür offen.
„Die Pandemie und der teils daraus resultierende Arbeitskräftemangel haben gezeigt, wie wichtig Flexibilität in der Wertschöpfungskette ist. Unternehmen, die keinen Plan für die Einführung neuer Technologien haben, droht ein erheblicher Wettbewerbsnachteil. Dasselbe gilt für diejenigen, die ihre Art und Weise Mitarbeitende einzustellen, zu schulen und weiterzubilden, nicht überdenken“, so Whittle. „Wenn wir die Menschen, die im Zentrum der Fertigung stehen, mit digitalen, vernetzten Werkzeugen ausstatten, stärkt dies die Lieferketten – und verbessert gleichzeitig den Arbeitsalltag der Mitarbeitenden. Und das ist heute wichtiger denn je.“
Über die Studie
Der Report „The State of the Connected Frontline Manufacturing Worker, 2021” basiert auf einer internationalen Online-Umfrage vom September 2021. Dabei wurden insgesamt 1.400 Industriemitarbeitende in den USA, Deutschland, Frankreich, Spanien und in Großbritannien befragt. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung waren die Teilnehmer nach eigenen Angaben in einer praktischen, nichtleitenden Position in der Fertigung tätig.