Retrofit einer Pasteurisierunganlagen bei kurzer Stillstandszeit
Abfüller von Fruchtsäften nutzen Pasteurisierungsanlagen, um die Säfte haltbar zu machen. Die Lindauer Bodensee-Fruchtsäfte betreibt eine Anlage aus dem Jahr 1977, die für einen zuverlässigen Betrieb gewartet werden musste. Um dies sicherzustellen, entschied sich der Betreiber für eine Modernisierung der Antriebstechnik anstelle einer Instandsetzung – ausschlaggebend waren der Preis und die kurze Stillstandszeit während des Retrofits. SEW-Eurodrive bot eine maßgeschneiderte Lösung, die durch ein Antriebspaket nach aktuellem Stand der Technik überzeugte
Autor: Thomas Madel, Projektmanager Retrofit bei SEW-Eurodrive in Bruchsal
Warum die Modernisierung der Antriebstechnik oft die bessere Wahl ist als eine Generalüberholung

Die Lindauer Bodensee-Fruchtsäfte verarbeitet verschiedene Obstsorten, die sie von Streuobstwiesen aus der Region erhält, zu hochwertigen Fruchtsäften. Frisch gekeltert werden sie, ohne Verwendung von Konservierungsmitteln, in Flaschen abgefüllt. Im Anschluss werden Mikroorganismen in einer Pasteurisierungsanlage (Pasteur) abgetötet, wodurch die Haltbarkeit deutlich verlängert wird. Die Anlage des Lindauer Abfüllers wurde im Jahr 1977 erbaut und sollte auch in den nächsten Jahren weiter betrieben werden. Allerdings wies sie erhebliche Abnutzungserscheinungen auf. Die originalen Verstellantriebe eines Fremdherstellers am Ein- und Auslauf der Anlage waren verschlissen und kein Ersatz mehr zu bekommen. Also musste eine andere Lösung gefunden werden. Für den Anlagenbetreiber kamen zwei Szenarien infrage: eine kostspielige Generalüberholung der vorhandenen Antriebe durch den ursprünglichen Anlagenbauer oder der Einsatz neuer Antriebtechnik von SEW-Eurodrive, angepasst an die vorhandene Anlage.
Lösungsfindung vor Ort
Bei einer Anlagenbegehung vor Ort verschaffte sich das Retrofitteam von SEW-Eurodrive einen Überblick über die Gegebenheiten. Dem Kunden wurde eine technische Lösung angeboten mit einem neuen Doppelgetriebemotor samt aller erforderlicher Adaptionen zur Anbindung an die vorhandene Anlage. Diese kundenspezifische Lösung von SEW-Eurodrive überzeugte durch ein Antriebspaket nach dem aktuellen Stand der Technik, einschließlich der Einbauerklärung und gesicherter Ersatzteilverfügbarkeit. Sie war kostengünstiger als die Generalüberholung der Originalantriebe durch den Wettbewerber. Dieses Argument überzeugte den Anwender bei seiner Entscheidungsfindung.
Nach der Auftragsvergabe nahm das zuständige Retrofitteam des Maschinenbauers alle erforderlichen Maße vor Ort auf. Diese Maßaufnahme umfasste umliegende Störkonturen und Anbindungspunkte für die neue SEW-Antriebstechnik. Die beengten Platzverhältnisse am Ein- und Auslauf des Pasteurs stellten eine zusätzliche Herausforderung dar. Sie machten eine Auslagerung der neuen Antriebe an die Außenseite der Maschine mittels einer Antriebskonsole erforderlich. Durch eine separat in der Motorkonsole gelagerte Steckwelle werden die Längendifferenz zum Antriebsritzel an der Anlage sowie die auftretenden Querkräfte ausgeglichen. Sämtliche auftretenden Kräfte wurden im Vorfeld berechnet und die Komponenten daraufhin ausgelegt. Die feuchte Umgebungsbedingung erforderte zudem eine spezielle Oberflächenschutzlackierung in OS4, die für den Einsatz in der Getränkeindustrie geeignet ist und chemischer Reinigung standhält.
Vormontage mit Qualitätssicherung

Nachdem alle projektspezifischen Komponenten gefertigt waren, begann die Vormontage der kompletten Antriebseinheit im Service Competence Center Mechanik in Graben-Neudorf. Am Ende des Vormontageprozesses durchliefen sämtliche Komponenten einen Qualitätssicherungsprozess, ehe die beiden vormontierten Antriebspakete an den Endkunden versandt wurden.
Der finale Lieferumfang für den Pasteur belief sich auf zwei Doppelgetriebemotoren KA87/T R57 DRN80 auf zwei Motorkonsolen mit Flanschlagern. Für jede Antriebseinheit lieferte SEW-Eurodrive zudem eine Steckwelle, ein Kettenrad inkl. Kette, einen Spannsatz, das nötige Schraubenmaterial und eine Abdeckhaube, die die Mechanik im Inneren vor äußeren Einflüssen schützt. Die Dokumentation und Einbauerklärung ergänzten die Lieferung.
Problem gelöst bei kurzer Stillstandszeit
Durch eine lösungsorientierte Beratung vor Ort konnte der Maschinenbauder dem Getränkeabfüller ein attraktives Angebot unterbreiten und ihn mit einem umfangreichen Konzept überzeugen. „Unser Ziel war eine maßgeschneiderte Lösung, bei der neben der Vermeidung von Anpassungen an der Bestandsanlage auch kurze Stillstandszeiten während des Retrofit im Fokus standen“, berichtet Tobias Bratzel, Projektingenieur bei SEW-Eurodrive. Ein erfahrener Servicemonteur führte die Montagearbeiten vor Ort durch. Sie beinhalteten sowohl die Demontage der ursprünglichen Verstellantriebe als auch die Installation der neuen Antriebseinheiten mit Ritzel und Ketten. Durch die schlüsselfertige Konstruktion verliefen die Montagearbeiten mit minimaler Stillstandszeit der Anlage – sehr zur Zufriedenheit des Kunden. Seitdem kann sich die Lindauer Bodensee-Fruchtsäfte wieder ganz auf die Saftherstellung konzentrieren.

Retrofit-Service
Neben den Antriebs-und Automatisierungsprodukten werden begleitende Dienstleistungen und unterstützende Tools immer wichtiger. Mit seinen „Life Cycle Services“ schafft SEW-Eurodrive Mehrwerte, die die Anwender bei ihrer Kaufentscheidung unterstützen. Das umfangreiche Service- und Dienstleistungskonzept ist am Kundenprozess ausgerichtet und bedient individuelle Anforderungen. Unter dem Begriff „Life Cycle Services“ werden alle Service- und Dienstleistungen von SEW-Eurodrive sowie Hilfsmittel und Tools gebündelt und den Lebenszyklusphasen einer Maschine bzw. Anlage zugeordnet. Nach den Phasen Orientierung, Planung & Engineering sowie Beschaffung & Lieferung schließen sich die Installation & Inbetriebnahme, Nutzung und schließlich die Modernisierung an. Mit dem Service Retrofit dieser letzten Phase bleiben die Maschinen und Anlagen auf dem neuesten Stand der Technik. Denn mit zunehmender Lebensdauer einer Maschine und Anlage können sich nicht nur Rahmenbedingungen wie gesetzliche und normative Vorgaben ändern, sondern auch die Anforderungen an Produktivität, Anlagen- und Teileverfügbarkeit.

Thomas Madel
Projektmanager Retrofit bei SEW-Eurodrive in Bruchsal