Zukunft einer Branche bei Westfleisch
Die Genossenschaft stellt bis Ende 2020 alle Mitarbeiter selbst an und führt eine flächendeckende digitale Zeiterfassung ein
Gemäß einer Pressemitteilung vom 23. Juni 2020 will Westfleisch, einer der führenden Fleischverarbeiter Deutschlands, eine elementare Wende herbeiführen: „Heute leiten wir mit dem Zehn-Punkte-Zukunftsprogramm einen Prozess ein, mit dem wir in unserer Branche die richtigen Maßstäbe setzen wollen – vertrauensvoll und zuverlässig“, erklärte Carsten Schruck, Finanzvorstand der Westfleisch SCE. „Der Fokus unseres Programms, das eine wichtige Weiterentwicklung unseres Leitbildes ist, liegt auf der Übernahme von deutlich mehr Verantwortung für Mensch, Tier und Gesellschaft. Wir wollen uns noch mehr um die Mitarbeiter kümmern, mehr Tierwohl schaffen, eine höhere Sicherheit für die Landwirte und eine bessere Einbindung der lokalen Interessen vor Ort.“
In den vergangenen Jahren habe Westfleisch zwar bereits viele Dinge in die richtige Richtung angestoßen, „doch in der Umsetzung haben wir uns zu oft abbremsen lassen“, sagte Vorstandskollege Steen Sönnichsen. „Für die Zukunft unserer bäuerlichen Genossenschaft ist es ganz entscheidend, dass wir konsequenter als bisher die notwendigen Schritte einleiten und tatsächlich auch gehen.“
Konkret will Westfleisch z. B. bis Jahresende alle Mitarbeiter selber anstellen. „Und das gilt unabhängig davon, was der Gesetzgeber in den kommenden Monaten in dieser Hinsicht beschließen wird“, erklärte Johannes Steinhoff, der im Vorstand für den Bereich Weiterverarbeitung verantwortlich zeichnet. Allen Mitarbeitern und deren Familien wird damit eine Zukunft und Perspektive innerhalb von Westfleisch geboten; der Integrationsprozess wird in Abstimmung mit den langjährigen Werkvertragsunternehmen vollzogen. Weitere Punkte des Zukunftsprogramms sind u. a. die flächendeckende Einführung der digitalen Zeiterfassung, das Sicherstellen von angemessenem Wohnraum sowie die Stärkung der regionalen Landwirtschaft.
Steinhoff verwies auch auf die vergangenen Jahre: „Als Genossenschaft haben wir ein anderes Grundverständnis und verfolgen eine andere Philosophie als viele unserer Wettbewerber.“ So seien z. B. bereits in den vergangenen Jahren über 2.000 externe Werkvertragsarbeiter ins Unternehmen reintegriert worden und viele Tierwohlprojekte erst auf Betreiben Westfleischs hin gestartet worden. „In den vergangenen Wochen mussten wir jedoch erfahren, dass es nicht reicht, mehr zu machen oder besser als viele andere zu sein. Die Messlatte liegt – zu Recht – höher.“
Das vorgestellte Zehn-Punkte-Zukunftsprogramm ist nun das Ergebnis aus vielen Gesprächen in den vergangenen Wochen: „Dieses Zehn-Punkte-Zukunftsprogramm gibt uns die Leitplanken für unser zukünftiges Handeln vor“, sagte Carsten Schruck. „Es sind zum Teil anspruchsvolle Ziele, für deren Erreichen wir auch die Unterstützung unserer vielen, ganz unterschiedlichen Partner brauchen.“ Steen Sönnichsen ergänzte: „Wir freuen uns, wenn wir dieses Zukunftsprogramm nun gemeinsam mit unseren landwirtschaftlichen Mitgliedern, mit unseren Mitarbeitern, Handelskunden, Betriebsräten, den Vertretern der Gewerkschaften sowie der lokalen wie überregionalen Politik Schritt für Schritt mit Leben füllen werden. Mit allen werden wir den Dialog hierfür suchen und vertiefen.“
Das Zehn-Punkte-Zukunftsprogramm von Westfleisch
1. Werkverträge: Westfleisch stellt alle Mitarbeiter selbst ein
In den kommenden sechs Monaten werden wir alle Beschäftigten selbst einstellen und in unsere Genossenschaft aufnehmen. Damit übernimmt Westfleisch künftig selber die Verantwortung für seine Beschäftigten und wird auf entsprechende Werkvertragsanbieter verzichten.
2. Flächendeckende Einführung der digitalen Zeiterfassung
Bereits heute setzen wir bei unseren eigenen Mitarbeitern eine elektronische Zeiterfassung ein. Diese werden wir sukzessive auch auf die Werkvertragsmitarbeiter ausweiten, bis diese in den Konzern übernommen werden.
3. Konzernweite Mitbestimmung leben
Bei Westfleisch gibt es bereits seit Jahren mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ausgehandelte Tarifverträge, eine lebendige Arbeitnehmermitbestimmung und funktionierende Betriebsräte. Den offenen Dialog mit der NGG wollen wir weiter mit Leben füllen.
4. Angemessene Wohnsituation sicherstellen
Mit dem weiteren Ausbau der unternehmenseigenen Dienstleistungsgesellschaft WE-Service forciert Westfleisch die aktive Wohnraum-Beschaffung für die Mitarbeiter. Auf diese Weise wollen wir dafür sorgen, dass die Standards der Unterkünfte künftig überall verlässlich oberhalb der gesetzlichen Regeln liegen.
5. Integrationsbeauftragte für jeden Standort
Der Integrationsbeauftragte von Westfleisch steht jedem Mitarbeiter als Ansprechpartner rund um alle sozialen Belange (Unterkunft, Hilfen im Alltag insbesondere in Richtung Kita, Schule und Behörden, etc.) zur Verfügung – ein Angebot, das nun weiter ausgebaut werden wird.
6. Überarbeitetes Hygienekonzept erhöht den Arbeitsschutz
Als Konsequenz aus den Vorgängen im Mai entwickelte Westfleisch das bestehende Hygienekonzept für Pandemiezeiten weiter: Der Fokus liegt auf der wöchentlichen Testung aller produktionsnah Beschäftigten, dem Entzerren der Produktionsprozesse und auf der noch stärkeren Schulung und Kontrolle der Einhaltung der Hygieneregeln.
7. Regionale Landwirtschaft stärken – mehr Tierwohl schaffen
Wir wissen: Unsere regionalen Landwirte würden die gesellschaftlichen Wünsche nach mehr Umweltschutz und Tierwohl gerne erfüllen – jedoch müssen diese von Handel und Verbraucher auch honoriert und bezahlt werden. Damit die Landwirte eine sichere Zukunftsperspektive haben, wollen wir entsprechende Programme gemeinsam mit unseren Partnern im Handel noch stärker voranbringen.
8. Stärkere Integration in die Gemeinschaft vor Ort
Seit über 90 Jahren ist Westfleisch tief in Nordwestdeutschland verwurzelt. Unsere Verbindungen vor Ort haben wir aber in den vergangenen Jahren zum Teil noch nicht gut genug gepflegt – das wollen wir verbessern, Interessen lokaler Gruppen stärker einbeziehen und uns auch deutlich intensiver als bisher in das soziale und gesellschaftliche Leben vor Ort einbringen.
9. Mit starken Handelspartnern die Versorgung sichern
Westfleisch legt hohen Wert auf vertrauensvolle und feste Beziehungen zu den Handelspartnern. Diese wollen wir weiter intensivieren. Denn gemeinsam mit ihnen können wir die Versorgung der Bevölkerung mit regionalen und qualitativ hochwertigen Produkten sicherstellen. Unser absoluter Fokus wird dabei auch künftig auf dem inländischen Markt liegen.
10. Klare Nachhaltigkeitsstrategie
Westfleisch investiert laufend und in hohem Maße in die Qualität und Sicherheit seiner Produkte – und dies entlang der gesamten Produktionskette. Diese Nachhaltigkeit, die ein ganz entscheidendes Element unseres Selbstverständnisses ist, wollen wir künftig in jeglicher Hinsicht leben.