05.03.2021 • Technik

Veränderte Dichtheitsanforderungen bei natürlichen Kältemitteln

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Die Triebfeder für Kälteanlagenbetreiber und -hersteller, ihre Kälteanlagen zu überprüfen und nachzurüsten bzw. neu zu konzipieren, ist die F-Gas-Verordnung (F-Gase = fluorierte Gase) von 2014 zur Reduktion von Emissionen. Fluorierte Gase, die sich bestens für jegliche Kühlanwendungen – von Kühlschränken über Klimaanlagen bis zu Kühltheken in Supermärkten – eignen, tragen erheblich zur Erderwärmung und Klimaschädigung bei. Diese synthetischen Gase sollen deshalb sukzessive reduziert (als „Phase Down“ bezeichnet) und schließlich gänzlich durch klimafreundlichere, natürliche Alternativen ersetzt werden. Eine Herausforderung ist, dass diese natürlichen Kältemittel wie CO2 oder Ammoniak, die als weniger klimaschädigend gelten, viel anspruchsvoller in der Handhabung sind. Gefordert sind neue Technologien, die den Einsatz natürlicher Kältemittel ermöglichen. Dazu zählen insbesondere leistungsfähigere Dichtungsmaterialien, da das Kühlsystem mit natürlichen Kältemitteln deutlich höhere Drücke benötigt, während die Kältemittel aggressiver sind und noch weniger entweichen dürfen.

Fluorierte Gase stark klimaschädlich

Zunächst sollen die Eigenschaften und Anforderungen der natürlichen Kältemittel gegenüber den synthetischen näher betrachtet werden. Tatsächlich eignen sich synthetische Gase optimal für Kühlanwendungen: Sie lassen sich mit geringem Aufwand komprimieren und damit verflüssigen und wieder in die gasförmige Struktur zurücküberführen. Durch diese Wechsel des Aggregatzustands wird der Abkühleffekt erzeugt. Jedoch entweichen die Gase aus gängigen Kühlsystemen leicht, weil die standardmäßig verwendeten Dichtungen nur geringe Dichtigkeitsklassen aufweisen, die eine permanente Leckage bedingen. Was für den Menschen zunächst unbedenklich ist, hat jedoch gravierende Auswirkungen auf die Umwelt. Die synthetischen Verbindungen sind im Gegensatz zu natürlichen Kältemitteln Hunderte von Jahren stabil, verbleiben so in der Atmosphäre und forcieren damit die Erderwärmung.

Es mutet etwas seltsam an, wenn ausgerechnet CO2 in diesem Bereich als klimafreundliche Alternative gesehen wird, obwohl es bei Klimaschutzbestrebungen häufig darum geht, CO2-Emissionen zu verringern. Fluorierte Gase sind jedoch um ein Vielfaches klimaschädlicher als CO2. Um diese Schädlichkeit deutlich zu machen, wurde CO2 als Maßstab genommen und andere Gase daran mit dem sogenannten GWP (Global Warming Potential) gemessen. Dieses CO2-Äquivalent zeigt, wie sehr eine bestimmte Masse eines Treibhausgases im Vergleich zur gleichen Menge CO2 zur globalen Erwärmung über einen bestimmten Zeitraum (in der Regel 100 Jahre) beiträgt. Methan hat bspw. ein GWP von 28, während R134a (Tetrafluorethan), ein in Klimaanlagen von Fahrzeugen sehr gängiges Kältemittel, bereits einen Wert von 1.300 besitzt. Klassische FCKWs (Fluorchlorkohlenwasserstoffe) entsprechen sogar einem GWP von 13.900. Bei Ammoniak als natürlichem Kältemittel dagegen beträgt der GWP-Wert null.

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Natürliche Kältemittel anspruchsvoller in der Handhabung

Das Ziel ist also, langfristig natürliche Kältemittel zu etablieren. Die Tücken im Umgang mit diesen alternativen Kältemitteln liegen allerdings in den deutlich abweichenden Eigenschaften, z. B. in Sachen Dampfdruck und Verdampfungsenthalpie. R134a kann bei Raumtemperatur bspw. bei ca. 7 bar Druck verflüssigt werden, während für das natürliche Kältemittel R744 (CO2) hingegen ca. 70 bar Druck erforderlich sind. Anlagen müssen demnach deutlich höheren Betriebsdrücken im Abkühlungsprozess standhalten. Auch sind natürliche Kältemittel wie z.B. Ammoniak chemisch viel aggressiver. Anlagen müssen insgesamt mechanisch robuster sein. Zudem muss sichergestellt sein, dass diese Gase keinesfalls austreten, wie es bisher bei Kälteanlagen mit synthetischen Kältemitteln in der Regel der Fall war. Hier würden sich unmittelbare Gesundheitsgefährdungen für anwesende Personen ergeben.

Neue Dichtungsgeneration

Andreas Will, Head of Research & Development Industry von Frenzelit, gibt Folgendes zu bedenken: „Die Vorgaben, Treibhausgase zu reduzieren, sind begrüßenswert und richtig; sie müssen jedoch auch umsetzbar sein und erfordern zunächst neue technische Lösungen. Mit unserer neuen Dichtungsgeneration haben wir für Betreiber von Kälteanlagen eine leistungsfähige Antwort auf die erhöhten Anforderungen. Alternativ müssten aufwändige konstruktive Veränderungen in der Anlage gefunden werden, um eine Leckage aggressiver Kühlmittel zu verhindern.“ Novapress 850 dagegen ermöglicht auf einfachere und kostengünstigere Weise den erforderlichen Technologiewandel hin zu klima­freundlichen Kältemitteln. Der neuartige Werkstoff erfüllt Dichtigkeitsklassen, die bisher mit herkömmlichen Faserstoffdichtungen nicht erreichbar waren. Mit Novapress 850 können zuverlässige Dichtsysteme auch bei geringsten Flächenpressungen hergestellt werden. Diese Dichtungen sind 10.000 bis 100.000 mal dichter als Standardprodukte. Was hinter dem neuen Dichtungsmaterial steckt, erläutert der Forschungs- und Entwicklungsleiter: „Wir entwickeln und produzieren alle Materialien selbst. Dabei kommt es auf hochwertige Ausgangsmaterialien, die einzelnen Rezepturkomponenten und insbesondere das sehr komplexe und leistungsfähige Herstellungsverfahren an, das Frenzelit anwendet.“ Ein Prozessleitsystem überwacht und steuert dabei die Zusammenstellung der Rezepturen, das Mischverfahren und schließlich den eigentlichen Kalandrierprozess. Das Ergebnis ist ein Dichtungsmaterial, das die Vorteile von Faserstoffdichtungen und Elastomerdichtungen vereint: anpassungsfähig wie eine Elastomerdichtung, aber mechanisch stabil wie eine Faserstoffdichtung. Es genügen schon geringe Flächenpressungen, um ein Höchstmaß an Dichtheit zu erzielen, sodass eine Leckage kaum nachweisbar ist. Den Belastungen durch die höheren Drücke, die durch den Einsatz natürlicher Kältemittel entstehen, halten Novapress 850-Dichtungen langfristig stand. Ebenso zeichnet sie ihre chemische Beständigkeit aus. Zahlreiche natürliche Kältemittel sind aggressiv und können Dichtungsmaterialien angreifen und porös werden lassen.

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Eigene Prüfanlage für umfangreiche Nachweise

Um diese Anforderungen sicherzustellen, werden umfangreiche Prüfungen und Nachweise an den Materialien durchgeführt. Zu diesem Zweck hat Frenzelit eine eigene Kälteprüfanlage gebaut, die mit jedem Kältemittel betrieben werden kann. Anhand bestimmter Normen und Vorgaben von Kunden führen die Dichtungsexperten verschiedene Belastungstests durch, um die Leistungsfähigkeit des Dichtungsmaterials nachzuweisen. Gefordert ist bspw. eine Belastungsprobe, bei der das Material über mehrere Wochen mit dem jeweiligen Kältemittel in Kontakt kommt und umspült wird. Dabei werden folgende Parameter berücksichtigt:

  • Prüfung gegenüber verflüssigtem Kältemittel (statt im „harmlosen“ gasförmigen Zustand) Medienauslagerung bei realem Betriebsdruck
  • Prüfung in Anlehnung an die Norm ASTM F146, jedoch mit deutlich längeren Auslagerungszeiten (7 bzw. 14 Tage statt 5 Stunden)
  • Einbeziehung aggressiver Kompressorenöle – Stichwort „Ölwurf“ (nach Betreibervorgabe), i.d.R. mit 5 % Anteil gegenüber 2–3 % in der Realität
  • Geprüft wird hinsichtlich Gewichts- und Dickenveränderungen
  • optische Beurteilung hinsichtlich Verfärbungen, Rissen oder sonstigen Beschädigungen wie Schleimigkeit, Delamination, Auflösung, Blasenbildung und Schrumpf
  • mögliche Ausflockungen des Kältemittels/Kompressoröls

„Dass wir bereits im Vorfeld dank unserer eigenen Prüfanlage Nachweise erbringen können, wird bei Konstrukteuren sehr geschätzt, da wir so das ganze kosten- und zeitaufwendige Prozedere beschleunigen und vereinfachen können“, so Andreas Will. Es geht sowohl um Nachrüstungen bei bestehenden Anlagen, aber verstärkt auch um komplette Neukonzeptionen, um der sensiblen Handhabung natürlicher Kältemittel gerecht zu werden. Dabei lohnt es sich, die Dichtungsexperten frühzeitig in die Planungen einzubeziehen, um die Dichtungsmaterialien optimal auf den jeweiligen Anwendungsfall abzustimmen.

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Weitere Einsatzgebiete

Durch die enormen Dichtigkeiten, die das neue Dichtungsmaterial erzielt, ist Novapress 850 auch für weitere Anwendungen und Branchen interessant: Es wird bspw. auch in der Gasversorgung eingesetzt, um die erforderlichen Dichtigkeiten und Sicherheitsansprüche sicherzustellen. Entsprechende Zulassungen und Nachweise hat Frenzelit bereits vorgelegt. Weitere Einsatzgebiete für den leistungsfähigen Dichtungswerkstoff sind Trinkwasseranwendungen oder F&B-Anwendungen wie z.B. Brauereianlagen. Andreas Will: „Das Ziel bei der Weiterentwicklung unserer Dichtungswerkstoffe, unabhängig von der Anwendung, ist stets die signifikante und nachhaltige Verringerung von Emissionen und das Erreichen noch höherer Dichtigkeitsklassen. Denn das ist letztlich die Aufgabe einer Dichtung: das System maximal technisch dicht zu gestalten, um Emissionen zu reduzieren.“

Autorin

Anbieter

Frenzelit GmbH

Frankenhammer 7
95460 Bad Berneck
Deutschland

Kontakt zum Anbieter







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