Biotechnologie als Chance für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion
Zur nachhaltigen Sicherung der Welternährung könnte die Lebensmittelbiotechnologie deutlich mehr beitragen als bisher. Darauf verweisen die Expert:innen der Dechema-Fachgruppe Lebensmittelbiotechnologie in einem aktuellen Positionspapier. Sie fordern eine Anpassung der Gesetzgebung, um moderne Verfahren nicht länger zu blockieren.
Eine wachsende Weltbevölkerung, geopolitische Verwerfungen und die Folgen der Erderwärmung haben die globale Ernährungssicherung wieder ganz oben auf die Agenda gerückt. Die Lebensmittelproduktion leidet unter dem Klimawandel, während sie gleichzeitig für mehr als ein Drittel aller Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Um dies zu ändern, sind disruptive Innovationen notwendig.
Welche neuen Ansätze moderne Produktionsmethoden dafür bieten, zeigt das aktuelle Papier der Dechema-Fachgruppe Lebensmittelbiotechnologie. Unter dem Titel „Biotechnologie als Chance für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion“ beschreiben Expert:innen aus Wissenschaft und Industrie, wie sich dank biotechnologischer Verfahren mit Enzymen und Mikroorganismen neue Proteinquellen erschließen und die Verarbeitung von Lebensmitteln verbessern lassen.
Das Spektrum reicht von bekömmlicheren Produkten aus Hülsenfrüchten bis zum Ersatz tierischer Proteine. Gerade in letzter Zeit hat „Cultivated Meat“ aus der Zellkultur viel Aufmerksamkeit erregt, aber auch Milchprotein lässt sich mit Hilfe der Präzisionsfermentation gezielt im Bioreaktor herstellen. Dabei werden Nährstoffe bis zu zwanzigmal effizienter genutzt, als es in der Tierhaltung möglich ist.
Maßgeschneiderte Enzyme machen nicht nur gluten- oder laktosefreie Produkte für Allergiker zugänglich, sie können auch dazu beitragen, Lebensmitteln bestimmte erwünschte Eigenschaften mitzugeben. Enzyme sind auch ein Schlüssel für die Bekämpfung von Übergewicht mit Hilfe neuer, kalorienarmer, aber gut verträglicher Zuckeralternativen.
Dem enormen Innovationspotenzial steht allerdings derzeit eine Gesetzgebung entgegen, die dessen Nutzung nicht nur behindert, sondern in Teilen unmöglich macht. Das gilt besonders für neue genomische Techniken, mit denen die Eigenschaften von Organismen so verändert werden, dass sie nicht von natürlichen Mutationen oder den Ergebnissen klassischer Züchtung zu unterscheiden sind. Die Autoren fordern daher eine sachgerechte, ideologiefreie und differenzierte Regelung: So sollen Organismen, bei denen keine artfremde DNA eingebaut wurde und die gleichermaßen durch natürliche Mutationen entstanden sein könnten, von der bestehenden EU-Gentechnikgesetzgebung ausgenommen werden. Nur so, erläutern die Fachleute, lassen sich durch Forschung und Entwicklung neue Lebensmittelquellen erschließen, die den Wünschen von Verbraucher:innen ebenso gerecht werden wie dem Streben nach Nachhaltigkeit und den Zielen der „Farm to Fork“-Stategie der EU.