Wasserstoffdurchfluss im Gasnetz messen
Wasserstoff ist als zusätzlicher Energieträger schon längst im Fokus, um fluktuierende, insbesondere wetterabhängige Energieerzeugung einerseits und einen saisonal schwankenden Verbrauch andererseits auszugleichen. Ultraschallgaszähler werden seit Jahrzehnten eingesetzt und sind bereits für die Durchflussmessung von Erdgas mit bis zu 30 Vol% Wasserstoffgehalt zugelassen. Betreiber können so regenerativen Wasserstoff in bestehende Gasnetze einspeisen, ohne in neue Durchflusszähler investieren zu müssen.
Die Erzeugung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien und seine Einspeisung in bestehende Gasnetze spielen auf dem Weg zu einer CO2-neutralen Energieversorgung eine wichtige Rolle. Wasserstoff kann an Orten mit hoher Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien erzeugt werden. Darüber hinaus kann er gespeichert und als zusätzlicher Energieträger über die bestehenden Gasnetze zum Verbraucher transportiert werden. Im bestehenden Erdgasverteilernetz kann Wasserstoff mit einem Anteil von bis zu 30 Vol% gespeichert und transportiert werden.
Die Netze für reinen Wasserstoff werden zunächst regional ausgebaut. Diese werden dann schrittweise zusammenwachsen, um schließlich größere Netze bilden zu können. Schätzungen für ein europaweites Wasserstofftransportnetz gehen von 40.000 km aus, die bis 2040 geschaffen werden können.
Auswirkungen auf die Gasdurchflussmessung
Aktuell gewinnt also eine zuverlässige und stabile Durchflussmessung von Erdgas mit beigemischtem Wasserstoff zunehmend an Bedeutung. Die Veränderung der Gaszusammensetzung stellt neue messtechnische Herausforderungen an die verschiedenen Zählertechnologien. Denn der zugesetzte Wasserstoff beeinflusst die Eigenschaften des Erdgases: Dichte, Viskosität, Explosivität, Strömungs- und Schallgeschwindigkeiten ändern sich. Das stellt Leitungen, Kompressoren, Dichtungen, Ventile, Messtechnik usw. vor völlig neue Herausforderungen, z. B., was die Gefahr von Lecks und Explosionen oder die Ermittlung des Brennwerts betrifft.
Vor diesem Hintergrund stellen sich Gasnetzwerkbetreiber und Gasversorger die Frage, wie sich das auf die Leistung ihrer Gasdurchflusszähler auswirkt. Die Ultraschall-Durchflussmessung hat in den letzten zwei Jahrzehnten sowohl in der Erdgas- als auch in der Prozessgasindustrie einen neuen Standard in Bezug auf Zuverlässigkeit, Haltbarkeit und Messgenauigkeit gesetzt.
Durch die Beimischung von Wasserstoff zu Erdgas wird die Schallgeschwindigkeit (SOS) des Gasgemischs bereits deutlich erhöht. Bei 100 Vol.-% Wasserstoff ist sie etwa dreimal so hoch wie bei Erdgas. Das abgebildete Diagramm zeigt die SOS für Erdgas, ein Wasserstoffgemisch von 30 Vol% und reinen Wasserstoff. Daraus ergeben sich mehrere Anforderungen an die Konstruktion von Ultraschallgaszählern. Sowohl der erdgasäquivalente Messbereich als auch die geforderte Messunsicherheit müssen sichergestellt werden. Dies umfasst die Verringerung der Streuung der Messung, die Reduzierung von Querempfindlichkeiten gegenüber Druck-, Temperatur- und Medienschwankungen sowie die Reduzierung von strömungsmechanischen Einflüssen. Bei Erdgas mit Wasserstoffbeimischungen von bis zu 30 Vol% kann dieser Einfluss noch kompensiert werden.
Ultraschall-Durchflussmessung: Bereit auch für zukünftige Anforderungen
Für die zukünftige, eichfähige Messung von Wasserstoffbeimischungen und reinem Wasserstoff sind die gleichen Spezifikationen und Anforderungen – vor allem in Bezug auf die Messgenauigkeit – zu erwarten wie für die Messung in Erdgas. Entsprechend müssen die Ultraschallgaszähler (USM) an die neue Messaufgabe angepasst werden. Andererseits werden sich spezielle Wasserstofftransportleitungen nicht wesentlich von Erdgasleitungen unterscheiden. Die Anforderungen entsprechen in etwa denen der heutigen Erdgaszähler. Für eine energieäquivalente Transportleistung sind entweder größere Nennweiten oder höhere Durchflussmengen in Transportsystemen erforderlich. Speziell für Wasserstoff ausgelegte USM müssen daher höhere maximale Gasgeschwindigkeiten zulassen. Da alle Anforderungen sehr gut erfüllt werden können, sind USM ideal für die eichrechtliche Durchflussmessung in zukünftigen Transport- und Verteilungsnetzen, egal ob für Wasserstoffbeimischungen oder reinen Wasserstoff.
Die Vorteile der Durchflussmessung mit USM sind:
- Großer Nennweitenbereich (DN50 bis DN1400)
- Hohe Messspanne von ≥ 1:100
- Verblockungsfrei, kein Druckverlust
- Keine mechanisch bewegten Teile, keine Pulsation
- Höhere Durchflussraten bei Wasserstoff
- Übertragbarkeit der Kalibrierung auf andere Medien
Neben der Klassifizierung nach dem Wasserstoffgehalt lassen sich die USM auch nach ihrer Verwendung in Prozessgasanwendungen, in Transportnetzen und in Verteilungsnetzen unterscheiden:
A. Prozessgasmessung
USM werden seit vielen Jahren in Prozessgasanlagen zur Messung von Gasen mit unterschiedlichen Wasserstoffanteilen eingesetzt. Sie unterscheiden sich von Standardmessgeräten, die für eichpflichtige Messungen ausgelegt sind, durch die Einschränkungen für Messungen in Gasen mit erhöhtem Wasserstoffgehalt. Dies wirkt sich auf die Einlaufbedingunen, die erreichbare Messunsicherheit und die Einschränkungen des Durchfluss- und Druckbereichs aus. Mit der Entwicklung neuer Ultraschallsensoren für den Einsatz in reinem Wasserstoff werden die bisherigen Einschränkungen gegenüber Standardzählern auch für diese Anwendungen entfallen.
B. Messung von wasserstoffhaltigen Gasen in Verkehrsnetzen
In Transportnetzen werden große Gasmengen in Rohrleitungen mit Nennweiten ab DN400 bei hohen Drücken transportiert. Gasdurchflusszähler der neuesten Generation wie das Flowsic600-XT können auch Gase mit Wasserstoffgehalten bis zu 30 Vol% messen und sind für die eichrechtliche Volumenmessung zugelassen. Voraussetzung dafür ist, dass die Zuverlässigkeit und Qualität der Messergebnisse durch Änderungen von Dichte, Strömungs- und Schallgeschwindigkeit nicht oder nur unwesentlich beeinflusst werden.
C. Messung von wasserstoffhaltigen Gasen in Verteilungsnetzen
USM in Verteilungsnetzen unterscheiden sich durch ihren Auslegungsdruck (typischerweise < 20 bar) und ihre Nennweite (≤ DN150). Das Flowsic500 ist speziell für den Einsatz in der Erdgasverteilung konzipiert. Es wurde für die Messung von bis zu 30 Vol% Wasserstoff im gesamten Spezifikationsbereich qualifiziert, indem die Signalauswertung angepasst und der messbare SOS-Bereich erweitert wurde.
Gas Quality Indicator (GQI): Bestimmung des Wasserstoffgehalts
Neben den primären Messwerten und der geforderten hohen Genauigkeit bieten Ultraschallgaszähler weitere Vorteile:
- Die Implementierung eines „Gasqualitätsindikators“ (GQI) in die USM bietet die Möglichkeit, Änderungen der Gaszusammensetzung über den Wert der Schallgeschwindigkeit zu erfassen. Bereits kleine Änderungen des Wasserstoffgehalts können aufgrund der extrem hohen SOS von Wasserstoff sehr genau erkannt werden. Wenn die Referenzgaszusammensetzung bzw. deren SOS (ohne Wasserstoff) bekannt ist, kann zudem der Wasserstoffgehalt sehr genau bestimmt werden. Das Gerät vergleicht den gemessenen SOS-Wert mit dem Referenz-SOS-Wert. Unter der Annahme, dass dies ausschließlich auf eine Beimischung von Wasserstoff zurückzuführen ist, kann der Wasserstoffgehalt direkt bestimmt werden. Die Annäherung erfolgt über eine empirische Formel, die in der Firmware des USM implementiert ist.
- Das Bild Flowsic500 zeigt beispielhaft einen USM in der Mischstation des Pilotprojekts „Wasserstoff im Gasnetz“ in der Region Fläming, Sachsen-Anhalt, Deutschland. Im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts wurden dem Erdgasverteilungsnetz Wasserstoffbeimischungen von bis zu 20 Vol% zugeführt. Mit dem Zähler wird die Menge des Erdgas-Wasserstoff-Gemisches gemessen. Gleichzeitig wird mithilfe des GQI der Wasserstoffgehalt des Erdgases erfasst.
Fazit
Ultraschallgaszähler werden seit mehr als 20 Jahren erfolgreich zur Messung der Gasmenge in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt. Dazu gehören auch Anwendungen für Gase mit unterschiedlichen Wasserstoffgehalten. Die in diesen Applikationen eingesetzten Geräte sowie weitere aus der Sick-Flowsic-Familie sind bereits für die fiskalische Messung von Erdgasen mit einem Wasserstoffgehalt von bis zu 30 Vol% angepasst und zugelassen. Betreiber von Gasnetzen können den Trend mitgehen, regenerativ erzeugten Wasserstoff in bestehende Gasnetze einzuspeisen, zu transportieren und zu speichern – ohne zusätzliche Investition in neue Gasdurchflusszähler.
Die Diagnosemöglichkeiten der USM ermöglichen neben der Mengenmessung auch eine qualitative Bestimmung des Gases. Damit steht nicht nur eine ergänzende Analysemethode für Wasserstoff zur Verfügung. Aufwendige Analysetechniken zur Wasserstoffbestimmung wie die extraktive Gaschromatographie können in einigen Anwendungen ersetzt werden. Für bereits installierte Geräte wird eine Überprüfung des Gerätezustands empfohlen, um zu evaluieren, welche Auswirkungen die Einspeisung von bis zu 30 % Wasserstoff hat. Der Einfluss von Alterung, Einbaubedingungen oder Druckregler sollte dabei ebenfalls überprüft werden. Der Service von Sick bietet hier entsprechende Unterstützung bei der Bewertung an.
Autor:
Daniel Heinig, Produktmanager, Sick